Krankenhaussterben – Ursachen und deren Bekämpfungsversuch durch das Krankenhaustransparenzgesetz

PrintMailRate-it

​​​​​veröffentlicht am 30. April 2024

Die deutsche Gesundheitslandschaft sieht sich 2024 mit einer drohenden Insolvenzwelle konfrontiert. Diese bedrohliche Entwicklung wirft ein Schlaglicht auf die strukturellen Schwächen und Belastungen, denen viele Krankenhäuser gegenüberstehen. Abhilfe soll nun das Krankenhaustransparenzgesetz schaffen. 

Das Krankenhaustransparenzgesetz ist am 28.03.2024 in Kraft getreten. Die Umsetzung des Krankenhaustransparenzgesetzes schien jedoch zunächst aufgrund einiger Gegenstimmen in den Landesregierungen blockiert. Die Länder schickten es in den Vermittlungsausschuss, der das Gesetz bestätigte und gleichzeitig dessen änderungsfreie Übernahme empfahl. In seiner Sitzung vom 22.03.2024 entschied der Bundesrat schlussendlich, keinen Einspruch gegen das Gesetz einzulegen.
 
Das Krankenhaustransparenzgesetz ist eines von mehreren Gesetzen, mit denen Bundesgesundheitsminister Prof. Karl Lauterbach das Krankenhaussystem grundlegend reformieren und die Gesundheitsversorgung der Bevölkerung verbessern will.
 
Doch warum befinden sich die Krankenhäuser in Deutschland in einer finanziellen Schieflage und ist diese wirklich so gravierend?
 

Herrschender finanzieller Engpass der deutschen Krankenhäuser und dessen Ursachen

Seit Jahren sind Krankenhäuser einem stetigen Druck ausgesetzt. Faktoren wie steigende Kosten für Personal, Material und Technologie sowie eine seit Jahrzehnten anhaltende Unterfinanzierung bei der Investitionsförderung haben dazu geführt, dass viele Einrichtungen bereits an der Grenze ihrer finanziellen Belastbarkeit operieren. Die Covid-19-Pandemie hat diese Situation weiter verschärft, indem sie die Ressourcen der Krankenhäuser zusätzlich beanspruchte und zu finanziellen Einbußen durch verschobene Behandlungen führte.
 
Nun, da sich das Gesundheitssystem langsam von den Auswirkungen der Pandemie zu erholen versucht, stehen einige Krankenhäuser vor einer ungewissen Zukunft. Nach Einschätzung der Deutschen Krankenhausgesellschaft (DKG) sollen 2024 so viele Kliniken wie nie zuvor in die Zahlungsunfähigkeit rutschen. 2024 drohe sogar ein Rekordinsolvenzjahr zu werden. 2023 habe es knapp 40 Insolvenzen gegeben. Wegen der starken Personalkostenentwicklung könne sich diese Zahl verdoppeln. Kaum eine Einrichtung könne seine Ausgaben noch aus den laufenden Einnahmen decken. Nur vier Prozent der Kliniken erwarten eine Verbesserung, 71 Prozent gehen demgegenüber von einer Verschlechterung aus. Dies gehe aus den Ergebnissen des aktuellen Krankenhaus Barometers des Deutschen Krankenhausinstituts (DKI) hervor. Insbesondere kleinere und mittelgroße Einrichtungen sehen sich mit existenzbedrohenden finanziellen Engpässen konfrontiert.1
 
Die Ursachen für diese bedenkliche Entwicklung sind vielschichtig. Neben strukturellen Defiziten im deutschen Gesundheitssystem spielen auch externe Faktoren eine Rolle. So haben die steigenden Anforderungen an die Qualitätssicherung und die zunehmende Bürokratie die Verwaltungskosten in die Höhe getrieben. Maßgeblich sind aber insbesondere die deutlich gestiegenen Sach- und Personalkosten.
 
Gleichzeitig macht die Inflation den Kliniken zu schaffen. Der DKG forderte daher einen Inflationsausgleich für die Kliniken. Denn diese könnten ihre Preise auf Grund der staatlichen Regulierung nicht eigenständig an die Inflation anpassen, litten aber genauso wie andere Wirtschaftszweige an den Ausgabensteigerungen.2 Im Rahmen der Anhörung des Gesundheitsausschusses vom Oktober 2023 forderten die Klinikverbände nachvollziehbar Soforthilfen. Nach Ansicht der DKG, der Unions- und Linksfraktion sei ein Vorschaltgesetz vor der Krankenhausreform zur finanziellen Absicherung der Krankenhäuser notwendig. Bis zum Inkrafttreten der Krankenhausreform dürften nicht unkontrolliert Versorgungsstrukturen im Krankenhausbereich wegbrechen.3
 
Selten oder nie sei die Situation so schlecht gewesen wie derzeit. Auch der Deutsche Städtebund warnte bereits 2023 vor Krankenhausinsolvenzen. So sei jedes fünfte Krankenhaus absehbar insolvenzgefährdet. Akute Nothilfen sowie eine Reform zur Beseitigung der strukturellen Unterfinanzierung werden gefordert.4
 
Der Verband der Ersatzkassen sieht es etwas gelassener und warnte vor Panikmache. Ein Insolvenzverfahren bedeute nicht zwangsläufig die Schließung. Ziel sei zuvorderst immer die Sanierung und in vielen Fällen werden auch nur einzelne Fachabteilungen oder ein Standort von mehreren geschlossen. Es gebe derzeit immer noch knapp 2.500 Krankenhausstandorte. Nötig sei vielmehr die überfällige Strukturreform. Ziel müsse es sein, die Krankenhausinfrastrukturen an den Bedarf der Menschen anzupassen. Es sei daher widersinnig, noch mehr Geld in die Aufrechterhaltung ineffizienter und nicht bedarfsgerechter Strukturen „​zu pumpen”.5
 
Auch der Spitzenverband der Gesetzlichen Krankenkassen (GKV) sieht das ähnlich. Vor dem Hintergrund der Anhörung des Gesundheitsausschusses erinnerte er daran, dass der Bund die pandemiebedingten Fallzahlrückgänge mit rund 21,5 Milliarden Euro ausgeglichen habe. Für 2023 und 2024 bekämen die Krankenhäuser weitere Bundesmittel in Höhe von sechs Milliarden Euro als Energiehilfen. Darüber hinaus erhielten die Kliniken für die Jahre 2023 und 2024 für die Geburtshilfe und Pädiatrie zusätzlich jährlich 420 Millionen Euro. Nach Ansicht des Verbandes sollten in der Übergangsphase bis zur Krankenhausreform zielgenaue Instrumente erarbeitet werden, um bedarfsnotwendige Kliniken vor einem Ausscheiden aus der Versorgung zu bewahren. Der Fokus müsse auf der Bedarfsnotwendigkeit liegen.6

 
Lösung durch das Krankenhaustransparenzgesetz?

Dem Krankenhaussterben möchte der Bundesgesundheitsminister nun mit dem Transparenzgesetz entgegenwirken. Dieses sieht im Kern die Einführung eines Transparenzverzeichnisses vor, das die Patientinnen und Patienten über die verfügbaren Leistungen in einem Krankenhaus sowie dessen Qualität bei bestimmten Behandlungen informiert.
 
Patientinnen und Patienten könnten so in Zukunft vor einer anstehenden Operation die dazugehörigen Sterblichkeitsquoten ihres regionalen Krankenhauses mit dem eines weiter entfernten Krankenhauses vergleichen. Basierend darauf könnten sie ihre Behandlung also nicht mehr in ihrem regionalen Krankenhaus durchführen lassen, sondern einen längeren Anreiseweg zugunsten einer qualitativ besseren Behandlung auf sich nehmen.
 
Verständlich, dass die Länder wegen des Krankenhaustransparenzgesetzes die zukünftige steigende Schließung der ländlichen Krankenhäuser fürchten. Auch bei der Bevölkerung sollte die Schließung des in unmittelbarer Nähe befindlichen Krankenhauses keinen flächendeckenden Zuspruch finden.
 
Jedoch ist nicht zu vergessen, dass insbesondere die Qualität der stationären Versorgung durch mehr Transparenz gestärkt wird und auch ländliche Krankenhäuser sich entsprechend ihrer vorhandenen personellen und materiellen Ressourcen effizienter auf ihre Behandlungsschwerpunkte konzentrieren können. Letzteres würde eine Schließung gerade verhindern.
 
Auch Bundesgesundheitsminister Lauterbach ist ähnlicher Meinung. Jedenfalls scheint dieser von den Forderungen der Krankenhäuser und Länder bisher unbeeindruckt. „Es werden mit und ohne Reform Kliniken sterben, weil wir zu viele haben”, hörte man ihn im Deutschlandfunk sagen.7
 
Gleichzeitig betont der Gesundheitsminister, dass das Krankenhaustransparenzgesetz nicht primär dazu diene, kleinere und ländliche Krankenhäuser zu schließen. Gerade durch die im Rahmen der Krankenhausreform geschaffenen Vorhaltepauschalen, die das System der Fallpauschalen zukünftig ergänzen und unabhängig von der Leistungsmenge vorab fließen sollen, soll die Existenzgrundlage von Krankenhäusern mit vergleichsweise weniger Behandlungen gesichert werden.8 Klar ist offensichtlich aber auch: Die Gewährung von Vorhaltepauschalen ist nicht vorbehaltlos. Vorhaltepauschalen dienen dazu, dass Ressourcen und Dienstleistungen für die Behandlungen in Krankenhäusern dauerhaft vorgehalten werden. Sie können grundsätzlich dazu beitragen, Abteilungen in Krankenhäusern zu betreiben, deren Auslastung weniger gut planbar sind. Die Leistungen müssen natürlich langfristig trotzdem bedarfsgerecht sein und auch erbracht werden. Mit den Vorhaltepauschalen wird man sich auch künftig mitnichten Abteilungen leisten können, die defizitär oder eben nicht (mehr) bedarfsgerecht sind.
 

Schaffung von Lösungen und positiver Perspektiven​

Auch wenn die Krankenhauslandschaft aktuell schwierigen Rahmenbedingungen ausgesetzt ist, so ist das kein Grund zu verzweifeln. Denn ein Punkt verdient Zustimmung: Nicht jede Insolvenz führt zwangsläufig auch zu einer Schließung. Ziel eines modernen Restrukturierungs- und  Insolvenzverfahrens (ganz gleich in welcher Verfahrensart, also Eigenverwaltung, Schutzschirm oder Regelinsolvenz) ist zunächst der Versuch, die betroffene Einrichtung zu sanieren und neue Perspektiven zu finden. Lösungen können hier z. B. die Umwidmungen in ambulante Versorgungsangebote sein oder die Übernahme durch einen neuen Träger. Das alles setzt natürlich voraus, dass das Leistungsangebot des Krankenhauses bedarfsgerecht im Rahmen der Umstrukturierung ausgerichtet werden kann.
 

Gerne steht Rödl & Partner Ihnen in der aktuellen herausfordernden Zeit zur Seite. Mit unserer Expertise navigieren wir Sie bestmöglich durch die Krise.​



Quellen:
Lage der Nation: LdN367 Nahost-Konflikt weitet sich aus, Warum machen Krankenhäuser Miese?, FDP bremst EU-Lieferkettengesetz, Gaskraftwerke gegen Dunkelflaute, Wahlwiederholung in Berlin – Lage der Nation
1 https://www.dkgev.de/dkg/presse/details/lage-der-krankenhaeuser-so-schlecht-wie-noch-nie-insolvenzen-steuern-2024-auf-rekordhoch-zu/​ (Stand: 12.03.2024).
2 https://www.dkgev.de/dkg/presse/details/alarmstufe-rot-krankenhaeuser-in-gefahr-sofortiger-inflationsausgleich-notwendig​/ (Stand: 12.03.2024).
3 https://www.bundestag.de/presse/hib/kurzmeldungen-972898 (Stand: 12.03.2024).
4 Städtetag Aktuell Ausgabe 1I2023 (https://www.staedtetag.de/files/dst/docs/Publikationen/Staedtetag-aktuell/2023/staedtetag-aktuell-1-2023.pdf​ (Stand: 12.03.2024)).
5 https://www.vdek.com/presse/pressemitteilungen/2024/insolvenzen-kliniken-krankenhaeuser-strukturreformen.html​ (Stand: 12.03.2024).
6 https://www.bundestag.de/dokumente/textarchiv/2023/kw42-pa-gesundheit-krankenhausreform-970140 (Stand: 12.03.2024).
7 Deutschlandfunk-Interview vom 10.07.2023 (https://assets.deutschlandfunk.de/b6bf291e-807e-41e3-bb16-a04e08179e3e/original.pdf (Stand: 12.03.2024)).
8 Rede des Gesundheitsministers Lauterbach in der Bundesratssitzung vom 22.03.2024 (https://www.bundesgesundheitsministerium.de/presse/reden/rede/krankenhaustransparenzgesetz-lauterbach-rede-bundesrat-22-03-2024-1.html ​(Stand: 27.03.2024)).​


 

AUTORIN

​Regina Stumpf

FOLGEN SIE UNS!

Linkedin Banner

Kontakt

Contact Person Picture

Norman Lenger-Bauchowitz, LL.M.

Mediator & Rechtsanwalt, Fachanwalt für Steuerrecht, Fachberater für Restrukturierung & Unternehmensplanung (DStV e.V.)

Partner

+49 911 9193 3713

Anfrage senden

Profil

WIR BERATEN SIE GERN!

Befehle des Menübands überspringen
Zum Hauptinhalt wechseln
Deutschland Weltweit Search Menu