Im Fadenkreuz der Betriebsprüfung – Steuersünder in Weiß

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Im Fadenkreuz des Fahnders – bald Raster-Steuerfahndung bei Ärzten und Zahnärzten? Beitrag der Frankfurter Allgemeinen Zeitung (FAZ) als mediale Unterstützung für „Steuersünder in Weiß” – Ausstrahlwirkung auf alle Freiberufler und Unternehmer?
 
Die FAZ veröffentlichte am 21. Januar 2015 den Beitrag „Auch Ärzte betrügen den Fiskus / Hauseigenes Schwimmbad als Betriebsausgabe“. Eine leitende Finanzbeamtin der Steuerfahndung redete hier der vorbehaltlosen Betriebsprüfung bei Ärzten „unter Ausschöpfung aller Mittel” das Wort. Bezug wurde auch genommen auf den Bundesrechnungshof, der die Finanzbehörden ungewohnt deutlich angemahnt hatte, die Betriebsprüfungsintensität bei niedergelassenen Ärzten deutlich zu verstärken.
 
Damit werden Ärzte wohl vermehrt in den Fokus der Steuerfahndung rücken. Und das nicht nur wegen etwaiger Auslandseinkünfte aus ausländischen Depots und Konten – z. B. in der Schweiz, in Lichtenstein oder Spanien (ein Umstand, der sie nicht von anderen vermögenden Personen unterscheidet) –, sondern darüber hinaus auch und gerade wegen mutmaßlich nicht betrieblicher Ausgaben für Gerätschaften, die auch oder ausschließlich privat genutzt werden (können), oder vermeintlich hinterzogener Umsatzsteuern bei nicht heilbehandelnden Gutachten oder Schönheitsoperationen. 
 
Dass nun bald und deutschlandweit Finanzbeamte diesem medialen Aufruf Folge leisten und verstärkt Betriebsprüfungen bei Ärzten starten werden, ist abzusehen.
 
Die Art des Vorgehens ist nicht ganz neu: Schon früher wurden Maßnahmen der Steuerfahndung durch Presseartikel flankiert. Der geneigte Leser wird sich daran erinnern, wie die CD-Ankäufe mit Daten zu Schweizer Bankkonten durch einzelne Bundesländer pressewirksam „zweitvermarktet” wurden, um Selbstanzeigen als „Beifang” zu generieren. Gleiches Gedankengut könnte auch hier dahinter stehen, sprich: straffällig gewordene, reuige Berufsträger zur Selbstanzeige anzuregen, selbst wenn noch keine Betriebsprüfung ansteht oder gar nicht geplant ist. Warum sonst sollte man eine Finanzbeamtin mit den Worten zitieren, die Prüfer sollten den Respekt vor dem Nimbus Arzt ablegen und ihn über normale Steuerpflichtige hinaus besonders kritisch beäugen, weil er eben zur „finanziellen Oberschicht Deutschlands” gehöre? 
 
Eine solche Methodik wäre in jedem Fall nicht nur eines Rechtsstaats unwürdig, sie ist auch deswegen gefährlich, weil ein ganzer Berufsstand offensichtlich wegen vereinzelter Straffälliger in Sippenhaft genommen wird. Überdies wird hier eine gesetzlich kodifizierte Aufgabenverteilung umgekehrt: Das Finanzamt hat aufgrund des gesetzlichen Amtsermittlungsgrundsatzes vorurteilslos einen Sachverhalt aufzuklären zugunsten wie zuungunsten des Steuerpflichtigen und das, ohne zu mutmaßen. Der Fiskus darf erst bei Besorgnis einer Straftat ein Strafverfahren einleiten und nicht dieses Mittel verwenden, um sich eine Ermittlung zu ersparen oder psychologischen Druck auf sein Gegenüber, den Steuerpflichtigen, auszuüben.
 
Umgekehrt sollte auch der Steuerpflichtige niemals glauben, den Fiskus übervorteilen zu können, weil er einen Gegenstand zwar ganz offen betrieblich in seinem Rechenwerk (Bilanz, Einnahmen-Überschussrechnung) deklariert, aber eben ausschließlich privat nutzt.
 
Das Beispiel dazu im FAZ-Artikel vom 21. Januar 2015: ein Dampfkochtopf, eine teure Daunendecke, eine Entertainment- Anlage im Wert von 6.000 Euro, ein hochwertiger Fußbodenbelag sowie ein erstklassiger Ruhesessel. Als die Betriebsprüferin nachfragte, habe der Arzt die Gegenstände als betrieblich begründet, weil es eine Personalküche gebe, die Decke für Patienten auf der Ruheliege gedacht sei und der „Relaxchair” im Wartezimmer stehe; dort sei auch die Entertainment-Anlage installiert und der Fußboden sei allerdings gerade wieder erneuert worden, die Rechnung sei schon älter. Bei der daraufhin angesetzten Betriebsbesichtigung hätte es ein richtiges Wartezimmer dann gar nicht gegeben, im Flurbereich seien Plastikstühle verteilt und auf der Liege im Ruheraum wäre keine Decke zu sehen gewesen, ebenso wenig wie ein Kochtopf in der kleinen Teeküche. Auch der neue Fußboden: Fehlanzeige.
 
An sich sollten derartige Situationen der grauen Vergangenheit angehören. Natürlich verlässt sich kein klug beratener Steuerpflichtiger darauf, dass die Prüfung nur beim Steuerberater und nicht in seiner ärztlichen Praxis stattfindet, und rechnet jederzeit mit einem Besuch seines Betriebsprüfers in der Praxis.
 
Es verbieten sich Ausflüchte des vermeintlich ertappten Steuerbürgers: Der Ruhesessel sei gerade in Reparatur, die Decke in der Reinigung, der Dampfkochtopf schon lange kaputt. Auch lohnt keine aggressive Verbalattacke unter Verweis auf impertinente Fragen und Zweifel an der Integrität des Arztes. Dass dann ein(e) Prüfer(in) die Akten der Strafsachenstelle übergibt und die ein Ermittlungsverfahren einleitet, ist durchaus menschlich nachzuvollziehen.
 
Straffällige sollten sich bewusst sein, dass Neider, enttäuschte Patienten oder gehörnte Ehepartner sich dem Fiskus durchaus als Informanten andienen. Derartige Verhaltensweisen finden sich schon in der Bibel und haben sich bis heute erhalten. 
 
Beiden Seiten – und so hält es wohl immer noch die Mehrheit von Ärzten wie Finanzbeamten – stünde also Sachlichkeit und Maßhalten gut zu Gesicht.
 
Es darf nicht sein, dass schleichend Betriebsprüfer das „Einleiten eines Fahndungsverfahrens” verbal als Drohkulisse zu Hilfe nehmen, um ihre Betriebsprüfungsergebnisse zu verbessern und durch das Aufbauen von Druck unerfahrene Steuerpflichtige zum Klein beigeben bewegen und diese, weil schlecht beraten, materiell unrichtige Betriebsprüfungsergebnisse um des lieben Friedens willen akzeptieren. Zumal die Methodik, aus einer Betriebsprüfung eine Steuerstrafsache zu machen, auch für den Betriebsprüfer die Kehrseite hat, dass dem Steuerpflichtigen ein Zeugnisverweigerungsrecht zusteht, was er auch nutzen sollte. Der Prüfer kommt dann im Ermittlungsprozess nicht mehr voran.
 
Andererseits sollten auch Steuerpflichtige Gegenstände nur ins Anlagenverzeichnis aufnehmen, die sie auch tatsächlich beruflich nutzen, und hinsichtlich des nicht genutzen Teils eine Nutzungsentnahme versteuern.
 
Am Ende stünde dann ein ganz normaler Betriebsprüfungsprozess, dem beide Seiten gelassen ins Auge blicken könnten. Neue Sachlichkeit statt Polemik – zu schön, um wahr zu sein.

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Dr. Rolf Leuner

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