Ministerrat bringt die Kommunalisierung der Mittel für den Ausbildungsverkehr in Baden-Württemberg auf den Weg

PrintMailRate-it

Die Ausgleichsmittel für die rabattierte Beförderung im Ausbildungsverkehr in Baden-Württemberg werden voraussichtlich mit Wirkung zum 1.1.2018 kommunalisiert. Der Ministerrat hat einen entsprechenden Gesetzentwurf zur Änderung des Gesetzes über die Planung, Organisation und Gestaltung des öffentlichen Personennahverkehrs (ÖPNVG-E) und des Finanzausgleichsgesetzes (FAG-E) zur Anhörung freigegeben. Baden-Württemberg strebt damit eine ersetzende Regelung nach § 45a PBefG an, wie sie in Niedersachsen nach § 7a NNVG zum 1.1.2017 umgesetzt wurde.

 

Gegenstand der Neuregelung ist die Übertragung der Finanzierungsverantwortung für den Ausbildungsverkehr vom Land auf die kommunalen Aufgabenträger. Hierzu sollen die Aufgabenträger in den Jahren 2018 bis 2020 jährliche Zuweisungen in Höhe von ca. 200 Million Euro vom Land erhalten. Für die Aufgabenträger entsteht damit zum 1.1.2018 eine neue Rechtspflicht (§ 16 Abs. 1 ÖPNVG-E).

 

Die Aufgabenträger müssen sicherstellen, dass die Zeitfahrausweise im Ausbildungsverkehr um mindestens 25 Prozent im Vergleich zu den Zeitfahrausweisen im Jedermann-Verkehr vergünstigt angeboten werden (Rabattierungspflicht). Im Gegenzug erhalten die Unternehmen vom Aufgabenträger einen finanziellen Ausgleich in begrenzter Höher. Dies soll durch allgemeine Vorschriften nach Art. 3 Abs. 2 VO 1370 erfolgen, an deren Entwicklung die Unternehmen zu beteiligen sind (§ 16 Abs. 1 Satz 3, § 17 Abs. 2 ÖPNVG-E). Im Falle von Direktvergaben kann die Rabattierungspflicht auch über öffentliche Dienstleistungsaufträge sichergestellt werden (§ 16 Abs. 4 ÖPNVG-E).

 

Hinweise, wie die allgemeinen Vorschriften konkret auszugestalten sind, sieht das Gesetz nicht vor.

Dabei gilt es zahlreiche Fallstricke zu vermeiden, wie etwa: 

 

  • Umsatzsteuerpflicht vermeiden: Die Zahlungen des Aufgabenträgers an die Unternehmen sollten nicht der Umsatzsteuer unterfallen. Andernfalls würden dem kommunalen ÖPNV Mittel entzogen.  
  • Verwerfungen im Verkehrsangebot vermeiden: Je nach Berechnungsverfahren besteht die Gefahr von Verwerfungen. Da die Landesmittel bis 2021 dem Wert von 2014 entsprechen, sollte vor dem Erlass einer kommunalen Regelung eine Kalkulation durchgeführt werden.
  • EU-Verstöße vermeiden: Für den Erlass allgemeiner Vorschriften bestehen EU-rechtliche Anforderungen: Die Reglung muss diskriminierungsfrei sein, die Parameter zur Bemessung des Ausgleichs müssen zuvor objektiv und transparent definiert sein und es muss eine Überkompensationsprüfung erfolgen.
  • Leistungsänderungen berücksichtigen: Eine diskriminierungsfreie Regelung erfordert die Berücksichtigung von Klauseln für Leistungsveränderungen.

 

Folgende Modellansätze werden für allgemeine Vorschriften im Ausbildungsverkehr diskutiert und angewandt:

 

  • Preis-Preis-Modell: Erstattungsfähig ist die Differenz zwischen dem Normal- und dem rabattierten Tarif. Es besteht das Risiko der Umsatzsteuerpflicht.
  • Pauschal-Modell: Erstattet wird ein pauschaler Ausgleich je Fahrplankilometer (z.B. 70 Cent/Fplkm). Dieser Ansatz ist nicht verwerfungsfrei.
  • Sollkosten-Erlös-Modell (Kommunalisiertes 45a-Verfahren): Die Regelung nach § 45a PBefG wird als modifizierte kommunale Regelung fortgeführt. Die Höhe des Ausgleichs ergibt sich aus der modifizierten gesetzlichen Berechnungsformel. Dieses Modell ist weitgehend verwerfungsfrei, aber wenig leistungsgerecht.
  • Erlös-Kosten-Modell (sog. Braunschweiger Modell): In dem Modellansatz wird das Verfahren der Überkompensationskontrolle (ex post) je Unternehmen zur Grundlage der Ermittlung des ex ante Ausgleichswertes gemacht. Dieses Modell zeichnet sich durch einen Gleichklang von ex ante und ex post-Berechnung aus, es eignet sich z.B. in Verkehrsräumen mit heterogener demographischer Entwicklung und ist weitgehend verwerfungsfrei.
  • Ertrag-Kosten-Modell (fiktives Tarifmodell): Grundlage ist ein „marktfähiger Referenztarif”. Dessen Ermittlung erfolgt auf der Grundlage von Unternehmenszahlen nach den Grundsätzen zur Ermittlung von Selbstkosten (sog. LSP). Dieser Ansatz begegnet insbesondere politischen Bedenken, ist administrativ aufwendig und ist nicht verwerfungsfrei.

 

Die Modelle unterscheiden sich methodisch und führen zu abweichenden Ausgleichsbeträgen. Die Aufgabenträger sollten daher rechtzeitig prüfen, welches Modell rechtlich, steuerrechtlich und ökonomisch am besten für die Situation vor Ort geeignet ist.

 

Bei Fragen stehen wir Ihnen gern zur Verfügung.

 

 

Weiterführende Hinweise:

  • Verbundfinanzierung angesichts demographischer Veränderungen, in: Der Nahverkehr 5/2012, 4 ff; (Kloß, Knoblich, Niemann, Schuh)
  • Beihilfekonforme Zuwendung von Mitteln, in: Ausbildungsverkehr, Der Nahverkehr 11/2010 S. 37-39 (Niemann/Schmitz)
  • Höchsttarife für Auszubildende im Rahmen einer allgemeinen Vorschrift – Anforderungen nach Art. 3 Abs. 2 VO 1370/2007, Eildienst 7/8 2010, S. 8-10 (Niemann)

Kontakt

Contact Person Picture

Jörg Niemann

Diplom-Jurist

Partner

+49 40 2292 977 33

Anfrage senden

Profil

 Wir beraten Sie gern!

Deutschland Weltweit Search Menu