Reform der Erbschaft- und Schenkungsteuer: Übertragung von Betriebsvermögen – JETZT! Unsere Analyse zum „Eckpunktepapier“ des BMF

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Schnell gelesen: Unsere Einschätzung

  • Das „Eckpunktepapier” des BMF zur Erbschaft- und Schenkungsteuerreform ist nicht ausgereift. Wichtige Fragen bleiben offen.
  • Eine Tendenz ist eindeutig ablesbar: es kommt zu einer deutlicheren Verschärfung als nach dem Urteil des BVerfG erwartet, die nicht nur klassische „Großunternehmen”, sondern viele Familienunternehmen des erfolgreichen Mittelstands trifft.
  • Jeder Unternehmer sollte jetzt noch einmal die Übertragungsmöglichkeiten von Unternehmensanteilen nach altem Recht prüfen. Zügiges Handeln in den nächsten Monaten ist gefragt.

Nachdem das Bundesverfassungsgericht (BVerfG) am 17. Dezember 2014 urteilte, dass die Vorschriften zur Betriebsvermögensbegünstigung mit dem Grundgesetz unvereinbar sind, ist es am Gesetzgeber, das Erbschaft- und Schenkungsteuergesetz abermals zu reformieren. Erste Eckpunkte zur Reform der Erbschaft- und Schenkungsteuer, die bereits in den Tagen zuvor in der Tagespresse kursierten, wurden vom Bundesministerium der Finanzen (BMF) am 27. Februar 2015 bekanntgegeben. Wie bereits angekündigt, soll es nicht zu einer umfassenden Neufassung des Erbschaft- und Schenkungsteuergesetzes kommen. Der Gesetzgeber möchte sich auf „minimal-invasive” Korrekturen bei der Betriebsvermögensbegünstigung beschränken. So jedenfalls die Idee. Es ist deshalb wenig überraschend, dass das „Eckpunktepapier” des BMF „lediglich” Änderungsvorschläge zum Verwaltungsvermögen, zum Verschonungskonzept und zur Lohnsummenregelung enthält. Was aber auf den ersten Blick den bisherigen Status in seinen Kernpunkten erhalten soll, ist bei genauerem Hinsehen als Ausweitung des Besteuerungsrechts zu verstehen und wird künftig die Unternehmen stärker belasten.
 

1. Begrenzung begünstigten Vermögens – Verwaltungsvermögen

Das Verwaltungsvermögen wird bislang positiv mit zahlreichen Ausnahmen und Rückausnahmen definiert. Danach wird betriebliches Vermögen von der Verschonung ausgenommen, wenn es bei einer Verschonung von 85 Prozent (Regelverschonung) zu mehr als 50 Prozent oder bei einer Verschonung von 100 Prozent (Optionsverschonung) zu mehr als 10 Prozent aus Verwaltungsvermögen besteht.
  
Künftig soll eine Neudefinition des Begriffs des begünstigten Vermögens als Leitlinie für die Verschonung dienen. Demnach sollen zum begünstigten Vermögen alle Wirtschaftsgüter eines Unternehmens gehören, die im Erwerbszeitpunkt zu mehr als 50 Prozent (überwiegend) einer land- und forstwirtschaftlichen, gewerblichen oder freiberuflichen Tätigkeit (Hauptzweck) dienen. Als nicht begünstigt gelten demnach alle Wirtschaftsgüter, die dem Betrieb nur bis zu 50 Prozent oder die losgelöst vom Betrieb der Vermögensverwaltung dienen. Bei der Bestimmung des Vermögens soll es zu einer konsolidierten Netto-Betrachtung kommen. Denn die betrieblichen Schulden sollen konsolidiert und anteilig dem begünstigten und nicht begünstigten Vermögen zugeordnet werden. Unschädlich soll sein, wenn das Verwaltungsvermögen (= nicht begünstigtes Vermögen) weniger als 10 Prozent des Vermögens beträgt (= Liquiditätsreserve).
   

2. Neues Verschonungskonzept

Bisher kann der Erwerber eine Verschonung von 85 Prozent (Regelverschonung) oder optional eine Verschonung von 100 Prozent (Optionsverschonung) für das von ihm erworbene Unternehmensvermögen, unabhängig von der Größe des übertragenen Unternehmens, erhalten. Künftig soll diese Verschonungsregel auf kleine und mittlere Unternehmen beschränkt werden.
 
Zur Abgrenzung von kleinen und mittleren Unternehmen von großen Unternehmen soll eine erwerbsbezogene Obergrenze von 20 Mio. Euro (Freigrenze und nicht Freibetrag) eingeführt werden. Bei dieser erwerbsbezogenen Grenze soll nur begünstigtes Vermögen berücksichtigt werden. Liegt der Wert des begünstigten Vermögens innerhalb der 20 Mio. Euro-Grenze, soll der Erwerber, wie bisher, eine 85 prozentige oder 100 prozentige Verschonung unter Einhaltung der bisherigen Haltefristen und Lohnsummenregelungen erhalten. Bei Erwerben über 20 Mio. Euro soll hingegen eine individuelle Bedürfnisprüfung zur Anwendung kommen.
  
Mehrere Erwerbe innerhalb von 10 Jahren sollen zusammengerechnet werden. Dies hat zur Folge, dass die Freigrenze (nur) alle 10 Jahre neu in Anspruch genommen werden kann.
 
Im Rahmen der Bedürfnisprüfung soll jeder Erwerber nachweisen, dass er persönlich nicht in der Lage ist, die Steuerschuld sofort zu begleichen. Bei der Bedürfnisprüfung soll
  • das sonstige nicht betriebliche, bereits vorhandene Vermögen und
  • das bei der Erbschaft oder Schenkung zugleich übergangene Privatvermögen
     
berücksichtigt werden (unklar ist noch die Einbeziehung des nicht begünstigten Verwaltungsvermögens). Als zumutbar wird der Einsatz der Summe aus dem sonstigen nicht betrieblichen, bereits vorhandenen Vermögen und dem bei der Erbschaft oder Schenkung übergegangenen Privatvermögen (= verfügbares Vermögen) von 50% angesehen, d.h. der Einbezug von Privatvermögen des Erben/Beschenkten wird auf 50% gedeckelt.
   
Eine Stundung der Erbschaft- bzw. Schenkungsteuer soll möglich sein, wenn der Erwerber das Privatvermögen erst noch liquidieren muss. Sofern die sofort verfügbaren Mittel nur teilweise dazu ausreichen, die auf das begünstigte Vermögen entfallende Steuerschuld zu tilgen, soll der Restbetrag erlassen werden. Voraussetzung für den Erlass des Restbetrags soll sein, dass die bisherigen Haltefristen und Lohnsummenregelungen eingehalten werden.
   

Vereinfachtes Beispiel zur Bedürfnisprüfung bei Schenkungen:

Der Vater schenkt seinem Sohn 100 Prozent seines Unternehmens. Der durchschnittliche Jahresertrag der letzten 3 Jahre beträgt 1,5 Mio. Euro. Nach dem vereinfachten Ertragswertverfahren beträgt der Unternehmenswert 27.322.400 Euro. Das Unternehmen verfügt über kein Verwaltungsvermögen. Der Sohn besitzt ein Einfamilienhaus (Verkehrswert 300.000 Euro), in dem er selbst wohnt und liquide Mittel in Höhe von 50.000 Euro. 
   
Nachdem der Wert des begünstigtem Vermögens über 20 Mio. Euro liegt, scheiden die bisherigen Verschonungsregelungen aus. Stattdessen ist eine Bedürfnisprüfung durchzuführen. Berechnung der tatsächlich zu zahlenden Schenkungsteuer:
 
 

Vereinfachtes Beispiel zur Bedürfnisprüfung bei Erbschaften:

 Der Vater vererbt seinem Sohn 100 Prozent seines Unternehmens. Der durchschnittliche Jahresertrag der letzten 3 Jahre beträgt 1,5 Mio. Euro. Nach dem vereinfachten Ertragswertverfahren beträgt der Unternehmenswert 27.322.400 Euro. Das Unternehmen verfügt über kein Verwaltungsvermögen. Außerdem erbt der Sohn das Einfamilienhaus (Verkehrswert 1 Mio. Euro), eine vermietete Immobilie (Verkehrswert 500.000 Euro) sowie ein Aktiendepot in Höhe von 5 Mio. Euro. Der Sohn besitzt ein Einfamilienhaus (Verkehrswert 300.000 Euro), in dem er selbst wohnt und liquide Mittel in Höhe von 50.000 Euro.
 
Nachdem der Wert des begünstigtem Vermögens über 20 Mio. Euro liegt, scheiden die bisherigen Verschonungsregelungen aus. Stattdessen ist eine Bedürfnisprüfung durchzuführen. Berechnung der tatsächlich zu zahlenden Erbschaftsteuer:
 
 
 
Die beiden Beispiele verdeutlichen den Einfluss des Privatvermögens im Rahmen der Bedürfnisprüfung auf die Höhe der Erbschaft- und Schenkungsteuerbelastung. Je höher das (übertragene und / oder bereits vorhandene) Privatvermögen ist, desto höher ist auch die Erbschaft- oder Schenkungsteuerbelastung.
 

3. Änderung der Lohnsummenregelung

Nach den bisherigen Regelungen sind Betriebe mit bis zu 20 Arbeitnehmern von der Lohnsummenregelung befreit. Für sie gelten lediglich die Haltefristen von 5 Jahren (Regelverschonung) bzw. 7 Jahren (Optionsverschonung).
   
Anstelle dieser 20-Arbeitnehmer-Regelung ist vorgesehen, dass bei Unternehmen mit einem Unternehmenswert bis 1 Mio. Euro auf die Prüfung der Lohnsummenregelung verzichtet wird (Aufgriffgrenze). Bei diesen Unternehmen sind jedoch die Behaltensfristen von 5 bzw. 7 Jahren zu beachten. Für Unternehmen mit einem Unternehmenswert von mehr als 1 Mio. Euro gilt folglich die Lohnsummenregelung weiter.
   
Auch bei dieser Grenze sollen mehrere Erwerbe von begünstigtem Vermögen von demselben Schenker/Erblasser innerhalb von 10 Jahren zusammengerechnet werden.
 

4. Beurteilung

Das BMF hat wiederholt angekündigt, im Rahmen der Erbschaft- und Schenkungsteuerreform nur minimal-invasive Änderungen vorzunehmen. Die Änderungsvorschläge sind jedoch tiefgreifender als erhofft und nach dem Urteil des BVerfG erwartet oder gar zwingend:
  • Es kommt zu einem Systemumstieg: statt Ausschluss eindeutig bestimmbarer Wirtschaftsgüter des Verwaltungsvermögens von der Begünstigung nunmehr der Versuch einer Positivdefinition dessen, was für die Unternehmensfortführung notwendig und daher begünstigtes Betriebsvermögen sein soll. Es erscheint fraglich, ob das gewählte Kriterium – Nutzung zu über 50 Prozent für eine gewerbliche Tätigkeit – geeignet ist, in der vielfältigen Unternehmenslandschaft das betriebsnotwendige Vermögen eindeutig und ohne Streit mit der Finanzverwaltung zu bestimmen. Eine Vielzahl für Familienunternehmen immens wichtiger Fragen ist ungeklärt, wie z.B. die Behandlung von Sonderbetriebsvermögen, Betriebsaufspaltungen, die Zuordnung von Beteiligungen und die Behandlung „neutraler” Wirtschaftsgüter wie insbesondere Finanzmitteln.
     
  • Die Abgrenzung zwischen kleinen und mittleren Unternehmen auf der einen Seite und großen Unternehmen auf der anderen Seite ist mit der 20 Mio. Euro-Grenze je Erwerb deutlich zu niedrig bemessen. Das BVerfG selbst hatte mit dem Hinweis auf den Regierungsentwurf eines Gesetzes zur Sicherung der Unternehmensnachfolge vom 30.5.2005 (BT-Drucks. 15/5555, S. 10) eine Höchstgrenze von 100 Mio. Euro ins Spiel gebracht. Diese 20 Mio. Euro-Grenze hat zur Folge, dass deutlich mehr Erwerber bei Unternehmensübertragungen von der Bedürfnisprüfung betroffen sein könnten, als bisher vermutet. Man mache sich klar: Bei Übergang eines Unternehmens auf einen Erwerber findet eine Bedürfnisprüfung auf Basis des geltenden Bewertungsrechts bereits dann statt, wenn der Jahresertrag des Unternehmens knapp über 1 Mio. Euro liegt!
     
  • Auch dass es sich bei der 20 Mio. Euro-Grenze um eine Freigrenze (und nicht um einen Freibetrag) handelt, erscheint zu hart. Damit hängt die Entscheidung, ob ein Unternehmen völlig steuerfrei übergehen kann oder der Erwerber eigenes Vermögen für die Erbschaft- und Schenkungsteuerzahlungen einsetzen muss, bereits von geringfügigen Schwankungen (oder Meinungsverschiedenheiten mit der Finanzverwaltung!) in der Unternehmensbewertung ab. In Kombination mit der verwaltungsseitig völlig überzogenen Bewertung von Familienunternehmen bei der Erbschaft- und Schenkungsteuer ist dies für den Mittelstand nicht tragbar.
     
  • Die vom BMF gewählte Konzentration der Bedürfnisprüfung auf das Privatvermögen des Erwerbers ist systemwidrig, macht die Steuerzahlung willkürlich abhängig von der Vermögensverteilung innerhalb einer Familie und führt zu problematischen Anreizen in der Vermögensallokation und Akzeptanz der Unternehmensnachfolge. Die Verfassungskonformität dieser Regelung wird bereits diskutiert.
     
  • Insgesamt betrachtet hätte die Einführung einer 20 Mio. Euro-Grenze und der Einbezug von Privatvermögen bei der Bedürfnisprüfung zur Folge, dass deutlich mehr Unternehmensübertragungen als nach den bisherigen Regelungen der Erbschaft- und Schenkungsteuer unterliegen werden. Dies würde auch dann gelten, wenn das übertragene Unternehmen unverändert weitergeführt wird. Folglich wird die Einbeziehung des Privatvermögens beim Erben/Beschenkten eine wesentliche Rolle spielen, was nicht nur erhöhten administrativen Aufwand bedeutet, sondern die Nachfolgeplanung vor ganz andere Herausforderungen stellen wird.
     

5. Unsere Einschätzung

Die Eckpunkte der Erbschaft- und Schenkungsteuerreform sind noch nicht ausgereift und lassen deshalb auch einige Fragen offen, wie z.B. die Behandlung von Immobiliengesellschaften. Allerdings lässt sich aus dem vom BMF veröffentlichen Eckpunktepapier die klare Tendenz erkennen, dass zukünftig die Verschonungsregelungen doch deutlicher verschärft werden als bislang verlautbart, und das nicht nur für „Großunternehmen”, sondern für den Großteil erfolgreicher mittelständischer Familienunternehmen. Dies hätte zur Folge, dass Erbschaften und Schenkungen von Betriebsvermögen nach der Reform des Erbschaft- und Schenkungsteuergesetzes deutlich teurer werden.
   
Deshalb: Werden Sie jetzt tätig! Prüfen Sie Ihre Handlungsoptionen und denken Sie über eine Übertragung Ihres Betriebsvermögens nach. Denn noch wird eine jetzt vollzogene Unternehmensnachfolge nach dem alten viel günstigeren Recht (nicht) besteuert! (Ausnahme: Immobilienunternehmen, die bisher nicht in den Genuss der Verschonungsregelung kommen konnten; hier besteht weiterhin die Chance, durch die Erbschaftsteuer- und Schenkungsteuerreform in den Kreis der Begünstigten zu gelangen.)
  
Bedenken Sie dabei, dass die vom BVerfG gewährte Übergangsfrist für eine Reform bis zum 30.6.2016 voraussichtlich vom Gesetzgeber nicht ausgenutzt wird, sondern bereits (deutlich) früher mit einem Inkrafttreten der Neuregelungen im Erbschaft- und Schenkungsteuergesetz zu rechnen ist. Die Chance für eine letztmalige steuerfreie Übertragung des Unternehmens besteht in diesen Monaten, nutzen Sie diese zügig, zusammen mit den Experten von Rödl & Partner!
 
zuletzt aktualisiert am 19.03.2015

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