Top News aus der Umsatzsteuer: GmbH & Co. KG als Organgesellschaft und Vorsteuerabzug einer Führungsholding aus Emissionskosten

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​zuletzt aktualisiert am 13. Juni 2017
   
Der Bundesfinanzhof (BFH) hat mit Urteil vom 19. Januar 2016 (Az. XI R 38/12) Rechtsfragen zur umsatzsteuerlichen Organschaft und zum Vorsteuerabzug einer Führungsholding geklärt und damit seine Nachfolgeentscheidung zum Urteil des EuGH vom 16. Juli 2015 in den verbundenen Rechtssachen C-108/14 und C-109/14, Larentia + Minerva und Marenave, verkündet.
 
 
   

        

Personengesellschaft als Organgesellschaft? Ja, jedenfalls die GmbH & Co. KG

Ein Schwerpunkt der Entscheidung des BFH liegt in der Frage, ob eine GmbH & Co. KG, die nach deutschem Verständnis als Personengesellschaft betrachtet wird, eine Organgesellschaft in einer umsatzsteuerlichen Organschaft sein kann.
 
Der Europäische Gerichtshof (EuGH) entschied dazu, dass § 2 Abs. 2 Nr. 2 Umsatzsteuergesetz (UStG) mit seinem Wortlaut „wenn eine juristische Person nach dem Gesamtbild der tatsächlichen Verhältnisse finanziell, wirtschaftlich und organisatorisch in das Unternehmen des Organträgers eingegliedert ist” insoweit unionsrechtswidrig ist, wenn dies meint, dass eine GmbH & Co. KG allein aufgrund ihrer Rechtsform nicht Organgesellschaft sein kann.
 
Der 11. Senat des BFH folgt diesen Aussagen und legt den Wortlaut „juristische Person” des § 2 Abs. 2 Nr. 2 UStG dahingehend nunmehr richtlinienkonform aus, dass hierunter auch eine GmbH & Co. KG fällt. Der Ausschluss einer GmbH & Co. KG als Organgesellschaft sei weder zur Verhinderung missbräuchlicher Praktiken noch zur Vermeidung von Steuerhinterziehung oder -umgehung erforderlich und angemessen. 
 
Die im deutschen UStG generelle Beschränkung auf juristische Personen als Organgesellschaften ist unionsrechtswidrig. Zu diesem Ergebnis kam schon der 5. Senat mit Urteil vom 2. Dezember 2015 (Az. V R 25/13) durch „teleologische Extension” der deutschen Norm.

 

Offene Fragen nach Urteil des BFH (XI R 38/12)

In diesem Zusammenhang ist anzumerken, dass nach dem Urteil des 5. Senats des BFH lediglich solche Personengesellschaften und damit auch nur solche GmbH & Co. KGs betroffen sind, bei denen neben dem Organträger nur Gesellschafter vorhanden sind, die nach § 2 Abs. 2 Nr. 2 UStG (ebenfalls) in das Unternehmen des Organträgers finanziell eingegliedert sind. Im Urteil vom 19. Januar 2016 (Az. XI R 38/12) wurde dagegen trotz eines Fremdanteils die GmbH & Co. KG als Organgesellschaft vom 11. Senat des BFH angenommen.

 

Es ist daher fraglich, ob der 11. Senat des BFH die engere Betrachtungsweise des 5. Senats teilt oder nicht. Denn im vorliegenden Sachverhalt war die Führungsholding als Kommanditist an der GmbH & Co. KG (nur) zu 99 Prozent neben einem weiteren Gesellschafter beteiligt, so dass in der Struktur mit einem Fremdanteil ein „Einstimmigkeitsprinzip” nicht besteht, welches der 5. Senat des BFH verlangt: Danach sollen lediglich solche Personengesellschaften betroffen sein, bei denen neben dem Organträger nur Gesellschafter vorhanden sind, die in das Unternehmen des Organträgers finanziell eingegliedert sind. In der weiteren Folge wäre dann insgesamt eine mittelbare finanzielle Eingliederung (sog. Blasentheorie, die die Finanzverwaltung bejaht, die bisher aber noch nicht durch den BFH bestätigt wurde) zur Begründung der umsatzsteuerlichen Organschaft nach Auffassung des 5. Senats des BFH nicht mehr möglich.
     

Praxishinweis: Änderung der Ansicht der Finanzverwaltung

Die Finanzverwaltung hat nun mit Schreiben vom 26. Mai 2017 (veröffentlicht am 1. Juni 2017) die neuere Rechtsprechung des BFH umgesetzt und lässt Personengesellschaften als potenzielle Organgesellschaften zu. Hierbei bezieht sich die Finanzverwaltung auf die engere Betrachtungsweise des 5. Senats. Nach dem neuen Abschnitt 2.8 Abs. 5a UStAE sind Personengesellschaften finanziell in das Unternehmen des Organträgers eingegliedert, wenn er sämtliche Gesellschaftsanteile der Personengesellschaft unmittelbar oder mittelbar hält: „Die finanzielle Eingliederung einer Personengesellschaft setzt voraus, dass Gesellschafter der Personengesellschaft neben dem Organträger nur Personen sind, die nach § 2 Abs. 2 Nr. 2 UStG in das Unternehmen des Organträgers finanziell eingegliedert sind, so dass die erforderliche Durchgriffsmöglichkeit selbst bei der stets möglichen Anwendung des Einstimmigkeitsprinzips gewährleistet ist.” Für die notwendige Beteiligung des Organträgers seien auch mittelbare Beteiligungen ausreichend.

 

Die Änderungen in der Verwaltungsauffassung zur umsatzsteuerlichen Organschaft sind auf nach dem 31. Dezember 2018 ausgeführte Umsätze anzuwenden. Eine frühere Anwendung wird jedoch laut BMF-Schreiben nicht beanstandet, wenn sich die am Organkreis Beteiligten bei der Beurteilung des Umfangs der umsatzsteuerlichen Organschaft übereinstimmend auf das BMF-Schreiben berufen. 
     
Es sollte in Konzernstrukturen nun dringend geprüft werden, ob Personengesellschaften, die zu 100 Prozent vom Organträger oder dessen Tochtergesellschaften gehalten werden, unter den weiteren Eingliederungsvoraussetzungen in einen umsatzsteuerlichen Organkreis einzubeziehen sind; insbesondere mit Blick auf die Rechtfolgen, mit denen dann konzerninterne Leistungsverrechnungen nicht mehr steuerbar wären und für die der Organträger die Umsätze zu melden hätte.
 

Offene Fragen bleiben

Es bestehen – auch wenn nun eine Auffassung der Finanzverwaltung vorliegt – immer noch offene Fragen; bspw. bei mittelbarer Beteiligung in der umsatzsteuerlichen Organschaft. Trotz Referenzierung im BMF-Schreiben auf das Urteil des 5. Senats des BFH lässt die Finanzverwaltung eine mittelbare finanzielle Eingliederung zu. D.h. die sog. Blasentheorie, die die Finanzverwaltung bereits zuvor bejahte, aber bisher noch nicht durch den BFH bestätigt wurde, weiter zugelassen wird.  
 
Gleichwohl ist nicht klar, ob von der Rechtsprechung abweichende Fallvarianten, z.B. mittelbare Beteiligungen oder verschiedene Treuhandverhältnisse, von dem BMF-Schreiben abgedeckt sind. 

   
     

Highlights zum Vorsteuerabzug einer Führungsholding: Vorsteuerabzug für Kapitalbeschaffung und trotz betragsmäßiger Diskrepanz von Eingangs-Vorsteuer zu Ausgangs-Umsatzsteuer

Der EuGH hat in den oben genannten Rechtssachen entschieden, dass Kosten, die im Zusammenhang mit dem Erwerb von Beteiligungen von einer Führungsholding getragen werden – konkret waren es Aufwendungen im Zusammenhang mit einer Aktienemission (diesbezüglich geltend gemachte Vorsteuer in Höhe von ca. 370.000 Euro) – als Teil der allgemeinen Aufwendungen einer Holdinggesellschaft anzusehen sind. Die hierauf entfallende Umsatzsteuer ist grundsätzlich vollständig abziehbar, je nach wirtschaftlicher Gesamttätigkeit des Unternehmers.
 
Dem hat sich der BFH angeschlossen, womit er seine Auffassung aufgibt, dass die Kapitalbeschaffung auch mit einem nichtwirtschaftlichen (nichtunternehmerischen) Bereich zusammenhänge und daher ggf. nur ein teilweiser Vorsteuerabzug (mit Konsequenz einer Vorsteueraufteilung) möglich sei. Der Vorsteuerabzug wäre hier grundsätzlich gewährt worden, auch wenn die erklärte Umsatzsteuer aus steuerpflichtigen Umsätzen nur ca. 300 Euro betragen hat. Eine Relation zwischen Vorsteuer und Ausgangsumsatzsteuer, wie regelmäßig von der Finanzverwaltung in Umsatzsteuer-Sonderprüfungen für ein Vorsteuerabzugsrecht verlangt, ist nach Ansicht des 11. Senats des BFH nicht mehr zwingend. 
   

Hinweise für die Praxis 

Das Urteil ist positiv. Die Finanzverwaltung hat nun jedoch mit BMF-Schreiben vom 26. Mai 2017 zur Thematik einschränkend Stellung genommen und das für die Steuerpflichtigen positiv zu wertende Urteil (bei wörtlicher Auslegung) nicht umgesetzt. Nach Ansicht der Finanzverwaltung soll das Recht auf Vorsteuerabzug aus Leistungen im Zusammenhang mit dem Einwerben von Kapital zur Anschaffung einer gesellschaftsrechtlichen Beteiligung für den Unternehmer nicht bestehen, soweit das eingeworbene Kapital in keinem Verhältnis zu der im unternehmerischen Bereich gehaltenen gesellschaftsrechtlichen Beteiligung steht. Es wird damit wohl auf ein betragsmäßiges Verhältnis zwischen Eingangs- und Ausgangsumsätzen abgestellt.

  

Somit besteht in der Praxis – neben den bereits bestehenden Thematiken beim Vorsteuerabzug einer Holding wie Qualifikation als Unternehmerin, Zuordnung der Beteiligungsgesellschaften in den unternehmerischen Bereich, Bestehen von unternehmerischem und nichtunternehmerischem Bereich, steuerpflichtige Erbringung von (wesentlichen) Leistungen (gegen Sonderentgelt) an Beteiligungsgesellschaften, Überlegung und Dokumentation zum (beabsichtigten) Umfang und Inhalt der Geschäftstätigkeit – ein weiteres „Problem- bzw. Diskussionsfeld”.

  

Idealerweise sollte bei Aufsetzen einer Holdingstruktur also ebenso umsatzsteuerlich überlegt werden, welche Geschäfte in welchen Gesellschaften geführt werden und wie die Kostenstruktur und -verteilung (sowie Dokumentation der Kosten als Investitionskosten) mit Blick auf einen Vorsteuerabzug geplant ist.  

  

Zu beachten für die Praxis: Cash Pooling und Darlehensgewährung keine sog. Hilfsumsätze

Darlehensgewährungen an Beteiligungsgesellschaften und Anlagen bei Banken (bei Erhalt von Zinsen als Entgelt der Geldanlage/Einlage) stellen keine sog. Hilfsumsätze im Sinne des § 43 Nr. 3 UStDV dar, wenn diese Leistungen zur Hauptgeschäftstätigkeit der Holding gehören. Dies hat der BFH mit seinem Urteil ebenfalls klargestellt. Im Urteilsfall war seitens der finanzgerichtlichen Vorinstanz festgestellt, dass der Gegenstand des Unternehmens der Holding u.a. (hier Geschäftsführungsleistungen) der Erwerb und die Verwaltung von in- und ausländischen Finanzanlagen war. Diese Leistungen können als wirtschaftliche Tätigkeit nicht als Hilfsumsatz eingestuft werden, wenn sie eine unmittelbare, dauerhafte und notwendige Erweiterung der steuerbaren Tätigkeit des Unternehmens darstellen.
 
Die Auffassung der Finanzverwaltung, dass Hilfsumsätze nicht den eigentlichen Gegenstand des Unternehmens bilden dürfen, trifft laut BFH zu. Es kann dann wohl auch nicht mehr auf ein betragsmäßiges Verhältnis ankommen, wonach bisher oftmals ein Hilfsumsatz argumentiert wurde, wenn die Umsätze im Verhältnis zu den sonstigen deutlich gering(er) sind.
 
Im Bereich von Umsätzen im Einlagengeschäft, bei Darlehensgewährungen und beim Cash Pooling mit jeweiligen Entgeltvereinnahmungen (Zinseinnahmen) ist dringend zu prüfen, ob hier – wie in der Konzernpraxis oft gelebt – tatsächlich Hilfsumsätze angenommen werden können. Kapitalüberlassungen an Tochtergesellschaften und Kreditinstitute sind, sofern nicht zur Steuerpflicht nach § 9 UStG optiert wird, was wiederum regelmäßig aber auch nur zwischen deutschen Unternehmen möglich ist und entsprechende Rechnungsstellungen mit gesondertem Umsatzsteuerausweis verlangt, steuerfrei. Hängen damit Aufwendungen direkt oder gemischt zusammen, ist ein Vorsteuerabzug daraus bei steuerfreier Kapitalüberlassung nicht (voll) möglich, wenn eben kein Hilfsumsatz vorliegt. 

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