Die Steuerabteilung 4.0

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veröffentlicht am 28. November 2017
 

Prof. Dr. Christian Kaeser kommentiert  


Internet of Things, Industrie 4.0, Robotics, Blockchain, Big Data, künstliche Intelligenz etc.  –  die Liste der Buzzwords rund um das Thema „Digitalisierung” lässt sich fast beliebig lang fortführen. Kein Unternehmen sollte die teils disruptiven Effekte der neuen Technologien oder besser gesagt, der durch diese aufkommenden neuen Geschäftsmodelle ignorieren. Und auch die Corporate Functions, allen voran die Steuerabteilung, werden durch diese Entwicklung auf mehrfache Art und Weise gefordert.

 

Da ist zunächst die Frage, welche steuerlichen Auswirkungen sich aus den neuen, digitalen Geschäftsmodellen ergeben. Diesen Aspekt der Digitalisierung hatte bereits die OECD näher beleuchten wollen  –  kam dabei aber bislang nicht über eine bloße Ideensammlung hinaus. Da sich nun aber auch die Europäische Kommission der Fragestellung zugewandt hat und viele Staaten, wie Indien mit seiner Equalization Levy, singuläre Lösungen etablieren, gewinnt die reine Theorie langsam an Form. Wenig wünschenswert wäre, dass sich die Idee einer „virtuellen Betriebsstätte” durchsetzt  –  bei ihr würde allein der digitale Vertriebskanal in einem Land dort schon zu einer Betriebsstätte führen. Es ist offensichtlich, dass damit das Betriebsstättenkonzept so stark aufgeweicht würde, dass sein ohnehin fortschreitender Verfall ultimativ beschleunigt wäre. In jedem Fall zeichnet sich viel Arbeit für die Steuerabteilung ab, muss doch jedes neue digitale Geschäftsmodell sorgfältig auf Basis des bereits geltenden Rechts, aber auch mit Blick auf eventuell anstehende Änderungen beraten werden.
 
Die Digitalisierung bringt auch Chancen für die Steuerabteilung mit sich. Insbesondere dort, wo Massendaten verarbeitet werden  –  also etwa im Bereich Umsatzsteuer, Zoll oder Lohnsteuer  –  kann der Einsatz „künstlicher Intelligenz” Vorteile bringen. Selbstlernende Systeme sind bereits jetzt in der Lage, in Datenmengen Muster zu erkennen. Damit können Datensätze, die dem Muster nicht entsprechen, bemerkt und überprüft werden. Die Ergebnisse sind erstaunlich  –  allerdings darf man sich nicht der Illusion hingeben, ein selbstlernendes System sei bloßes Plug & Play. Alle diese Lösungen müssen mehr oder weniger aufwendig angelernt und konfiguriert werden, die Analyseergebnisse müssen überprüft und dem System Feedback über seine Analysen gegeben werden. Denn letztlich ist die künstliche Intelligenz nicht wirklich intelligent, sondern schlicht Software, die dank wahnsinniger Rechenleistung statistisch operiert. Und da Statistik desto besser funktioniert, je größer die vorhandene Datenmenge ist, wird der Bereich der Steuerberatung in seiner ganzen Breite noch eine ganze Weile eine Existenzberechtigung haben. Viel zu gering sind hier noch die vorhandenen Datenmengen angesichts der Vielzahl potenzieller komplexer Fragestellungen, als dass die Maschine jetzt schon eine echte Alternative sein könnte.
 
Damit werden auch 2018 und danach noch Menschen in der mündlichen Steuerberaterprüfung sitzen. Allerdings wird sich das Kompetenzprofil massiv verschieben, denn wie in anderen Bereichen auch werden die einfacheren Tätigkeiten immer mehr vom Computer übernommen. Schließlich wird nur die qualifizierte und hochqualifizierte Beratung bestehen bleiben. Allein schon deshalb muss man die Digitalisierung ernst nehmen  –  es gilt im Unternehmen genau jetzt die Weichen zu stellen: die vorhandenen technologischen Möglichkeiten einzusetzen und auszuschöpfen sowie die Personalstrategie anzupassen. Sonst könnte man schnell ähnlich falsch liegen wie Kaiser Wilhelm II mit seinem Ausspruch: „Ich glaube an das Pferd. Das Automobil ist eine vorübergehende Erscheinung.”

  

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 Aus dem Entrepreneur

  

Prof. Dr. Christian Kaeser

Prof. Dr. Christian Kaeser leitet seit dem Jahr 2009 die welt­wei­te Steuerfunktion der Siemens AG. Er ist Vorsitzender des Auf­sichts­rats der WTS Group AG Steuerberatungsgesellschaft und Autor zahlreicher Ver­öf­fent­lich­un­gen im Steuerbereich, u.a. Mitherausgeber des Was­ser­meyer Kommentars zu allen deutschen Dop­pel­be­steu­er­ungs­ab­kom­men sowie der Zeitschrift IStR.
 
Prof. Dr. Christian Kaeser ist zu­dem Präsident der deutschen Landesgruppe der International Fiscal Association (IFA), Vor­sit­zen­der der Steuerkommission der Internationalen Han­dels­kam­mer (ICC), sowie Ho­no­rar­pro­fes­sor an der Wirtschafs-Uni­ver­sität Wien (WU).

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