Keine Kleinstaaterei bei der Sprachfassung von Arbeitsverträgen

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von Nadja Roß-Kirsch
 
Der Europäische Gerichtshof (EuGH) hat entschieden, dass eine Sprachvorgabe für Arbeitsverträge mit grenzüberschreitendem Bezug gegen die Freizügigkeit der Arbeitnehmer innerhalb der Europäischen Union (EU) verstößt.
 
Bisher galten in Belgien Sprachvorgaben für Arbeitsverträge, je nachdem in welchem Gebiet der Arbeitgeber seinen Sitz hatte. Nun ist der EuGH zu dem Ergebnis gekommen, dass das Dekret der Flämischen Gemeinschaft, wonach alle Arbeitsverträge, auch mit grenzüberschreitendem Charakter, auf Niederländisch abzufassen sind, gegen die Freizügigkeit der Arbeitnehmer verstößt. Dabei stellt der EuGH klar, dass sich sowohl Arbeitnehmer als auch Arbeitgeber auf den Grundsatz der Freizügigkeit berufen können. Der Gerichtshof führt aus, dass sämtliche Bestimmungen über die Freizügigkeit den Unionsbürgern die Ausübung beruflicher Tätigkeiten im Gebiet der Union erleichtern sollen und solchen Maßnahmen entgegenstehen, die sie benachteiligen könnten, wenn sie im Gebiet eines anderen Mitgliedstaats eine wirtschaftliche Tätigkeit ausüben wollen. Im besonderen Kontext eines Vertrags mit grenzüberschreitendem Charakter steht eine sprachliche Verpflichtung in keinem angemessenen Verhältnis zu den von Belgien dafür angeführten Zielen wie Schutz einer Landessprache und der Arbeitnehmer sowie wirksame Kontrolle durch die nationalen Behörden, auch wenn diese an sich geeignet sind, eine entsprechende Rechtfertigung zu bilden. Die Parteien eines Arbeitsvertrags mit grenzüberschreitendem Bezug beherrschen nicht zwangsläufig Niederländisch. In einem solchen Fall ist es für eine freie Einigung zwischen den Parteien erforderlich, dass sie ihren Vertrag nicht in der Amtssprache des Mitgliedstaats schließen müssen. Im konkreten Fall lag der Arbeitsvertrag in englischer Sprache vor. 
 
Die Entscheidung ist für Arbeitsverträge mit grenzüberschreitendem Bezug zu begrüßen, da so neben der ungehinderten Arbeitnehmerfreizügigkeit auch die Vertragsfreiheit hinsichtlich der Sprachfassung innerhalb der EU erhalten bleibt und Übersetzungsaufwand gespart werden kann. Abzuwarten bleibt, ob dieses Urteil auch einschränkende Auswirkungen auf die bisherigen Vorgaben des Gesetzes zum Gebrauch der französischen Sprache („Loi Toubon”) bei grenzüberschreitenden Arbeitsverträgen haben wird, da es Sprachvorgaben zugunsten des Französischen für Arbeitsverträge mit Arbeitnehmern in Frankreich vorsieht, auch wenn sich diese mit einer anderen Sprachfassung einverstanden erklären. 
 
Es ist anzumerken, dass sich eine Sprachfassung in Landessprache dennoch zur Erleichterung der Abrechnung oder zur Vermeidung von Verständnisschwierigkeiten empfehlen kann. In der Praxis finden sich oft zweisprachige Verträge. Das EuGH-Urteil beschäftigt sich zudem ausschließlich mit der Sprachfassung; Arbeitsverträge mit genzüberschreitendem Charakter dürfen im Übrigen wegen der Vorgaben der Rom-I Verordnung nicht nachteilig vom Recht des Staates abweichen, in dem der Arbeitnehmer gewöhnlich tätig ist.

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Aziza Yakhloufi

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