Betriebsratswahl 2018: Neutralitätspflicht des Arbeitgebers

PrintMailRate-it
veröffentlicht am 18. Januar 2018
von Nadja Roß-Kirsch

 

​Im Zusammenhang mit einer Betriebsratswahl besteht für den Arbeitgeber eine strikte Neutralitätspflicht. Durch § 20 Absatz 1 und 2 Betriebsverfassungsgesetz (BetrVG) wird der Schutz normiert und es dem Arbeitgeber untersagt, in irgendeiner Weise auf die Entscheidung der Arbeitnehmer bei einer Betriebsratswahl Einfluss zu nehmen. Die Bildung und Zusammensetzung des Betriebsrats ist ausschließlich eine Angelegenheit der Arbeitnehmer. Doch wer genau ist mit der Vorschrift angesprochen? Auch die leitenden Angestellten? Die Reichweite der Vorschrift ist noch immer nicht ganz geklärt. 

 

   

 

Verbot der Wahlbehinderung

Das BetrVG unterscheidet 2 Fallgestaltungen. In § 20 Absatz 1 BetrVG ist das Verbot der Wahlbehinderung geregelt. Unter Behinderung versteht man jedes rechtswidrige Verhalten mit dem die Einleitung oder Durchführung der Wahl erschwert bzw. unmöglich gemacht wird. Das Gesetz meint damit jede Beeinträchtigung eines Wahlbeteiligten in der Ausübung seiner Rechte und Aufgaben. § 20 Absatz 1 schützt aber nicht nur den eigentlichen Abstimmungsvorgang, sondern auch alle vorbereitenden Maßnahmen dazu inklusive der Wahlwerbung. Das Behinderungsverbot schützt damit den äußeren Ablauf der Betriebsratswahl.
 

Das Behinderungsverbot wird sehr weit ausgelegt. Es umfasst alle mit der Wahl zusammenhängenden oder ihr dienenden Handlungen, Betätigungen und Geschäfte. Neben der eigentlichen Durchführung der Wahl sind z.B. folgende Betätigungen geschützt:
  • Einberufung bzw. Durchführung der Betriebsversammlung zur Wahl eines Wahlvorstands,
  • Betätigung im Wahlvorstand oder als Wahlhelfer,
  • Sammlung von Stützunterschriften und Aufstellung von Wahlvorschlägen,
  • Stimmauszählung,
  • Bekanntgabe des Wahlergebnisses und
  • Durchführung eines Wahlanfechtungsverfahrens.
      

Einen besonderen Schutz für den Arbeitnehmer sieht das Gesetz bei der Ausübung des aktiven und passiven Wahlrechts vor. Hierunter fällt, wenn der Arbeitgeber es dem einzelnen Arbeitnehmer unmöglich macht, an der Wahl teilzunehmen. Geschützt sind nicht nur der Wähler oder der Wahlkandidat selbst, sondern auch alle übrigen Wahlbeteiligten wie Wahlvorstand oder Wahlhelfer. So wurde bereits entschieden, dass es eine unzulässige Beschränkung des Wahlrechts darstellt, wenn der Arbeitgeber am Wahltag eine Anweisung erteilt, eine nicht zu diesem Zeitpunkt erforderliche Geschäftsreise zu unternehmen oder eine kurzfristige Anberaumung eines Erste-Hilfe-Kurses am Tag der Wahlversammlung. Wahlbehinderung liegt ebenso vor, wenn der Arbeitgeber sich weigert, Auskünfte für die Aufstellung der Wählerlisten zu erteilen. Verboten ist auch die Anweisung und Empfehlung des Arbeitgebers, einen bestimmten Kandidaten bzw. eine bestimmte Liste zu wählen oder auf einer gegnerischen Liste zu kandidieren, die Abnahme von zulässigen Wahlplakaten oder die Versetzung oder Kündigung eines Wahlbewerbers wegen der Wahl.
 
Schwierigkeiten ergeben sich immer wieder auch mit leitenden Angestellten. Die Mitteilung des Arbeitgebers an bestimmte Arbeitnehmer, sie seien leitende Angestellte und nicht wahlberechtigt, ist unzulässig.
 
Sollte der Arbeitgeber daher der Auffassung sein, ein bestimmter Mitarbeiter oder eine bestimmte Gruppe von Mitarbeitern seine als leitende Angestellte einzustufen, so empfiehlt es sich, dies als eigene Rechtsmeinung darzustellen und hierzu eine nachvollziehbare Begründung mitzuliefern. Es ist ebenso wichtig, die leitenden Angestellten vor der Betriebsratswahl zu schulen, dass es gerade in Bezug auf ihren Status zu Diskussionen kommen kann. Eine besondere Sensibilität gerade vor dem Hintergrund der ansonsten unzulässigen Wahlbeeinflussung ist daher gefordert und sollte vom Arbeitgeber nicht unterschätzt werden.
 

Verbot der Beeinflussung der Wahl

In § 20 Absatz 2 BetrVG ist das Verbot geregelt, die Betriebsratswahlen dadurch zu beeinflussen, indem man Nachteile androht oder zufügt oder Vorteile verspricht oder gewährt. § 20 Absatz 2 BetrVG schützt die Freiheit der Willensbildung. Die Ausübung des passiven und des aktiven Wahlrechts soll allein auf der freien Entscheidung der Wahlberechtigten beruhen und keiner Steuerung von dritter Seite unterliegen.
 
Geschützt sind Fallgestaltungen, in den der Arbeitgeber die Stimmabgabe oder die Kandidatur des Wahlbewerbers dadurch zu steuern versucht, indem er dem jeweiligen Arbeitnehmer Vorteile verspricht oder gewährt sowie Nachteile androht oder zufügt. Dabei ist anerkannt, dass jeder geeignete Versuch der Beeinflussung ausreichend ist. Eine tatsächliche Verfälschung des Wählerwillens der Arbeitnehmer ist nicht entscheidend. Die Androhung von Kündigung, Versetzung auf einen schlechteren Arbeitsplatz oder sonstigen Nachteilen bzw. das In-Aussicht-Stellen von Beförderung, Gehaltserhöhung ist verboten und - bei vorsätzlichem Handeln - auch strafbar (§ 119 Absatz 1 Nr. 1 BetrVG). Ebenso fällt unter das Verbot der Beeinflussung der Wahl jegliche Wahlwerbung durch den Arbeitgeber, z.B. durch die Unterstützung einer Liste, etwa durch finanzielle oder sonstige Mittel, oder durch eine Kampagne bei Facebook und darauf folgende Personalgespräche mit Wahlbewerbern.
 

Reichweite der Neutralität

Eine Wahlbeeinflussung mit den in den § 20 Absatz 1 und 2 genannten Mitteln ist jedermann untersagt. Daher greift das Verbot auch für Mitarbeiter aber auch betriebsfremde Dritte wie z.B. Gewerkschaften.
 
Es ist aber überwiegend anerkannt, dass § 20 BetrVG die Pflichten nicht abschließend regelt. Daher unterliegt der Arbeitgeber zum Schutz der Integrität der Betriebsratswahl einem strikten Neutralitätsgebot. Entsprechend einem Urteil des LAG Hessen aus dem Jahre 2015 soll die Abstimmung allein auf der freien und unbeeinflussten Entscheidung der Betriebsangehörigen beruhen (vgl. LAG Hessen, Beschluss v. 12.11.2015 – 9 TaBV 44/15). In Fall des LAG Hessen hatte der Arbeitgeber dazu aufgerufen, eine alternative Liste aufzustellen.
 
Doch wie weit reicht dieses Neutralitätsgebot? Nur für den Arbeitgeber oder auch für Arbeitnehmer oder die Tarifparteien?
 
Nach bisheriger Auffassung gilt das Neutralitätsgebot nur für den Arbeitgeber. Gewerkschaften müssen nach einem Beschluss des Bundesverfassungsgerichts aus dem Jahre 1999 nicht neutral sein. Vielmehr dürfen sie ihre Mitglieder dazu anhalten, für eine bestimmte Liste abzustimmen. Allerdings müssen sich die Gewerkschaften beim Einwirken auf ihre Mitglieder ebenfalls an gewisse Regeln halten. So dürfen sie nur Empfehlungen aussprechen und keine verbandsrechtlichen Maßnahmen treffen, in einem bestimmten Sinne bei der Betriebsratswahl zu wählen.
 
Entsprechend der Entscheidung des LAG Hessen und der überwiegenden juristischen Meinung müssen sich auch leitende Angestellte bei der Betriebsratswahl neutral verhalten. Begründet hat dies das LAG mit dem Umstand, leitende Angestellte nähmen typische Unternehmensaufgaben mit eigenem Entscheidungsspielraum wahr und stünden dadurch in einem Interessengegensatz zur Arbeitnehmervertretung und der übrigen Belegschaft.
 

Rechtsfolgen bei einem Verstoß

Eine unzulässige Behinderung oder Beeinflussung der Wahl kann eine Wahlanfechtung begründen, wenn durch sie das Wahlergebnis beeinflusst werden konnte. In besonders schweren Fällen kann auch eine Nichtigkeit der Wahl insgesamt drohen. Weiterhin können Verstöße mittels eines Unterlassungsantrags nach § 23 BetrVG angegriffen werden. Berechtigt sind dazu Wahlvorstand und betroffene Arbeitnehmer.
Soweit vorsätzlich gegen das Verbot der Wahlbeeinflussung verstoßen worden ist, werden diese auf Antrag mit Freiheitsstrafe bis zu einem Jahr oder mit Geldstrafe bestraft.
 
Da § 20 Absatz 1 und 2 BetrVG ein gesetzliches Verbot enthalten sind auch alle rechtsgeschäftlichen Handlungen, die dagegen verstoßen, nichtig. Das gilt insbesondere für Versetzungen und Kündigungen aber auch für alle anderen verbotenen Handlungen. Zusätzlich ist § 20 Absatz 1 und 2 BetrVG ein Schutzgesetz auch im Rahmen der deliktischen Haftung nach § 823 BGB so dass, soweit der Arbeitnehmer durch Verstoß gegen eines der Wahlbeeinflussungsverbote einen Schaden erlitten hat, von demjenigen Schadensatz verlangen kann, der gegen das Verbot verstoßen hat.
 

Fazit

Die § 20 Absatz 1 und 2 BetrVG normieren für den Arbeitgeber einen erheblichen Verbotsbereich im Rahmen einer Betriebsratswahl. Hierbei ist zu beachten, dass zu den verbotenen Beeinflussungen sowohl Handlungen bezüglich dem äußeren Ablauf der Betriebsratswahl also auch Maßnahmen gegen die Freiheit der Willensbildung zählen. Sowohl der Arbeitgeber selbst als auch die leitenden Angestellten unterfallen bei den Betriebsratswahlen einem strikten Neutralitätsgebot. Verstöße hiergegen führen regelmäßig zur Anfechtung der Wahl, schlimmstenfalls zur Nichtigkeit der gesamten Betriebsratswahl. Auch drohen Schadensersatz oder sogar eine strafrechtliche Haftung, sollte der Arbeitgeber in unzulässiger Weise auf die Betriebsratswahl eingewirkt haben.
 

Deutschland Weltweit Search Menu