IFRS 16 – Alles Leasing oder was?

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zuletzt aktualisiert am 3. Dezember 2018 / Lesedauer ca. 4 Minuten  

 

Nach dem Abschluss der aufwendigen Umstellungsprojekte auf IFRS 9 und IFRS 15 wird den IFRS-Bilanzierern auch im kommenden Geschäftsjahr kaum Zeit zum Durchatmen gelassen. Die verpflichtende Anwendung von IFRS 16, dem neuen Standard zur Bilanzierung von Leasingverhältnissen, steht vor der Tür. Off-Balance-Finanzierungen gehören damit weitestgehend der Vergangenheit an.
    

 

Die Bilanzierung von Leasingverhältnissen wird seit über 30 Jahren in IAS 17 geregelt. Dieser Standard klassifiziert jeden Vertrag in eine von zwei Kategorien: Operating Lease oder Finance Lease. Nur Leasing­gegenstände, die der letztgenannten Kategorie zuzuordnen sind, werden bislang in der Bilanz des Leasingnehmers ausgewiesen. Diese Regelung führt in Kombination mit dem faktischen Klassifizierungs­wahlrecht aufgrund der ermessensspielraumbehafteten Abgrenzung der beiden Kategorien dazu, dass die deutliche Mehrzahl an Leasinggegenständen sowie die korrespondierenden Leasingverbindlichkeiten nicht in der Bilanz des Leasingnehmers ausgewiesen werden. An dieser Bilanzierungspraxis des sog. Off-Balance-Sheet-Accounting wurde schon seit den 1990er Jahren immer wieder heftige Kritik geäußert. Das IASB begann daher im Jahr 2006 mit der Überarbeitung der Regelungen zur Leasingbilanzierung und veröffentlichte am 13. Januar 2016 die finale Version des neuen IFRS 16. Dieser löst IAS 17 ab und ist ab dem 1. Januar 2019 verpflichtend anzuwenden. Eine vorzeitige Anwendung ist zulässig. Am 9. November 2017 wurde IFRS 16 in europäisches Recht (Endorsement) übernommen.
  
  • Anwendungsbereich

  • Bilanzierung beim Leasingnehmer

  • Bilanzierung beim Leasinggeber

  • Sale-and-Lease-Back

  • Übergangsvorschriften

  • Herausforderungen für die Praxis

  • Ausblick

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    Anwendungsbereich

    Der neue IFRS 16 ist auf alle Verträge anzuwenden, die ein Leasingverhältnis begründen. Dieser Standard definiert Leasing als einen Vertrag, durch den das Recht zur Beherrschung eines identifizierten Vermögenswerts für einen festgelegten Zeitraum im Austausch gegen eine Vergütung übertragen wird. Zu beachten ist, dass das Kriterium der Beherrschung nicht nur die Nutzung des Vermögenswerts umfasst, sondern auch die Kontrolle über die Art der Nutzung. Die Definition umfasst alle klassischen Leasingverhältnisse (z. B. Leasing von Fahrzeugen oder technischen Anlagen) sowie Miet- und Pachtverträge für Immobilien. Vom Anwendungsbereich explizit ausgeschlossen werden hingegen die Erkundung und Ausbeutung natürlicher Ressourcen (IFRS 6), biologische Vermögenswerte (IAS 41), Dienstleistungskonzessionsvereinbarungen (IFRIC 12), die Überlassung von geistigem Eigentum (IFRS 15) sowie Lizenzvereinbarungen für Patente, Manuskripte, Filme und ähnliche immaterielle Vermögenswerte (IAS 38). Für Leasingverträge, die sich auf sonstige immaterielle Vermögens­werte beziehen, besteht ein Wahlrecht zur Anwendung von IFRS 16. Gleiches gilt für kurzfristige Leasing­verträge sowie solche mit einem geringen Wert, welche direkt als Aufwand erfasst werden können (sog. Small Ticket Leases). Zu beachten ist, dass bei Verträgen mit mehreren Leasingkomponenten die einzelnen Leasing- und Nicht-Leasingkomponenten zu separieren sind. Der Standard bietet diesbezüglich allerdings einige Erleichterungen für den praktischen Umgang mit IFRS 16 an, deren Anwendbarkeit jeweils im Einzelfall zu prüfen ist.
       

    Bilanzierung beim Leasingnehmer

    Wie bereits dargelegt, entfällt beim Leasingnehmer nach IFRS 16 die Klassifizierung in Operating Lease und Finance Lease. Dieser muss vielmehr für jeden Leasinggegenstand sowohl ein Nutzungsrecht auf der Aktivseite als auch eine korrespondierende Leasingverbindlichkeit auf der Passivseite ansetzen. Das Nutzungsrecht für den Vermögenswert wird gemäß den entstandenen Kosten bewertet, wobei neben dem Barwert der Leasing­zahlungen auch direkte im Zusammenhang mit dem Leasingvertrag stehende Kosten, inklusive Rückbau- / Re­kultivierungsverpflichtungen, zu berücksichtigen sind. Für die Folgebewertung ist im Regelfall das Kostenmodell anzuwenden, wobei das Nutzungsrecht über den geringeren Wert aus Nutzungsdauer des Leasinggegenstandes und Leasinglaufzeit planmäßig abzuschreiben ist. Ist mit einer hinreichenden Sicherheit davon auszugehen, dass am Ende der Leasingdauer das Eigentum am Vermögenswert auf den Leasingnehmer übergeht (z. B. günstige Kaufoption), so ist zwingend auf die Nutzungsdauer des Vermögenswerts abzustellen. Zudem sind für das Nutzungsrecht Wertminderungstests gemäß IAS 36 durchzuführen.
       
    Die Leasingverbindlichkeit wird mit dem Barwert der erwarteten Leasingzahlungen angesetzt. Hierbei werden berücksichtigt:      
    • Fixe Zahlungen;
    • Variable Zahlungen, sofern diese an einen Index oder einen Zinssatz gebunden sind;
    • Restwertgarantien;
    • Ausübungspreis einer Kaufoption, sofern mit hinreichender Sicherheit davon ausgegangen wird, dass diese ausgeübt wird;
    • Vorfälligkeitsentschädigung, sofern eine vorzeitige Beendigung erwartet wird.
    Die Leasingverbindlichkeit wird in den Folgeperioden mit der Effektivzinsmethode bewertet. Hierbei werden Zins- und Tilgungszahlungen voneinander abgegrenzt. Die Zinserfassung erfolgt unabhängig vom tatsächlichen Anfall der Zahlungen periodisch über die Laufzeit, wobei i. d. R. ein degressiver Verlauf auftritt. Es sind zudem Anpassungen aufgrund von Neueinschätzungen bzgl. des Barwerts der Leasingzahlungen (z. B. Änderung der Wahrscheinlichkeit zur Ausübung einer etwaigen Kaufoption) oder Vertragsmodifikationen vorzunehmen, außer die Modifikation muss als eigenständiges Leasingverhältnis behandelt werden. Solche Veränderungen der Leasing­verbindlichkeit führen auch zu einer Anpassung des Buchwerts des korrespondierenden Nutzungsrechts.
             

    Bilanzierung beim Leasinggeber

    Die Bilanzierung von Leasingverhältnissen beim Leasinggeber bleibt hingegen weitgehend unverändert. Hier ist nach wie vor eine Unterteilung in Operating Lease und Finance Lease vorgesehen. Die Einteilung richtet sich danach, ob der Leasinggeber die wesentlichen mit dem Vermögenswert verbundenen Chancen und Risiken auf den Leasingnehmer überträgt. Ist dies zu bejahen, handelt es sich um ein Finance Lease, anderenfalls um ein Operating Lease. Im erstgenannten Fall ist der Vermögenswert auszubuchen und eine Leasingforderung in Höhe des Barwerts der erwarteten Leasingzahlungen zu erfassen. Anders verhält es sich beim Operating Lease. Hier verbleibt der Vermögenswert auf der Aktivseite der Bilanz. Die Leasingzahlungen werden periodisch als Ertrag erfasst. An dieser Stelle ist zu erkennen, dass sich der Standardsetzer nicht auf eine einheitliche Konzeption festlegen wollte. Der bisherige risk-and-reward Ansatz scheint für die Bilanzierung beim Leasinggeber durchaus angemessen zu sein, wohingegen er sich beim Leasingnehmer fortwährender Kritik ausgesetzt sah und dort folglich durch den right-of-use Ansatz ersetzt wurde.
      

    Sale-and-Lease-Back

    Auch die Bilanzierung von Sale-and-Lease-Back-Transaktionen wurde reformiert. War es bislang noch möglich, sich durch solche Geschäfte außerbilanziell zu finanzieren, so dürfen nach IFRS 16 Gewinne nur dann realisiert werden, wenn durch die Transaktion ein Umsatz gemäß IFRS 15 entstanden ist. Dies ist erst dann der Fall, wenn der Käufer die Kontrolle über den Vermögenswert erlangt. Allerdings ist selbst dann die Gewinn­realisierung begrenzt, da der mit dem Rückleasing verbundene Teil des Nutzungsrechts in der Bilanz verbleibt. Sofern die Transaktion nicht unter den Anwendungsbereich von IFRS 15 fällt, erfolgt keine Ausbuchung des Vermögenswerts. Die getätigten Zahlungen sind als Forderungen bzw. Verbindlichkeiten zu verbuchen.
      

    Übergangsvorschriften

    Beim Übergang auf IFRS 16 können Unternehmen zwischen zwei Verfahren wählen. Zum einen kann eine vollständige retrospektive Anwendung von IFRS 16 auf alle bestehenden Leasingverhältnisse unter Anpassung der Vergleichsperioden erfolgen. Zum andern ist auch eine begrenzt retrospektive Anwendung ohne Anpassung der Vergleichsperioden möglich. In jedem Fall ist jedoch eine bilanzielle Erfassung aller Leasingverträge im Anwendungsbereich des IFRS 16 erforderlich.
      

    Herausforderungen für die Praxis

    Die vollständige Erfassung aller Leasingverträge dürfte bei den meisten Leasingnehmern zu einer Bilanzverlängerung führen. Während dieser Effekt vom Standardsetzer auf der einen Seite durchaus gewünscht ist – schließlich soll dadurch ein realistischerer Ausweis der Vermögens-, Finanz- und Ertragslage und damit eine höhere Entscheidungsnützlichkeit für Abschlussadressaten sichergestellt werden – ergeben sich auf der anderen Seite (ungewollte) Nebeneffekte. Durch die Erhöhung des Bestands an Verbindlichkeiten auf der Passivseite erhöht sich beispielsweise der Verschuldungsgrad der meisten Unternehmen. Daneben ergeben sich selbstverständlich auch Auswirkungen auf viele andere Kennzahlen, wie z. B. das EBITDA. Dieses wird sich erhöhen, da Leasingzahlungen nicht mehr als betrieblicher Aufwand erfasst werden. Stattdessen werden die Abschreibungen und der Zinsaufwand belastet. Daher sollten Unternehmen dringend die Auswirkungen des IFRS 16 auf die für sie relevanten Kennzahlen, z. B. für die Erfüllung von Kreditklauseln oder die Festlegung der Vergütung von Mitarbeitern, hin untersuchen. Die nachstehende Abbildung verdeutlicht, wie sich das Bild der Bilanz und Gesamtergebnisrechnung durch IFRS 16 ändern wird.
     
          
    Abb. in Anlehnung an IASB, IFRS 16 – Project Summary and Feedback Statement
     
    Nicht zu vernachlässigen sind die – je nach Betroffenheit – hohen Umsetzungskosten der Umstellung auf IFRS 16. Unternehmen sollten sich daher frühzeitig darum bemühen, die notwendigen Systeme und Prozesse aufzubauen, um alle vorhandenen Leasingverträge zu überprüfen und in das Rahmengerüst des IFRS 16 einzu­gliedern. Vor allem für bislang als Operating Lease eingestufte Verträge sind die bilanziellen Auswirkungen bedeutsam. Für diese Vereinbarungen könnte zudem das Fehlen relevanter Daten ein Problemfeld darstellen. Hinzu kommt die deutliche Erhöhung der erforderlichen Anhangangaben, welche sich ebenfalls in (direkten und indirekten) Kosten niederschlagen kann. Je nach Größe und Komplexität des vorhandenen Leasingportfolios kann der Prozess der Umstellung auf IFRS 16 einen langwierigen und kostenintensiven Vorgang darstellen. Um diesen effizient zu gestalten, ist es erforderlich, eine ausgefeilte IT-Infrastruktur sicherzustellen. Als Unterstützung dient hierbei z.B. die von unserem Kooperationspartner fwsb GmbH entwickelte Lease-App.
        

    Ausblick

    Das IASB setzte sich zum Ziel, mit der Überarbeitung der Regelungen zur Bilanzierung von Leasingverhältnissen die Entscheidungsnützlichkeit für Abschlussadressaten zu erhöhen. Dies soll vorrangig durch die Vereinheitlichung der Behandlung von Leasingverträgen beim Leasingnehmer – einhergehend mit dem Wegfall der Unterteilung in Operating Lease und Finance Lease – erreicht werden.

      

    Dem entgegen steht die hohe Kostenbelastung für Abschlussersteller, welche eine umfassende Vertragsinventur und eine tiefgreifende Analyse der Leasingverhältnisse vorzunehmen haben. Aufgrund der weiten Verbreitung von Leasingvereinbarungen in der Unternehmenspraxis und der umfassenden Reform der Leasingbilanzierung darf der Umstellungsaufwand nicht unterschätzt werden. Unternehmen sollten daher frühzeitig mit der Implemen­tierung von IFRS 16 beginnen. Der Rückgriff auf spezialisierte IT-Lösungen ist hierbei u.E. un­erlässlich, um die umfangreichen prozessualen Herausforderungen der Umstellung auf IFRS 16 möglichst effizient zu gestalten.

        

    Bitte beachten Sie:

    • Der neue IFRS 16 wird das Bilanzbild nahezu aller IFRS-Anwender deutlich verändern.
    • Eine frühzeitige Auseinandersetzung mit den Auswirkungen des ab 2019 anzuwendenden IFRS 16 ist aufgrund des hohen Umstellungsaufwands unabdingbar. 

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