„Borrowing Gap” oder „Full-Coverage”? – Chinesische Richtlinie und Praxis der grenzüberschreitenden Finanzierung im 1. Quartal 2018

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​veröffentlicht am 22. März 2018

 

Am 12. Januar 2017 wurde durch die Chinesische Volksbank (die „Zentralbank”) das Notice of the People's Bank of China on Full-coverage Macro-prudent Management of Cross-border Financing (Erlass Yin Fa [2017] Nr. 9) („Erlass Nr. 9”) erlassen. Darin wird ausdrücklich geregelt, dass ausländisch-investierte Unternehmen („Foreign Invested Enterprises – FIEs”) im Über­gangs­zeitraum von einem Jahr entweder das gängige „Borrowing Gap”-Verwaltungsmodell oder das neue makroprudenzielle Verwaltungsmodell (das „Full-Coverage”) als ausländische Finanzierungsweise wählen können.1

 

  

 

3 Praxismodi

Derzeit ist die oben erwähnte Übergangsfrist von einem Jahr bereits beendet. Angesichts unserer landesweiten Praxis in China im vergangenen Jahr haben wir bemerkt, dass dieselbe Richtlinie in jeder Stadt bzw. Provinz etwas anders ausgelegt und umgesetzt wird, wobei vor allem die drei folgenden Modi aufgekommen sind:

 

Der von Peking vertretene Modus (der „Peking Modus”)

Anzuwenden ist entweder das „Borrowing Gap“ oder das „Full-Coverage”; kommt eines davon zur Anwendung, gibt es keine Änderungsmöglichkeit mehr. In der Verwaltungspraxis wird die ausländische Finanzierung auch in Changshu, Jiangsu und weiteren Städten nach diesem Modus organisiert.

 

Der von Shanghai vertretene Modus (der „Shanghai Modus”)

Gestattet ist ausschließlich eine einseitige Wechslung der Modi. D.h., dass die FIEs, die sich zuvor für das „Borrowing Gap” entschieden haben, jederzeit einen Wechsel zum „Full-Coverage” beantragen können, während ein umgekehrter Wechsel, nämlich vom „Full-Coverage” zum „Borrowing Gap”, nicht erlaubt ist. In einigen Städten wie Nantong oder Jiangsu gilt der gleiche Modus für die Verwaltung der ausländischen Finanzierung.

 

Der von Guangzhou vertretene Modus (der „Guangzhou Modus”)

FIEs können das „Borrowing Gap” oder das „Full-Coverage” anwenden und später den Modus wechseln. Zu beachten ist, dass die Staatsverwaltung für Devisen (State Administration of Foreign Exchange oder kurz „SAFE”) in Guangzhou die beiden Berechnungsmethoden unterscheidet.  Das hat zur Folge, dass Unternehmen erst mit vollständiger Tilgung ihrer Auslandsschulden und Abmeldung dieser Auslands­schulden bei der lokalen SAFE einen Wechsel des Modus beantragen können. Ob ein solcher Wechsel in einem bestimmten Zeitraum erfolgen muss, bleibt noch offen. Das bedarf weiterer Regelungen durch die SAFE und die Zentralbank.

 
Welche Provinzen bzw. Städte welche der drei obengenannten Modi genau ausführen, können wir für Sie näher erläutern. In der Praxis kann es vorkommen, dass, sofern das Stammkapital der FIEs weniger als 12 Mio. US-Dollar beträgt, mit dem „Full-Coverage” grundsätzlich ein höheres Finanzierungsvolumen in Anspruch genommen wird als mit dem „Borrowing Gap”. Jedoch kommt der tatsächlich erlaubte Betrag des „Full-Coverages” auch auf die Frist und Währungen der ausländischen Finanzierung an, insbesondere auf den Nettoinventarwert der FIEs.

 
Darüber hinaus lässt sich das Volumen der langfristigen Auslandsfinanzierung bei dem „Borrowing Gap” Modell selbst nach der Tilgung der Schulden nicht freigeben, was zur Folge hat, dass der entsprechende Teil des „Borrowing Gap” nicht mehr zur ausländischen Finanzierung verwendet werden kann. Beim „Full-Coverage” ist der erlaubte Betrag einer ausländischen Finanzierung durch den Saldo der bereits besteh­enden grenzüberschreitenden Finanzierungen zu ermitteln. Mit der Tilgung der Auslandsschulden wird das entsprechende Volumen der Schulden zugleich freigegeben und kann zur neuen Finanzierung verwendet werden. Beim „Full-Coverage” fordert die lokal zuständige Behörde i.d.R. einen vom Wirtschaftsprüfer geprüften Jahresabschluss der Gesellschaft, um den Nettovermögenswert der Gesellschaft überprüfen zu können.

 
Alles in allem, besitzen das „Borrowing Gap” und das „Full-Coverage” jeweils eigene Besonderheiten. Als neues Finanzierungsmodell hat das „Full-Coverage” zwar vielschichtige Vorsteile ist jedoch nicht unbedingt unter allen Umständen vorteilhafter als das „Borrowing Gap”. In Ermangelung einer neuen Politik zur ausländischen Finanzierungsverwaltung, verspricht der Guangzhou Modus offensichtlich mehr Flexibilität als die zwei anderen Modi, denn die FIEs können das ausgewählte Modell rechtzeitig wechseln, sobald es ihren Finanzierungsbedarf nicht mehr befriedigen kann oder sich als nachteilig erweist.

 

3 praxisbezogene Vorschläge

Zurzeit können die FIEs in China entweder weiterhin das „Borrowing Gap” anwenden oder das neue, makroprudenzielle Verwaltungsmodell adaptieren. In Bezug auf dieses duale System, möchten wir – basierend auf unserer gesammelten Praxis und Erfahrung – die folgenden 3 Vorschläge machen:

 
Erstens ist den FIEs in Anbetracht dessen, dass das „Borrowing Gap” Modell seit mehr als zehn Jahren in China gilt und sich die einschlägigen Regelungen und Verfahren folglich bereits etabliert und vervollständigt haben, anzuraten, in der Gründungsphase das „Borrowing Gap” weiterhin in den Gesellschaftsvertrag bzw. die Satzung einzubeziehen, was den FIEs eine schnell verfügbare Finanzierung ermöglicht.

 
Zweitens ist den FIEs abzuraten, vorschnell das „Full-Coverage” Modell zu verwenden. Stattdessen empfehlen wir den FIEs, die Vor- und Nachteile des „Borrowing Gap” Modells auf Grundlage ihrer eigenen aktuellen Situation zu bewerten. Gleichzeitig sollten sie auch die Änderungen der Regelungen in Bezug auf die ausländische Finanzierungsverwaltung und die Anforderungen der lokalen Verwaltungsbehörden an die praktische Verfahrensweise berücksichtigen, da die Interpretation derselben Regelungen in einzelnen Regionen Chinas variiert und sich häufig ändert.

 
Drittens ist den FIEs anzuraten, die einschlägigen Compliance-Anforderungen der ausländischen Finanzierungsverwaltung zu beachten und einzuhalten. Dazu gehören bspw. die fristgemäße Vornahme der Registrierung beabsichtigter grenzüberschreitender Finanzierungen im dafür vorgesehenen Registrier­ungssystem und die ordnungsgemäße Verwendung des Kapitals. Außerdem gilt es, die Übereinstimmung der Frist der beabsichtigen ausländischen Finanzierungen mit deren Nutzungsdauer zu beachten. Auch hier ist die jeweils aktuelle Obergrenze des Finanzierungsvolumens einzuhalten. Wird diese Obergrenze überschritten, droht u.a. die Verhängung einer Geldbuße, der Stopp der beabsichtigten Finanzierung oder eine behördliche Anordnung zur Bildung von Risikorücklagen.

 

Fazit

In Erlass Nr. 9 ist eindeutig festgelegt, dass das Verwaltungsmodell der grenzüberschreitenden Finanzierung von FIEs durch die Zentralbank und das SAFE gemäß der allgemeinen Umsetzungssituation des Erlasses bestimmt werden soll. Laut unserer Auskunft von der China Banking Regulatory Commission ist das Monetary Policy Department der Zentralbank für die Bewertung und Einführung neuer Maßnahmen zur Feststellung, ob das neue Modell das alte „Borrowing Gap” Modell ergänzt oder ersetzt, zuständig. 

 
Auch wenn der Erlass Nr. 9 erhebliche Vorteile für Unternehmen bietet, so sollten sie vor der Einführung weiterer Regelungen bzw. Maßnahmen die grenzüberschreitende Finanzierung auch künftig ordnungsgemäß planen, indem sie die Finanzierungskosten und ihre eigenen Geschäftsfelder rational bewerten.

 

1 Zur eingehenden Interpretation des Erlasses Nr. 9 siehe Monica Chen,Landesweiter Start der Reform zur grenzüberschreitenden Finanzierungsverwaltung, Rödl & Partner, China Newsletter August 2017, S. 4-6. 

 

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