Betriebsratswahl: Rechtsrahmen für Unternehmen

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zuletzt aktualisiert am 17. Juni 2020 | Lesedauer: ca. 7 Minuten

Alle vier Jahre wieder – Betriebsratswahl. Im Zeitfenster vom 1. März 2022 bis 31. Mai 2022 stehen die regelmäßigen Betriebsratswahlen an. Die gestiegenen An­for­der­ungen, die durch die Rechts­prechung an eine rechtssichere Betriebsratswahl gestellt werden, sind aufgrund der gestiegenen Zahl von Unternehmen mit atypischen Or­ga­ni­sations­­formen (Stichwort: Matrix­organisation) auch im Jahre 2022 nicht von der Hand zu weisen. Wir stellen im Nachgang die wichtigsten Leitplanken für die Wahlen zum Betriebsrat vor.




 

Betriebsbegriff

Die erste entscheidende Frage bei Betriebs­rats­wahlen ist die Bestimmung des „Betriebs”, in dem die Wahlen durch­zuführen sind. Denn die Größe des zu wählenden Betriebsrats hängt von der Größe des Betriebs ab. Zu Schwierig­keiten kann es in dem Zusammenhang kommen, wenn nicht nur ein Standort, sondern mehrere Nieder­lassungen, Tochter- und Auslandsgesellschaften, Filialen, Zweigbetriebe und sonstige Betriebsteile vorhanden sind.
 
Der Betriebsbegriff knüpft dabei gemäß der Definition durch die Rechtsprechung an die organisatorische Einheit an, „innerhalb derer der Arbeitgeber zusammen mit den von ihm beschäftigten Arbeitnehmern be­stim­mte arbeitstechnische Zwecke fortgesetzt verfolgt, wobei die in der Betriebsstätte vorhandenen Betriebs­­mittel von einem einheitlichen Leitungsapparat gesteuert werden müssen.” Ein Unternehmen ist die rechtliche Organisation (z.B. GmbH, AG, KG, OHG, e.K.), der ein oder mehrere Betriebe angehören.
 
Dabei kommt es bei modernen Unter­nehmens­organi­sationen wie Matrixstrukturen zu Abgrenzungsfragen, da eine Matrixorganisation die einheitliche Leitung gerade in hohem Maße dezentralisiert. Denn für eine Ma­trix­or­ga­ni­sation ist charakteristisch, dass bei einem Mehr­linien­system die disziplinarische Führung (durch den Vertragsarbeitgeber) und die fachliche Führung (durch einen betriebs- oder unterneh­mensfremden Arbeit­geber, meist eine andere Konzern- oder Gruppen­gesell­schaft) auseinanderfallen.

Zwar wird der Praxis dadurch geholfen, dass ein Beurteilungsspielraum für die Fragestellung anerkannt wird und die Anforderungen an den Begriff der einheitlichen Leitung nicht überspannt werden darf. Allerdings bleibt es dabei, dass alle Umstände des Einzelfalls zu berücksichtigen sind und im Licht des Betriebs­verfassungs­gesetzes (BetrVG) zu bewerten sind. Wichtigsten Anhaltspunkt bildet insofern die räumliche Gemeinschaft der Arbeitnehmer in einer Arbeits­stätte, die ein ganz wesentliches Indiz für das Vorliegen eines Betriebs im Sinne BetrVG darstellen und regelmäßig den Weg zu pragmatischen Lösungen weist.

Ein anderes Mittel zur Bestimmung des Betriebsbegriffs und zur Vermeidung von Abgrenzungsfragen sind dabei auch Strukturvereinbarungen nach den Voraussetzungen von § 3 BetrVG.
 

Wahlvorbereitung

Bei der Bestimmung der Größe des zu wählenden Betriebsrats kommt der Arbeitnehmereigenschaft der Be­schäf­tig­ten grundlegende Bedeutung zu. Auch für das aktive und passive Wahlrecht ist entscheidend, ob Beschäftigte als Arbeitnehmer im Sinne des Betriebsverfassungsgesetzes angesehen werden.
 

a) Wer wählen darf

Wahlberechtigt bei den Betriebsratswahlen sind nach § 7 BetrVG alle Arbeitnehmer des Betriebes, die das 18. Lebensjahr vollendet haben. § 5 BetrVG regelt dabei den für das BetrVG maßgebenden Begriff des Arbeit­nehmers. Eine eigenständige Definition des Arbeitnehmerbegriffs enthält das BetrVG nicht. Ein Rückgriff erlaubt dabei auch der seit 1. April 2017 geltende § 611a BGB, der den Begriff des Arbeit­nehmers allgemein definiert. Entscheidend ist demnach die Ausübung weisungsgebundener Tätigkeiten und die damit verbundene Eingliederung in die Betriebsorganisation des Arbeitgebers.

Demnach unterfallen Vertreter juristischer Personen sowie leitende Angestellte nicht dem BetrVG und sind daher keine wahlberechtigten Arbeitnehmer im Sinne der Betriebs­rats­wahlen. Leitende Angestellte sind zwar allgemein gesprochen Arbeitnehmer; sie werden jedoch aufgrund ihrer Kompetenzen oder der Bedeutung ihrer Aufgaben für das Unternehmen oder des Betriebs dem Arbeitgeberlager zugeordnet.
 

b) Aktives Wahlrecht

Wie oben beschrieben, dürfen alle Arbeitnehmer, die am letzten Wahltag das 18. Lebensjahr vollendet haben, an der Betriebsratswahl teilnehmen. Unerheblich ist die Dauer der Betriebszugehörigkeit oder der Umfang der Beschäf­tigung. Auch eine Kündigung führt nicht zum Verlust der Wahlberechtigung, wenn die Kündigungsfrist am Tag der Wahl noch nicht abgelaufen ist. Nach Ablauf der Kündigungsfrist darf ein gekündigter Arbeit­nehmer nur wählen, wenn er weiterbeschäftigt wird. Die Zugehörigkeit des Arbeit­nehmers zum Betrieb wird auch nicht dadurch berührt, dass er außerhalb des Betriebes arbeitet (z.B. Außen­dienst­mit­arbeiter), solange sie einem bestimmten Betrieb zugeordnet sind. Daher steht grundsätzlich auch im Ausland tätige Arbeit­nehmer das aktive Wahlrecht zu, solange sie eine Anknüpfung an den Inlandsbetrieb haben.   
 
Entsprechend der Neuregelung des Arbeitnehmerüberlassungsgesetzes wurde nun festgelegt, dass Leiharbeit­nehmer bei allen Schwellenwerten des Betriebs­ver­fas­sungs­gesetzes mitzählen. Somit können nach § 7 Satz 2 BetrVG nun auch Arbeitnehmer eines anderen Arbeitgebers an der Betriebsratswahl im Einsatzbetrieb teil­nehmen soweit von vorneherein geplant ist, dass sie dort länger als drei Monate eingesetzt werden.
 

c) Passives Wahlrecht

Gemäß § 8 BetrVG sind alle wahlberechtigten Arbeitnehmer wählbar, die sechs Monate dem Betrieb bzw. dem Unternehmen oder dem Konzern angehört haben. Zwischen aktivem und passivem Wahlrecht bestehen aber Unterschiede.
  
Das hat zur Folge, dass z.B. oben beschriebene Leiharbeitnehmer nicht im Entleiherbetrieb wählbar sind, § 14 Absatz 2 Arbeit­nehmer­über­lassungs­gesetz. Mitglieder des Wahlvorstands dürfen hingegen gewählt werden. Ihre Tätigkeit steht einer Kandidatur nicht entgegen. Auch Mitglieder des Betriebsrats, die in einem Verfahren nach § 23 Abs. 1 BetrVG ihres Amtes enthoben worden oder gemäß § 24 BetrVG aus dem Betriebsrat aus­ge­schieden sind, sind nach wie vor wählbar. Gleiches gilt für Arbeitnehmer, denen ordentlich oder sogar außer­orden­tlich gekündigt wurde und die gegen die Kündigung Kündigungsschutz­klage erhoben haben. Der Arbeit­geber soll nicht durch Kündigung die Wahl eines „unliebsamen” Kandidaten verhindern. Wird ein gekündigter Arbeit­nehmer allerdings gewählt, tritt bis zur rechtskräftigen Entschei­dung ein Ersatzmitglied an dessen Stelle in den Betriebsrat ein. Einem gekündigten Arbeitnehmer, der für den Betriebsrat kandidiert, muss der Arbeitgeber in den meisten Fällen auch Zutritt zum Betrieb gestatten.
 

d) Anzahl der Betriebsratsmitglieder

Die Anzahl der Betriebsratsmitglieder wird durch den Wahlvorstand festgelegt. Entscheidend ist dabei § 9 BetrVG, der die Größe des Betriebsrats nach der Zahl der wahlberichtigten Arbeitnehmer im Betrieb festlegt. Maßgebend ist die Zahl der bei Erlass des Wahlausschreibens für die bevorstehende Betriebsrats­wahl i.d.R. tätigen Arbeitnehmer. Dabei kommt es nicht nur auf die Belegschaftsstärke an einem bestimmten Stichtag an. Der Wahlvorstand hat für die Feststellung der Arbeitnehmerzahl nicht nur den Personalbestand in der Ver­gang­en­heit, sondern auch die künftige, aufgrund konkreter Entscheidungen des Arbeitgebers zu erwartende Entwicklung des Beschäftigungs­standes zu berücksichtigen. Eine Ausnahme davon ergibt sich unmittelbar aus § 9 BetrVG. Demnach ist ein fünfköpfiger Betriebsrat (51 wahlberech­tigte Arbeitnehmer bis zu 100 Arbeit­nehmer) dann zu wählen, wenn wenigstens 51 wahlberechtigte Arbeitnehmer im Betrieb beschäftigt sind.
 
Auch bei der Beurteilung der Fragestellung, wie viele Betriebsratsmitglieder zu wählen sind, zählen leitende Angestellte nicht mit. Teilzeitarbeitnehmer zählen nicht anteilig, sondern nach Köpfen. Aushilfsarbeit­nehmer sind, wenn sie regelmäßig länger als sechs Monate im Jahr beschäftigt werden, einzubeziehen. Arbeitnehmer, die in Elternzeit oder zur Kinderbetreuung freigestellt sind, werden nicht berücksichtigt, wenn für sie ein Vertreter befristet eingestellt ist. Wird die Vertretung allerdings unbefristet eingestellt, zählt die Vertretungs­kraft wie die übrigen Mitarbeiter voll mit. Auch Arbeitsplätze, auf denen regelmäßig Leih­arbeitnehmer beschäftigt werden, zählen für die Schwellenwerte des § 9 BetrVG ebenso wie normale Arbeitnehmer mit.
 

Wahlvorstand

Die Leitung der Betriebsratswahl obliegt dem Wahlvorstand. In Betrieben, in denen bereits ein Betriebsrat besteht, bestellt der amtierende Betriebsrat den Wahlvorstand. In Betrieben, in denen noch kein Betriebsrat besteht, wird der Wahlvorstand durch den Gesamtbetriebsrat oder, falls auch ein solcher nicht besteht, durch den Konzern­betriebsrat bestellt. Besteht weder ein Gesamtbetriebsrat noch ein Konzernbetriebsrat, so wird der Wahlvorstand auf einer Betriebsversammlung gewählt. Gelingt das nicht, weil trotz Einladungen keine Betriebs­versammlung stattfindet oder sie keinen Wahlvorstand wählt, so bestellt ihn das Arbeitsgericht auf Antrag von mind. drei wahlberechtigten Arbeitnehmern oder einer im Betrieb vertretenen Gewerkschaft. Eine gerichtliche Bestellung im Wege des einstweiligen Rechtsschutzes ist jedoch nicht möglich.
 

Vorbereitung und Durchführung der Wahl

Ihre Aufgabe als Wahlvorstand ist es von nun an, die Wahl vorzubereiten und durchzuführen. Bereits im Vorfeld wird festgelegt, welches Wahlverfahren Anwendung findet. Verkürzt gesprochen findet in kleinen Betrieben mit i.d.R. 5 bis 50 wahlberechtigten Arbeitnehmern das vereinfachte Wahlverfahren, ansonsten das allgemeine Wahlverfahren statt (§ 14 a Abs. 1 BetrVG).

  

Zur Vorbereitung der Wahl muss der Wahlvorstand vor der Einleitung der Wahl die ausländischen Arbeit­nehmer, die der deutschen Sprache nicht oder nicht ausreichend mächtig sind, über das Wahlverfahren, die Aufstellung der Wähler- und der Vorschlagslisten, den Wahlvorgang und die Stimmabgabe in geeigneter Weise unterrichten.


Der Wahlvorstand hat dann die Wählerliste zu erstellen. Die Wählerliste ist für die Durchführung der Wahl von großer Bedeutung. Nur die in der Wählerliste eingetragenen Arbeitnehmer können ihr aktives und passives Wahlrecht ausüben. Der Arbeitgeber hat dem Wahlvorstand alle für die Anfertigung der Wählerliste er­for­der­lichen Auskünfte zu erteilen und die erforderlichen Unterlagen zur Verfügung zu stellen. Die Auskünfte kann der Arbeitgeber nur verweigern, wenn die Wahl voraussichtlich nichtig ist. Die Wählerliste soll die Wahl­be­rech­tigten mit Familienname, Vorname, Geburtsdatum und getrennt nach Geschlechtern in alpha­betischer Reihenfolge aufführen.

 
Die Wählerliste und die Wahlordnung sind vom Tage der Einleitung der Wahl in allen Betriebsstätten aus­zu­hängen, in denen Wahlberechtigte beschäftigt werden. Daneben kann der Wahlvorstand die ergänzende Bekanntmachung der Wählerliste in elektronischer Form anordnen.


Doch Vorsicht: Die Bekanntmachung in elektronischer Form ist nur zulässig, wenn sichergestellt ist, dass alle Arbeitnehmer von der Bekanntmachung Kenntnis erlangen können (z.B. sehbehinderte Menschen, etc.). Zusätzlich gilt: Wird das Wahlausschreiben in elektronischer Form bekannt gemacht, muss der Wahlvorstand nicht nur laufend Aktualisierungen vornehmen, sondern auch Vorkehrungen dafür treffen, dass andere Mit­arbei­ter des Arbeitgebers nicht in der Lage sind, ohne Mitwirkung des Wahlvorstands das in elektronischer Form bekannt gemachte Wahlausschreiben zu verändern!
 

Einsprüche gegen die Richtigkeit der Wählerliste können nur vor Ablauf von zwei Wochen seit Erlass des Wahlausschreibens beim Wahlvorstand schriftlich eingelegt werden. Der Wahlvorstand hat über die Ein­sprüche unverzüglich zu entscheiden. Die Wählerliste ist im Fall begründeter Einsprüche zu berichtigen und nach Ablauf der Einspruchsfrist auf ihre Vollständigkeit hin zu überprüfen.

 
Wird die Bekanntmachung der Wählerliste im Intranet trotz Änderung der vom Wahlvorstand zu führenden Wählerliste nicht aktualisiert, kann das zur Anfechtung der Wahl berechtigen. Schließlich lauern auch bei der Durchführung der Wahl verschiedene rechtliche Fallstricke. So muss der Wahlvorstand die Wahl durch Erlass und Bekanntmachung des Wahlausschreibens einleiten. Es muss gem. § 3 Abs. 1 S. 1 WO spätestens sechs Wochen vor dem ersten Tag der Stimmabgabe erlassen werden. Es handelt sich bei der Frist um eine Mindest­frist, um den Arbeitnehmern eine ausreichende Möglichkeit zur Information zu geben. Die Nicht­beachtung der Mindestfrist stellt einen Verstoß gegen wesentliche Vorschriften des Wahlverfahrens dar und berechtigt zur Anfechtung.

  

Auch die Durchführung der Wahl selbst ist fehleranfällig. So muss die Stimmabgabe in der Wählerliste vermerkt werden, bevor der Wähler seinen Wahlumschlag in die Urne einwirft. Befinden sich in der Urne mehr ab­ge­ge­bene Umschläge, als in der Wählerliste als abgegebene registrierte Stimmen aufgeführt sind, ist die Wahl unwirksam. Auch erfolgt die Stimmabgabe bei der Betriebsratswahl in den dafür bestimmten Wahl­um­schlägen. Erfolgt die Betriebsratswahl ohne Wahlumschläge, so ist die Wahl unwirksam. Eine (vollständig) digitale Betriebsratswahl ist unter der derzeitig geltenden Wahlordnung noch unzulässig. Es bleibt abzuwarten, ob die Digitalisierung Einzug hält und die offensichtlichen Vorteile einer solchen Wahl (administrative und kostenseitige Entlastung sowie eine höhere Akzeptanz der Wahl) zum Zuge kommen.  

 

Fazit

Die Betriebswahlen werden auch im Jahr 2022 die Unternehmen vor Herausforderungen stellen. Gerade die mangelnden Möglichkeiten der Digitalisierung eines Betriebsrats werden die Akzeptanz nicht erhöhen. Es bleibt zu hoffen, dass der Gesetzgeber die Chancen und Möglichkeiten erkennt und praxisgerecht umsetzt.
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