Bundesregierung beschließt Änderungen für Konzessionsvergaben Strom und Gas

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Die Bundesregierung hat am 3. Februar 2016 den Entwurf eines „Gesetzes zur Änderung der Vorschriften zur Vergabe von Wegenutzungsrechten zur leitungsgebundenen Energieversorgung” beschlossen, der erhebliche Auswirkungen auf die Praxis der Konzessionsvergaben haben wird. Im Einzelnen:
 

1. Netzkaufpreis

Der neue § 46 Abs. 2 S. 4 EnWG normiert den objektivierten Ertragswert als maßgeblichen Wert zur Bestimmung der „wirtschaftlich angemessenen Vergütung”. Der objektivierte Ertragswert soll auf Basis der Netzentgelt- und Anreizregulierungsverordnung berechnet werden. Die Gesetzesbegründung verweist insoweit auf den gemeinsamen Leitfaden von Bundeskartellamt und Bundesnetzagentur vom 21.05.2015, der sich ausführlich mit der Ermittlung des objektivierten Ertragswerts befasst. Der mit dem objektivierten Ertragswert verbundene Rückgriff auf das Regulierungsregime von StromNEV und GasNEV soll – so die Bundesregierung – für die Netzbewertung eine sachgerechte, neutrale und objektivierte Basis garantieren.
 

2. Auswahlkriterien

In § 46 Abs. 4 S. 1 wird nochmals klargestellt, dass die Gemeinden bei der Auswahl des Neukonzessionärs den Zielen des § 1 Abs. 1 EnWG verpflichtet sind. Zu den einzelnen Zielen des § 1 Abs. 1 EnWG führt die Gesetzesbegründung aus:
 

a) Versorgungssicherheit

Die Gewährleistung der Zuverlässigkeit und Sicherheit des Verteilernetzes ist die elementare Aufgabe eines Netzbetreibers. Bei der Bewertung des Kriteriums sind Referenzen und Genehmigungen vorzulegen, wobei klargestellt wird, dass auch neu gegründete Stadtwerken mit etablierten Netzbetreibern auf „Augenhöhe“ gelangen müssen. Keinesfalls darf es als Vorfestlegung ausgelegt werden, wenn eine Gemeinde im Vorfeld einer Konzessionsvergabe alleine oder gemeinsam mit einem Kooperationspartner eine Gesellschaft zum Zwecke der Bewerbung um die Konzession gründet.
 

b) Preisgünstigkeit und Effizienz

In Bezug auf die Preisgünstigkeit sieht der Gesetzentwurf die zu erwartende Höhe der Netznutzungsentgelte als sachgerechtes Kriterium für die Auswahl des künftigen Netzbetreibers an. Die Effizienz soll dagegen anhand der in der Vergangenheit bewiesenen Effizienz (Effizienzwert, Qualitätselement) bewertet werden. Liegen solche Daten nicht für alle Bewerber vor, so sind sämtliche vorhandene Indizien heranzuziehen, die ein effizientes Verhalten des Netzbetreibers belegen. Darüber hinaus soll auf die Energieeffizienz abgestellt werden, die sich insbesondere anhand von Konzepten zur Minimierung von Verlustenergie bzw. Gasschwund bewerten lassen soll.
 

c) Verbraucherfreundlichkeit

Unter Verbraucherfreundlichkeit soll – so die Gesetzesbegründung – insbesondere der Kundenservice bei Netzanschlüssen, Netzstörungen und Zählerablesungen gemeint sein. Darüber hinaus können Angebote zu intelligenten Messsystemen sowie der allgemeine Service bei der Ablesung (Online-Angebote zur Selbstablesung und Überprüfung des Zählerstandes) bewertet werden.
 

d) Umweltverträglichkeit

Obwohl angesichts der Netzneutralität das Ziel der Umweltverträglichkeit nicht alleine über Maßnahmen des Netzbetriebs erreicht werden können, besteht zwischen einem effizienten Netzbetrieb und umweltfreundlicher Energieversorgung nach Auffassung der Bundesregierung ein direkter Wirkungszusammenhang. Das hat zur Folge, dass insbesondere Konzepte zum Einsatz von Speichern, Maßnahmen des Last- und Einspeisemanagements sowie regelbarer Ortsnetztransformatoren von der Gemeinde im Rahmen von Konzessionsvergaben bewertet werden können.
 

3. Auskunftsanspruch der Gemeinde 

Die Bundesregierung sieht trotz der bestehenden Rechtslage die Notwendigkeit einer Klarstellung im Hinblick auf den Zeitpunkt und den Umfang des Informationsanspruchs der Gemeinde. So sind insbesondere die sog. kalkulatorischen Netzdaten (z.B. historische Anschaffungs- und Herstellungskosten sowie kalkulatorische Netzdaten) zur Verfügung zu stellen. Die Formulierung „insbesondere” möchte die Bundesregierung so verstanden wissen, dass sämtliche im Einzelfall zur Verfügung stehenden Daten herauszugeben sind. Als praxisrelevante Beispiele verweist die Gesetzesbegründung auf den Leitfaden von Bundeskartellamt und Bundesnetzagentur vom 21. Mai 2015.
 

4. Rügepflichten / Präklusion

Als Grundsatz sieht die geplante Neufassung von § 47 EnWG vor, dass die Geltendmachung von Rechtsverletzungen im Rahmen von Konzessionsvergaben präkludiert werden kann, wenn nicht rechtzeitig eine Rüge gegenüber der Gemeinde angestrengt wird. So sind Rechtsverstöße im Rahmen der Aufstellung und Gewichtung von Auswahlkriterien innerhalb von 15 Kalendertagen ab Zugang der Mitteilung und Rechtsverstöße im Rahmen der Auswahlentscheidung innerhalb von 30 Kalendertagen – ggf. nach erfolgter Akteneinsicht – zu rügen. Hilft die Gemeinde den jeweiligen Rügen nicht ab, so müssen die Bewerber ihre gerügten Rechtsverletzungen innerhalb von 15 Kalendertagen ab Zugang der Nicht-Abhilfe-Entscheidung vor den ordentlichen Gerichten im Wege des einstweiligen Rechtsschutzes geltend machen. Ein Verfügungsgrund muss insoweit nicht geltend gemacht werden, da er sich nach Auffassung der Bundesregierung bereits aus der drohenden Präklusion ergibt.  
 

5. Fortzahlung der Konzessionsabgabe

Die bisher geltende Frist von 1 Jahr für die Fortzahlung der Konzessionsabgabe nach Ablauf des Konzessionsvertrages wurde durch langwierige Netzübernahmen oftmals überschritten. Um die Rechtsunsicherheit für die Gemeinden zu beseitigen, soll nunmehr eine Fortzahlungspflicht bis zur Netzübernahme durch den Neukonzessionär gelten. Das soll allerdings nicht der Fall sein, sofern es die Gemeinde unterlassen hat, ein Konzessionsvergabeverfahren zu initiieren und zügig voranzutreiben.
 

6. Bewertung

Der Gesetzentwurf der Bundesregierung ist grundsätzlich zu begrüßen, schafft er doch insbesondere für die Ermittlung des Netzkaufpreises und den Umfang des Auskunftsanspruchs der Gemeinde gegenüber dem Neukonzessionär (auch durch die Verweise auf den gemeinsamen Leitfaden von Bundeskartellamt und Bundesnetzagentur in der Gesetzesbegründung) mehr rechtliche Klarheit als bisher. Ob dagegen die Ergänzungen bei den Auswahlkriterien zu der gewünschten Rechtssicherheit führt, bleibt abzuwarten. So ist zwar positiv zu werten, dass die Gesetzesbegründung zumindest einige konkrete Beispiele für Auswahlkriterien nennt, die neu geschaffenen Begrifflichkeiten „netzwirtschaftliche Anforderungen” und „Anforderungen des jeweiligen Netzgebietes” dürften jedoch zu neuen Diskussionen und der Notwendigkeit der Klärung durch die Praxis und die Gerichte führen. Zu begrüßen ist ebenfalls die klare Positionierung in Bezug auf Rügepflichten und Präklusion, in der Praxis wird durch die nunmehr gesetzlich geregelte Präklusion von Bewerbern allerdings wohl mit einem sprunghaften Anstieg von Gerichtsverfahren zu rechnen sein. 
 
Es bleibt allerdings abzuwarten, ob Bundesrat und Bundestag im weiteren Gesetzgebungsverfahren Änderungen am Gesetzentwurf der Bundesregierung empfehlen werden.       
 
Kommunen und Bewerber um Konzessionen sind indes in jedem Fall gut beraten, auch künftig noch mehr Wert auf eine professionelle Begleitung bei Konzessionsvergaben zu legen, da die (ständige) Rechtsprechung des Bundesgerichtshof, dass Rechtsverstöße in Konzessionsvergabeverfahren zur Gesamtnichtigkeit des Konzessionsvertrages und dem Erfordernis einer Wiederholung des Verfahrens führen, selbstverständlich auch nach einer Novelle des EnWG gilt.

 

zuletzt aktualisiert am 03.02.2016

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