Kündigungsfrist in der Probezeit

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zuletzt aktualisiert am 17. Juni 2020 | Lesedauer ca. 2 Minuten

 

Wird in einem vorformulierten Arbeitsvertrag in einer Klausel eine Probezeit vereinbart und in einer anderen Klausel eine Kündigungsfrist festgelegt, ohne dass un­miss­ver­ständlich deutlich wird, dass die ausdrücklich genannte Kündigungsfrist erst nach dem Ende der Probezeit gelten soll, ist das von einem durch­schnitt­lichen Arbeit­neh­mer regelmäßig so zu verstehen, dass der Arbeitgeber schon vor Beginn des Arbeits­verhältnisses an nur mit der Kündigungsfrist, nicht aber mit der zweiwöchigen Kün­digungs­frist des § 622 Abs. 3 BGB kündigen kann. (BAG Urteil vom 23.3.2017 – 6 AZR 705/15)
 

Die Parteien streiten über den Zeitpunkt, in dem das zwischen ihnen bestehende Arbeitsverhältnis beendet worden ist. Die Beklagte betreibt gewerbsmäßige Arbeitnehmerüberlassung. Der Kläger sollte ab dem 28. April 2014 als Flugbegleiter an eine Fluggesellschaft überlassen werden.

  

In § 1 des Arbeitsvertrags war unter der Überschrift „Bezugnahme auf Tarifverträge” die Geltung des zwischen dem Bundesverband Zeitarbeit Personal-Dienstleistung e.V. (BZA) und den Mitgliedsgewerk­schaften des DGB geschlossenen Manteltarifvertrages für die Zeitarbeit (MTV) vereinbart. Gemäß § 9.3 MTV gelten die ersten sechs Monate des Beschäftigungsverhältnisses als Probezeit. In den ersten drei Monaten der Probezeit kann das Arbeitsverhältnis mit einer Frist von einer Woche gekündigt werden. Danach gelten die gesetzlichen Kün­digungs­fristen während der Probezeit gem. § 622 III BGB:

 

„§ 3 Beginn und Dauer des Arbeitsverhältnisses
  1. Der Arbeitsvertrag wird im Rahmen einer Neueinstellung befristet abgeschlossen gem. § 14 II TzBfG (sachgrundlose Befristung) für die Zeit vom 28.4.2014 bis zum 31.12.2015. […]
  2. Der Mitarbeiter bestätigt mit seiner Unterschrift, dass vor Abschluss dieses Arbeitsvertrages kein befristetes oder unbefristetes Arbeitsverhältnis mit G bestanden hat.
  3. Auch während einer etwaigen Befristung kann das Arbeitsverhältnis von beiden Parteien nach Maßgabe der Bestimmungen des MTV und den gesetzlichen Bestimmungen gekündigt werden.
  4. Nach Ablauf der vereinbarten Befristungszeit endet das Arbeitsverhältnis, ohne dass es einer entsprechenden Erklärung einer der Parteien bedarf, sofern nicht zuvor die Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses schriftlich vereinbart wurde.
  5. Die ersten 6 Monate nach Beginn des Arbeitsverhältnisses  werden als Probezeit vereinbart.

[…]


§ 8 Beendigung des Arbeitsverhältnisses

  1. Für die Kündigung des Arbeitsverhältnisses gilt eine Kündigungsfrist von 6 Wochen zum Monats­ende. Die nach den gesetzlichen Bestimmungen für den Arbeitgeber geltenden längeren Kündigungs­friste gelten auch für eine Kündigung durch den Mitarbeiter. Die Kündigung des Arbeitsverhältnisses vor Arbeitsantritt ist ausgeschlossen.”

 

Mit Schreiben vom 5. September 2014 kündigte die Beklagte das Arbeitsverhältnis innerhalb der Probezeit zum 20. September 2014, hilfsweise zum nächst möglichen Termin. Mit seiner am 8. Oktober 2014 beim Arbeitsgericht eingegangenen Klage wendet sich der Kläger gegen die Länge der Kündigungsfrist. Der Kläger hat die Ansicht vertreten, die für ihn maßgebliche Kündigungsfrist ergebe sich aus § 8 Nr. 1 des Arbeits­vertrages, der die Kündigungsfrist ohne Ausnahme festgelegt hat. Der Kläger hat dementsprechend beantragt festzustellen, dass das Arbeitsverhältnis durch die Kündigung vom 5. September 2014 erst zum 31. Oktober 2014 beendet wurde.

   

Das Arbeitsgericht Düsseldorf hat die Klage abgewiesen. Das Landesarbeitsgericht Düsseldorf hat das Urteil des Arbeitsgerichts abgeändert und der Klage stattgegeben. Die Beklagte hat hiergegen Revision eingelegt – ohne Erfolg.

   

Die Beklagte musste bereits in der Probezeit die von ihr in § 8 Nr. 1 des Arbeitsvertrages festgelegten Kündi­gungsfrist wahren. Die Regelungen des Arbeitsvertrages sind Allgemeine Geschäftsbedingungen, die vom Senat als typische Erklärung selbst ausgelegt werden können (dazu BAG, Urt. v. 17.11.2016 – 6 AZR 487/15). Das folgt aus dem äußeren Erscheinungsbild der formularmäßigen Vertragsgestaltung. Aus Sicht des verständigen, nicht rechtskundigen durchschnittlichen Arbeitnehmers enthält der von der Beklagten vorformulierte Arbeitsvertrag nur eine einzige Kün­digungs­frist­enregel­ung, die sich in § 8 Nr. 1 findet. Die Beklagte hat nicht unmissver­ständlich deutlich gemacht, dass die Frist erst nach dem Ende der in § 3 zweite Nr. 4 des Vertrages festgelegten Probezeit gelten soll. Die Kündigungsfristenregelung ist aus Sicht des durchschnittlichen Arbeitnehmers darum eigenständig und abschließend und soll von Beginn des Arbeitsverhältnisses an gelten, also auch während der vereinbarten Probezeit Wirkung entfalten.

   

Unterwerfen nicht tarifgebundene Arbeitsvertragsparteien ihr Arbeitsverhältnis nicht ausschließlich einem in Bezug genommenen Tarifvertrag, sondern enthält ein vom Arbeitgeber vorformulierter Arbeitsvertrag zu einzelnen, tariflich geregelten Arbeitsbedingungen selbst Bestimmungen, kann das aus Sicht des durch­schnittlichen Arbeitnehmers so zu verstehen sein, dass insoweit allein die Klauseln für das Arbeitsverhältnis maßgeblich sein sollen. Insoweit darf und muss der Arbeitnehmer grundsätzlich annehmen, dass die unter­schriftsnahe Bestimmung in dem vom Arbeitgeber als Verwender auf die Bedürfnisse des konkreten Arbeits­verhältnisses zugeschnittenen Formulararbeitsvertrag Vorrang vor der vertragsferneren, in Bezug genommenen Tarifregelung haben soll. Er darf davon ausgehen, dass anderenfalls der Arbeitgeber die Bestimmungen nicht aufgenommen, sondern es bei der Bezugnahme auf die Tarifregelung belassen hätte. Das gilt insbesondere dann, wenn die Klausel einen von dem in Bezug genommenen Tarifvertrag abweichenden Inhalt hat.

   

Der Kläger durfte und musste die mit „Beendigung des Arbeitsverhältnisses” überschriebene Regelung in § 8 Nr. 1 des Arbeitsvertrages, die von den gesetzlichen Kündigungsfristen des § 622 Abs. 1 und Abs. 3 BGB zu seinen Gunsten abweicht, als die von der Beklagten auf sein Arbeitsverhältnis zugeschnittene und darum allein maßgebliche Festlegung der Kündigungsfrist verstehen.
 

Fazit

Arbeitgeber sollten überprüfen, wie die Regelung in ihren Arbeitsverträgen ausgestaltet ist, insbesondere wenn auf Tarifverträge Bezug genommen wird. Unklarheiten gehen zu Lasten des Arbeitgebers.

Kontakt

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Ina-Kristin Hubert

Fachanwältin für Arbeitsrecht

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