Wem gehört der Wind?

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Die Reduzierung des jährlichen Marktvolumens an Windkraftanlagen an Land auf 2,8 GW für die Jahre 2017 bis 2019 und 2,9 GW für 2020 (§§ 4 und 28 Abs.1) wird Auswirkungen auf den gesamten Markt haben. Die Umwälzungen auf dem Strommarkt werden immens sein, wenn die Pläne nur teilweise umgesetzt werden. Des Weiteren stellt sich vor allen Dingen die Frage, wenn nicht von Wind (und PV), woher sollen die erheblichen Strommengen kommen, um die Dekarbonisierung in Deutschland auch in den Sektoren Verkehr und Wärme voranzubringen oder gar zu 100 Prozent (was letztendlich Ziel einer engagierten Klimapolitik sein sollte) zu erreichen.

 

​Der regulatorische Rahmen im öffentlichen Rechtsraum wird effektiv so zu gestalten sein, dass deutlich mehr Flächen für Windanlagen zur Verfügung stehen. Die aktuellen Entwicklungen stehen dem leider eher entgegen. Im Koalitionsvertrag der schwarz-gelben Regierung in Nordrhein-Westfalen heißt es, die Abstandsregelung von Windrädern zu Wohnbebauung auf 1.500 Metern festzulegen. Die potenzielle Fläche für Windkraft würde damit um 80 Prozent reduziert werden. Falls dies weitergedacht (in Bayern besteht ja bereits die 10H-Regel) sich auf ganz Deutschland beziehen würde, wären Windkraft und wohl auch Klimaschutz am Ende. Politisch wird immer angeführt, dass hierdurch der Bürger vor negativen Einflüssen geschützt werden soll. Kurioserweise ist in Kommunen, in denen viele Bürger an einem Windpark partizipieren (eben auch wirtschaftlich) kaum ein Widerstand festzustellen. Dies führt zur Frage: Woher stammt das Kapital für die deutsche Energiewende?

 

 

EE Anteile

  

 

Abb. 1: Erneuerbare Energien Anteil seit dem Jahr 2000 bis 2016

 

Die Entwicklungen der letzten Jahre zeigen, dass ein Großteil der Windanlagen eben nicht von Bürgerhand gehalten wird, sondern insbesondere in den letzten Jahren im Windbereich die Anlagen von institutionellen Anlegern, also Banken, Versicherungen, Investmentfonds, etc. von den Entwicklern gekauft wurden. Echte Bürgeranlagen – vor allen Dingen der Bürger vor Ort – sind mittlerweile Mangelware und mit Aussetzen der Privilegien (ab 2018) im Ausschreibungsverfahren wird sich das verstärken. Typischerweise werden Windparks über ein Bieterverfahren nicht unbedingt an Bürgergenossenschaften vor Ort, sondern an o.g. Investoren meistbietend verkauft. Der Anlagedruck (bei aktuellem Zinsniveau) führt dazu, dass eine Kapitalanlage in einen Windpark mit 20 Jahren gesetzlich abgesicherter Rendite in einem Best-Rating- Land äußerst attraktiv ist. Aber abgesehen von der konkreten Kapitalquelle des Betreibers ist zu diskutieren, wie die Bürger vor Ort, die letztendlich doch durch die WEA (und ich meine nicht den Grund verpachtenden Landwirt) einerseits beeinträchtigt werden, aber eben dafür keinerlei Kompensation erfahren.


In einer etwas abstrakteren Sichtweise stellt sich die Frage, wie die jeweiligen Beziehungen der an einem Projekt beteiligten zueinander sind. Die Betreiber beziehen letztendlich die Vergütung vom Strommarkt, zahlen Pacht an Landeigentümer. Aber die Bürger der konkreten Gemarkung partizipieren nur sehr indirekt über die Bereitstellung von Strom (ein etwas höheres Gewerbesteueraufkommen), aber eben nicht wirtschaftlich. Eine Ausnahme stellen Windparks dar, die direkt von Kommunen betrieben werden (beispielweise Stadt Pegnitz mit 7 Windanlagen) oder Windparks von 100 Prozent kommunalen Stadtwerken.


Doch wie ließe sich das Problem lösen?

Letztendlich kann Wind auch als Allmende betrachtet werden, die einem Windparkbetreiber gegen eine Konzession befristet zur Verfügung gestellt werden würde. Würde diese Konzessionsgebühr direkt den jeweiligen Kommunen zufließen, ließe sich hiermit ein entsprechender Interessensausgleich herstellen. Dies klingt vielleicht im ersten Moment abstrakt, aber ist nicht so ungewöhnlich. Für die Tiefengeothermie – als Ressource dem nationalen Bergrecht untergeordnet – wird auf Basis von Verordnungen im Bergrecht eine Konzessionsgebühr abverlangt. Die Konzessionsvergabe erfolgt aktuell in einem zweistufigen Verfahren (Aufsuchungserlaubnis und Bewilligung) im Windhundprinzip. Klar formuliertes Ziel im Bergrecht ist die optimale Nutzung der Ressource – die Konzessionsgebühr ist zwar niedrig, wird aber sehr wohl für die Nutzung der im Boden gespeicherten Energie erhoben. In der Schweiz werden auch für die Nutzung der Wasserkraft entsprechende Konzessionsgebühren erhoben. In Beantwortung der im Titel gestellten Frage erscheint es dann nicht so abwegig, auch für Wind eine Gebühr zu erheben, die dann der öffentlichen Hand zufließt, denn schließlich ist Wind als gemeinschaftliches Eigentum zu sehen.

 

Letztendlich geht es um die „Internalisierung externer Kosten”, der eine wichtige Funktion zukommt, um Fehlallokationen bei der Güterverteilung zu vermeiden. Um die in sozialliberalen Marktwirtschaften gerühmte Lenkungsfunktion des Preises auch für Naturnutzung zum Funktionieren zu bringen, dürfen weder die Belastung der Natur noch die Entnahme aus der Natur künftig kostenlos sein. Neben den Produktionsfaktoren Arbeit und Kapital sollte eben auch Natur einen Preis bekommen, was zur bereits diskutierten CO2-Steuer führt. Konsequent weitergedacht sollte somit für Regionen und Kommunen mit bevorzugten Windverhältnissen eben auch der Wind als öffentliches Gut dieser Gemeinde entsprechend entlohnt werden. Auf diese Weise würden bei Windprojekten nicht nur die Eigentümer von Grund und Boden am Ertrag partizipieren, sondern auch die Kommunen als Verwalter der sie umgebenden Windallmende.


Man kann Wind letztendlich auch als Kraftstoff betrachten, der über unterschiedliche Windverhältnisse wesentlich über die Ertragskraft entscheidet. Es ist daher für Anwohner von Windparks nur schwer hinnehmbar, dass die Windanlagenbauer zu 100 Prozent von der kostenlosen Nutzung dieses Kraftstoffes profitieren sollen, während die Belastungen aus dem Anlagenbetrieb (Schattenwurf, optische Beeinträchtigung etc.) von den Anwohnern getragen werden sollen.


Neben diesen sicherlich etwas abstrakteren Gedankenspielen gilt es allerdings auch politisch zu diskutieren, wessen Kapital die Energiewende vorantreiben soll. Es ist unbestritten, dass Windparks in Bürgerhand oder von öffentlichen Unternehmen (Stadtwerken) deutlich höhere Akzeptanz genießen als von einem Investitionsfonds. Im Hinblick auf die o.g. Herausforderungen des zu erwartenden zu schwachen Ausbaus wäre dies sicherlich ein Aspekt, der regulatorisch umzusetzen wäre. Dies wäre einfach über Anreize durch Regionalvermarktungsmodelle zu erreichen, die die lokalen Stadtwerke auch stärker in die Pflicht nehmen würden, die jeweiligen Energieverbräuche in ihrem Versorgungsgebiet auch soweit wie möglich selbst dezentral zu generieren. Leider zeigt die Entwicklung in eine andere Richtung. Vor allen Dingen kleinere und mittlere Stadtwerke (von Kommunen bis 75.000 Einwohner) zögern erheblich, selbst Projekte zu initiieren oder gar zu entwickeln. Das Ausschreibungsmodell (Privilegien würden für Stadtwerke nicht greifen) gilt als zu risikobehaftet.


Abschließend sei noch das Thema der Netze kurz angerissen. Im letzten Jahrzehnt haben viele Kommunen ihre Netze wieder zurückerworben und beginnen als Netzbetreiber (und sei es mit Betriebsführungsmodellen) wieder zu agieren. Dies ist im Hinblick auf die zu schaffenden dezentralen Strukturen auch vorteilhaft. Gerade Themen wie Lastmanagement im Verteilnetz idealweise eben auch durch einen lokalen Partner zu bewerkstelligen – ob im Verbund mit anderen oder letztendlich als Regionalnetzbetreiber ist sicherlich örtlich bedingt. Die deutschen Übertragungsnetze hingegen (die ja ebenfalls mit satten Renditen durch die deutschen Netzentgelte bedient werden) liegen teilweise bei Eigentümern im Ausland. Tennet bspw. gehört zu 90 Prozent dem holländischen Staat, die Eigentümerstruktur der Amprion wird unten dargestellt.

 

 

 

Eigentümerstruktur der Amprion GmbH 

Abb. 2: Eigentümerstruktur der Amprion GmbH

 

Es stellt sich die Frage, ob der Aufbau der Netzstrukturen nicht einfacher (und gerechter) zu lösen wäre, wenn die betroffenen Regionen auch hier direkt beteiligt wären und nicht Netzentgelte letztendlich als ungemein sichere Renditen aktuellen, sachfremden Anteilseignern wie z.B. dem Ärztlichen Versorgungswerk zufließen.


Es bleibt festzuhalten, dass der erforderliche Ausbau der Erneuerbaren Energien in Deutschland nur funktionieren kann, wenn auch offen Eigentumsstrukturen hinterfragt und diskutiert werden. Eine stark dezentrale Versorgungsstruktur baut idealerweise auf dezentralen Eigentumsstrukturen auf und zentrale Infrastrukturen sollten idealerweise auch in der öffentlichen Hand liegen. Selbst die abstrakt erscheinende Idee einer Windkonzession sollte erlaubt sein und würde erheblich die Energiewende in Deutschland stützen, für höhere Akzeptanz sorgen und die kommunale Finanzierung auf einer breitere Basis stellen.

 

 

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Kai Imolauer

Diplom-Wirtschaftsingenieur (FH)

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