Steuerreform in Estland – Unternehmen sollten vorbereitet sein

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​Schnell gelesen:

  • Die seit November 2016 amtierende estnische Regierung plant, etliche neue Steuern einzuführen und das derzeitige System grundlegend zu reformieren.
  • Dieser Artikel stellt einige wesentliche Änderungen vor, auf die sich Unternehmen vorbereiten müssen.
  • Nach Angaben der Regierung sollen Unternehmen zur Implementierung der neuen Vorschriften lange Übergangsfristen eingeräumt werden. Zudem sollen umfangreiche Richtlinien für Auslegung und Anwendung veröffentlicht werden.

​Ausgangspunkt

Die seit November 2016 amtierende estnische Regierung – eine Dreier-Koalition der linksgerichteten Zentrumspartei, den Sozialdemokraten und dem konservativen Wahlbündnis IRL (Pro-Patria- und Res-Publica-Union) unter Premierminister Jūri Ratas – hat sich zum Ziel gesetzt, neue Wachstumsimpulse zu geben und im gleichen Zug Gemeinwohl und Kohäsion zu fördern.

Zu diesem Zweck wurden zahlreiche Gesetzesentwürfe zur Reformierung des estnischen Steuersystems erarbeitet und dem Parlament vorgelegt. Bereits beschlossene Projekte der Vorgängerregierung, wie die Erhöhung der Umsatzsteuer auf Beherbergungsleistungen (von 9 Prozent auf 14 Prozent) sowie die Senkung der Sozialsteuer (von 33 Prozent auf 32,5 Prozent) für das Jahr 2017 werden nicht mehr umgesetzt. Um eine Mehrheit für ihre Vorhaben zu erlangen, musste die Regierung einige Positionen aufgeben und Zugeständnisse machen. So wurden folgende Steuern aufgehoben: 

  1. Körperschaftssteuer auf Verpfändungen (bei konzerninternen Darlehen)
  2. Umweltgebühr für Kraftfahrzeuge
  3. Verbrauchssteuer auf Verpackungen (seit dem 1. Juni 2017)

Estnische Einkommen- und Körperschaftsteuer

Das estnische Einkommen- und Körperschaftsteuergesetz war über viele Jahre im Wesentlichen unverändert geblieben, die geplanten Änderungen, z. B. eine Anpassung des Grundfreibetrags für natürliche Personen (von 180 Euro im Jahr 2017 auf 500 Euro im Jahr 2018) und eine Herabsetzung der Körperschaftsteuer für Gesellschaften, die jährlich Dividendenzahlungen tätigen (von 20 Prozent auf 14 Prozent), sorgen daher für erhebliche Kontroversen.

Die Besonderheit der Körperschaftsteuer in Estland liegt darin, dass Gewinne erst bei deren Ausschüttung besteuert werden. Wird der Gewinn erneut in das Unternehmen investiert, bleibt er steuerfrei. Nach dem neuen Entwurf des Einkommen- und Körperschaftsteuergesetzes soll der Körperschaftsteuersatz für Unternehmen, die regelmäßig Dividenden ausschütten, um 6 Prozent (von 20 auf 14 Prozent) gesenkt werden. Dies gilt bei Dividendenzahlung an ein anderes Unternehmen, bei Dividendenzahlung an eine Privatperson kommt weiterhin der bisherige Steuersatz zur Anwendung. Damit sollen Unternehmen mit einer stabilen Dividendenpolitik belohnt werden. Nach dem Entwurf gilt der niedrigere Steuersatz in Höhe von 14 Prozent für den ausgeschütteten Gewinn, der kleiner ist als der durchschnittliche ausgeschüttete und in Estland versteuerte Gewinn der 3 Vorjahre. Auf Gewinnausschüttungen, die den genannten Betrag übersteigen, muss weiterhin der Steuersatz von 20 Prozent angewandt werden.

Damit der gewährte günstigere Steuersatz, der auf den Gewinn der Gesellschaft angewendet wird, nicht an eine natürliche Person weitergereicht werden kann, muss von dem Gewinn, der an eine (sowohl gebietsansässige als auch gebietsfremde) natürliche Person ausgeschüttet wird, und der mit einem 14-prozentigen Steuersatz besteuert wird, zusätzlich 7 Prozent Einkommenssteuer einbehalten werden. Diese 7-prozentige Steuer gilt für in Estland ansässige natürliche Personen als Gesamteinkommenssteuer auf Dividendenerträge, d. h. in Estland müssen für diese Einkunftsart keine weiteren Steuern abgeführt werden. Die Höhe der endgültigen Steuerpflicht einer gebietsfremden natürlichen Person erfolgt entsprechend den Regelungen des Wohnsitzstaates. 

 

Besteuerung einer Dienstwagenüberlassung (Gehaltsnebenleistung)

Bei der kostenlosen Nutzung oder einer Nutzung eines Dienstwagens zu einem Vorzugspreis für Privatfahrten handelt es sich um eine sogenannte Gehaltsnebenleistung – hierfür gilt derzeit eine pauschale Bemessungsgrundlage von 256 Euro im Monat pro Fahrzeug des Arbeitgebers. Unabhängig vom eigentlichen Marktwert des Vorteils beträgt die Steuerpflicht damit 169,60 Euro (Einkommenssteuer 64 Euro, Sozialsteuer 105,60 Euro). Als Alternative besteht aktuell die Möglichkeit, für Privatfahrten eine kilometerbezogene Berechnung vorzunehmen. Für ein über 5 Jahre altes Auto mit einem Hubraum von bis zu 2.000 Kubikzentimetern beträgt die Kilometer-Pauschale 0,20 Euro, in allen sonstigen Fällen 0,30 Euro. Bei dieser Berechnungsart findet eine Deckelung der Bemessungsgrundlage statt. Die Obergrenze beträgt 256 Euro.

Der neue Gesetzesentwurf sieht nun eine völlig neue Grundlage für die Steuerberechnung einer Dienstwagenüberlassung als Gehaltsnebenleistung vor. Der Höchstbetrag der Bemessungsgrundlage soll dann 1,96 Euro pro im Verkehrsregister eingetragenen Kilowatt betragen. Die Steuerpflicht (Einkommens- und Sozialsteuer) auf Gehaltsnebenleistungen soll 1,30 Euro pro Kilowatt pro Monat betragen. Die Steuerberechnung orientiert sich allein an der Leistung des Kraftfahrzeugs und würde für leistungsfähigere Fahrzeuge höher und für weniger leistungsfähige Fahrzeuge niedriger ausfallen.

 

Besteuerung gesüßter Getränke

Mit dem Ziel, dass Lebensmittelhersteller den Zucker- und Süßungsmittel-Gehalt in ihren Getränken reduzieren und Verbraucher deren Konsum einschränken, plant die estnische Regierung die Einführung einer zusätzlichen Steuer auf gesüßte Lebensmittel, berechnet anhand der enthaltenen Zuckermenge.

Der Steuer unterliegen gesüßte Getränke, die 5 oder mehr Gramm Zucker pro 100 Milliliter enthalten und/oder Getränke mit Süßungsmittelzusatz. Die Höhe der Zuckersteuer hängt also von der Zucker- oder Süßungsmittel-Menge im Getränk ab. Befreit von der Steuer sind gesüßte Getränke, die für die Herstellung anderer Getränke, Lebensmittel und Arzneimittel genutzt werden. Die Getränke sollen auf dem estnischen Markt beim Inverkehrbringen besteuert werden. Für die Rezeptur-Umstellung der Hersteller und die Gewöhnung der Verbraucher an den neuen Geschmack ist eine Übergangsphase von 2 Jahren vorgesehen, während der einheitliche Steuersätze angewendet werden.

Zusätzlich zu den verbrauchsfertigen gesüßten Getränken unterliegen der Steuer auch solche gesüßten Getränke, die in flüssiger oder fester Form, als Pulver oder in ähnlicher Konsistenz in Verkehr gebracht werden und die vor dem Verbrauch als Getränk verdünnt werden müssen.
 

Der Steuer unterliegen keine Arzneimittel im Sinne des Arzneimittelgesetzes, für eine besondere Ernährung bestimmte Lebensmittel und Nahrungsergänzungsmittel im Sinne des Lebensmittelgesetzes sowie Milchprodukte. Lebensmittel für eine besondere Ernährung werden nicht besteuert, da diese für Verbraucher mit besonderen Ernährungsbedürfnissen zwingend erforderlich und deren Zusammensetzung sowie Qualitätskriterien vordefiniert sind. Nahrungsergänzungsmittel werden ebenfalls nicht besteuert, da deren Zweck die Ergänzung von Lebensmitteln des allgemeinen Verzehrs ist und sie bewusst eine konzentrierte Nährstoffquelle darstellen. Milch und Milchprodukte werden nicht besteuert, weil diese aufgrund ihrer Natur kein mit gesüßten Getränken konkurrierendes Produkt darstellen und in Estland als wichtige Lebensmittel gelten. Milchprodukte werden im Unterschied zu vielen anderen gesüßten Produkten vor allem als Essen, und nicht als Getränk zur Durstlöschung, angesehen.

 

Hinweise und Empfehlung:

Neben den oben genannten Änderungen arbeitet das estnische Finanzministerium an einer umfassenden Novelle des Körperschaftsteuergesetzes, der offizielle Gesetzesentwurf wurde bisher noch nicht veröffentlicht; aktuell ist jedoch Folgendes bekannt:
  • Darlehen an Mutter- und Schwesterunternehmen müssten zukünftig registriert werden.
    Neue allgemeine Bestimmungen zur Missbrauchsbekämpfung sollen eingeführt werden.
  • Wird ein Darlehen innerhalb einer Frist von 5 Jahren nicht zurückgezahlt, soll das Darlehen als Gewinnausschüttung angesehen und entsprechend versteuert werden.
  • Die estnische Steuer- und Zollbehörde wird ausführliche Richtlinien entwerfen, was konzerninterne Darlehen sind und wie entsprechende Pflichten gegenüber dem Staat erfüllt werden müssen.

Obwohl die estnische Regierung angekündigt hat, lange Übergangsfristen festzulegen, sollten sich Unternehmen bereits jetzt für eventuelle Änderungen wappnen, um Chancen gezielt nutzen und Risiken bereits vor Inkrafttreten eliminieren zu können.

Sollten Sie Fragen zum Thema haben, steht Ihnen Rödl & Partner als kompetenter Ansprechpartner in Steuerfragen gerne zur Seite.

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Alice Salumets

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