Abkürzung nach Indien: M&A-Transaktionen erfolgreich durchführen

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zuletzt aktualisiert am 25. November 2020 | Lesedauer ca. 7 Minuten


Als stetig wachsende Volkswirtschaft bleibt Indien ein attraktives Investitionsziel für deutsche Unternehmen. Auslandsinvestitionen sind in nahezu allen Sektoren zu 100 Prozent erlaubt, Ausnahmen bestehen z.B. im Ver­teidigungs­sektor, der Ver­sicherungs­­wirtschaft und teilweise im Einzelhandel. Der Kauf eines indischen Unternehmens, als Chance zu einem schnellen Marktzutritt, findet gerade bei mittelstandsorientierten Weltmarktführern zunehmend Anklang. Darüber hinaus nutzen Start-up- und andere Unternehmen in wachsendem Maße die Fach­expertise und Technologie im IT-Bereich in Indien um ihren Markt zu erweitern.


Die Vorgehensweise bei M&A-Transaktionen in Indien ist vergleichbar mit einer Transaktion in Deutschland. Es sind aber auch einige Besonderheiten zu beachten.
 

  

Beginn der Transaktion

Die Transaktion beginnt i.d.R. mit der Unterzeichnung einer Absichtserklärung (dem sog. „Letter of Intent”, kurz: LoI; „Memorandum of Understanding”, kurz: MoU oder „Term Sheet”), in der die wesentlichen Punkte der Transaktion (Struktur, Unternehmensbewertung, Zeitplan für die Abwicklung) enthalten sein sollten. Es empfiehlt sich, alle transaktions­ent­scheidenden Punkte bereits in dem Stadium abzuklären, um spätere unüberbrückbare Differenzen zu vermeiden, nachdem bereits ein zeitlicher und finanzieller Aufwand für die Due Diligence entstanden ist. Es ist aber auch zu beachten, dass selbst wenn die Absichtserklärung nicht bindend gestaltet wird, viele indische Vertragsparteien den Inhalt – gerade in Bezug auf den Kaufpreis – als faktisch bindend ansehen. Daher sollten bereits in einem frühen Stadium die Unverbindlichkeit bzw. die Abhängigkeit von den Ergebnissen der Due Diligence sichergestellt werden.


Due Diligence

Wie bei jedem Unternehmenskauf empfiehlt es sich, vor der eigentlichen Transaktion eine umfangreiche Due Diligence des Zielunternehmens durchzuführen. Neben der Legal Due Diligence sollte dabei auch stets eine Tax und eine Financial Due Diligence vorgenommen werden. Aufgrund des hohen regulatorischen Umfelds in Indien, das alle drei Bereiche stark miteinander verbindet, empfiehlt es sich, alle drei Grundarten der Due Diligence zeitgleich mit einem homogenen Team durchzuführen. Je nach Zielunternehmen kann auch eine Umwelt Due Diligence und/oder Technical und Commercial Due Diligence hinzukommen.

Bei der Zeitplanung der Due Diligence muss allerdings beachtet werden, dass die meisten Informationen bei vielen kleinen und mittleren indischen Unternehmen nicht vorhanden bzw. nur sehr schlecht dokumentiert sind. Die Unternehmen benötigen daher oftmals Unterstützung bei der Aufbereitung des Datenmaterials. Eine Due Diligence in Indien erfordert somit regelmäßig einen viel größeren Zeitaufwand als das z.B. in Deutschland der Fall ist. Aufgrund der genannten Herausforderungen bei der Informations­beschaffung ist zudem anzuraten, die Due Diligence vor Ort in den Räumlichkeiten des Zielunternehmens durchzuführen und von der Einrichtung eines digitalen Datenraums abzusehen, denn ein solcher führt in Indien oftmals zu keiner Zeitersparnis oder Effizienzsteigerung.
 
Gerade bei familiengeführten indischen Unternehmen, stellt die Informationsbeschaffung eine große Herausforderung dar, da in den Konstellationen meist nur der Eigentümer bzw. die engsten Familienmitglieder die vollständigen Informationen hat. Auch Indien stellt das Kaufobjekt oft als das Lebenswerk des verkaufen­den Eigentümers dar. Die Verhandlungen und mögliche kritische Themen sind daher mit der notwendigen Sensibilität zu führen. Die Durchführung einer Due Diligence in Indien benötigt somit eine gute Planung, ein hohes Maß an Unterstützungsleistung sowie sehr viel Geduld.


1. Besonderheit Real Estate Due Diligence

In Indien ist die Frage des privaten Grundbesitzes schwierig zu beantworten, da das Grundbuchwesen nur unzureichend entwickelt ist. V.a. hat es weder eine Publizitätswirkung noch einen sog. „Öffentlichen Glauben”. Einträge in indische Grundbücher sagen lediglich aus, dass eine Veräußerung stattgefunden hat, schweigen aber darüber, ob sie rechtmäßig war. Daher müssen alle Veräußerungstatbestände sorgfältig auf ihre Recht­mäßigkeit hin überprüft werden. Dabei müssen auch eventuell bestehende erbrechtliche und familienrechtliche Ansprüche beachtet werden. Eine genaue Prüfung der Eigentumsverhältnisse umfasst die Veräußerungstatbe­stände der vergangenen 30 Jahre, da grundstücksrechtliche Ansprüche erst nach dem Zeitraum verjähren. I.d.R. wird es erforderlich sein, spezialisierte Anwälte vor Ort hinzuziehen, da die Grundbücher und Grundbuch­register oftmals nur in den jeweiligen Regionalsprachen geführt werden. Der Prüfungsumfang kann sich etwas reduzieren, wenn es sich um Grundstücke handelt, die sich im Eigentum von staatlichen Agenturen befinden und von ihnen verpachtet wurden.


2. Besonderheit Compliance

Aufgrund des komplexen regulatorischen Umfelds ist es nicht ungewöhnlich, dass indische Unternehmen nicht alle gesetzlichen Regelungen und Bestimmungen vollumfänglich kennen und befolgen. Insbesondere die umfangreiche gesellschaftsrechtliche Compliance, die zahlreiche Dokumentations- und Meldepflichten beim „Registrar of Companies” (RoC) vorsieht, wird bei indischen Unternehmen oftmals sehr vernachlässigt. Dabei und bei anderen festgestellten Non-Compliances, kommt es für den Käufer darauf an, die für das Zielunternehmen bedeutsamen Bestimmungen zu identifizieren und sich deren Einhaltung im Kaufvertrag gewährleisten zu lassen bzw. festgestellte Non-Compliances vor Abschluss der Transaktion bereinigen zu lassen.


Strukturierung der Transaktion

Die Erkenntnisse aus den Due Diligence-Prüfungen sollten unmittelbar für die Strukturierung der M&A-Transaktion verwendet werden. Neben den bekannten Akquisitionsformen „Share Deal” und „Asset Deal”, kennt das indische (Steuer-)Recht auch den sog. „Slump Sale”, der in den Grundzügen mit einer Betriebsveräußerung vergleichbar ist.

Bei einem „Share Deal” werden die Anteile (Shares) an der indischen Zielgesellschaft erworben. Der Käufer übernimmt damit das Unternehmen als Ganzes, inkl. aller bekannten und unbekannten Rechte und Pflichten. Auch gehen sämtliche Vertrags- und Arbeitsverhältnisse als Teil des erworbenen Unternehmens auf den Investor über. Das macht die Durchführung eines Share Deals verhältnismäßig einfach.

Bei einem „Asset Deal” werden dagegen nur einzelne Vermögensgegenstände erworben, wodurch sich das Haftungsrisiko für Verbindlichkeiten reduzieren lässt. Arbeitnehmer, die als sog. „Workmen” zu qualifizieren sind, werden allerdings durch spezielle Gesetze besonders geschützt. Sofern der Erwerber nicht den Abschluss eines neuen Arbeitsverhältnisses (zu den gleichen Konditionen) anbietet, steht den Arbeitnehmern eine Abfindung gegenüber dem Verkäufer zu. Bei einem Asset Deal müssen die zu übertragenden Vermögensgegen­stände genau bestimmt und bepreist werden. Eine Vielzahl von Verträgen des Zielunternehmens erfordert zudem die Zustimmung des Vertragspartners, damit sie auf den Käufer übergehen können. Insgesamt sind die vertragliche Dokumentation und der zeitliche Rahmen bei einem Asset Deal daher umfangreicher als bei einem Share Deal. Auch ist der Asset Deal steuerrechtlich nicht unbedingt optimal, da neben der Einkommensteuer i.d.R. auch die Umsatzsteuer anfällt.

Bei einem „Slump Sale” handelt es sich um den Erwerb eines Geschäftsbereichs eines Unternehmens. Damit die Transaktion als Slump Sale zu qualifizieren ist, muss der Übertragungsgegenstand ein separater, abtrennbarer Geschäftsbereich sein, der mit allen dazugehörigen Vermögensgegenständen und Verbindlich­keiten erworben wird und selbstständig weitergeführt werden kann (nicht muss). Ein Slump Sale kommt (neben einem Asset Deal) v.a. dann in Betracht, wenn tatsächlich nur ein Teilbereich eines Unternehmens erworben werden soll, oder wenn es sich bei der Zielgesellschaft um eine reine Personengesellschaft (Partnership) handelt, da die Beteiligung von ausländischen Investoren an einer Partnership rechtlich nicht gestattet ist. Da der Kaufgegenstand ein gesamter Geschäftszweig ist, müssen die zugehörigen Vermögensgegenstände nicht zwingend einzeln bestimmt und bepreist werden. Bei einem Slump Sale werden allerdings auch die zu dem Geschäftszweig gehöhrenden Verbindlichkeiten übernommen. Der Übergang aller Rechte und Pflichten muss vertraglich vereinbart werden, da das nicht automatisch per Gesetz geschieht. Der Ausschluss etwaiger Rechte und Pflichten verhindert, dass die Transaktion als Slump Sale qualifiziert wird, und führt zur Umdeutung zum Asset Deal.

Die steuerlichen Vor- und Nachteile der verschiedenen Transaktionsformen sollten im Einzelfall genau abgewogen werden, da sie höchst komplex und differenziert zu betrachten sind. Während mit einem Asset Deal viel besser die „Rosinen” aus dem Zielunternehmen herausgepickt werden können, könnten dabei jedoch die steuerlichen Folgen im Vergleich zu einem Share Deal nachteilig sein. Bei einem Slump Sale können die steuerlichen Folgen wiederum günstiger sein als bei einem Asset Deal. Es ist zu beachten, dass der Käufer der Vermögensgegenstände i.d.R. erst noch eine Gesellschaft in Indien gründen muss, die die Vertragspartei des Asset Deals oder Slump Sales werden kann. Auch müssen alle steuerrechtlichen und andere betriebsnot­wendigen Registrierungen der neuen Gesellschaft vorgenommen werden. Ferner müssen alle Verträge mit Dritten neugestaltet werden, da der Slump Sale- oder Asset Deal-Vertrag keine Drittwirkung und keine Gesamtrechtsnachfolge nach sich zieht.


Unternehmenskaufvertrag

Ist die Entscheidung für eine bestimmte Transaktionsstruktur gefallen, ist der Unternehmenskaufvertrag zu erstellen. Dabei ist zu beachten, dass nach indischem Recht (ähnlich wie im englischen Recht) die Regel gilt, dass alles was nicht im Vertrag geregelt ist, als nicht vereinbart gilt. Bei der Erstellung des Kaufvertrags ist daher höchste Sorgfalt anzuwenden.


1. Gewährleistung

Ein wichtiger Punkt des Unter­nehmens­kauf­vertrags sind die Garantien und Gewährleistungs-Regelungen, die sich aus den Ergebnissen der Due Diligence-Prüfungen ergeben und auf sie abgestimmt sein sollten. Gängige Praxis ist, dass der Verkäufer den Käufer von Haftungsverpflichtungen entbindet, die aus der Zeit vor dem Erwerb der Zielgesellschaft (oder der Vermögenswerte) stammen. Die praktische Anwendung solcher Bestimmungen ist aber unsicher, solange nicht ein Teil des Kaufpreises zeitlich verzögert ausgezahlt oder vom Verkäufer für eine gewisse Zeit auf ein Treuhandkonto eingezahlt wird. Bestehen die Möglichkeiten nicht, muss der Investor bei Gericht klagen oder über den Weg des Schiedsverfahrens versuchen, die fraglichen Beträge vom Verkäufer zu erlangen.


2. Kaufpreis

Der Kaufpreis kann grundsätzlich frei verhandelt werden. Allerdings ist zu beachten, dass bei einem Share Deal eine Anteilsbewertung der zu übertragenden Anteile der Zielgesellschaft erfolgen muss. Sofern eine Veräuße­rung an eine natürliche oder juristische Person außerhalb Indiens erfolgt, dürfen die Anteile nicht unter dem sog. „Fair Value” veräußert werden. Er wird anhand einer international anerkannten Bewertungsmethode errechnet und muss von einem unabhängigen Chartered Accountant bestätigt werden. Das gilt für die devisenrechtliche Compliance. Die einkommenssteuerrechtliche Compliance kann jedoch u.U. eine andere Bewertungsmethode fordern.

Außerdem ist zu beachten, dass nach den Vorschriften des indischen Steuerrechts der Käufer eine mögliche Kapitalertragssteuer des Verkäufers von dem zuzahlenden Kaufpreis einzubehalten hat, sofern es sich bei dem Verkäufer um eine nicht in Indien ansässige Person handelt. Der Käufer sollte sich die Richtigkeit der Angaben des Verkäufers zum Betrag der Kapitalertragssteuer zusichern und dokumentieren lassen, damit der korrekte Betrag abgeführt und eine Haftung vermieden werden kann.

Indische Unternehmenskaufverträge sind sog. „Earn-out-Klauseln” zugängig, d.h. ein Teil des Kaufpreises kann vom wirtschaftlichen Erfolg des Zielunternehmens in den folgenden Geschäftsjahren abhängig gemacht und erst nach Ablauf der Geschäftsjahre ausbezahlt werden. Earn-out-Klauseln können v.a. dann eingesetzt werden, wenn der Verkäufer noch für einige Zeit dem Zielunternehmen erhalten bleiben und für ihn ein Anreiz geschaffen werden soll, auch nach der Übernahme zugunsten des Unternehmens zu agieren.
 
Die fusionskontrollrechtlichen Schwellenwerte nach dem indischen Kartellrecht liegen so hoch, dass sie in den seltensten Fällen Anwendung finden. I.d.R. ist der Zeitraum zwischen Signing und Closing der Transaktion daher nicht sehr lang.


Integration nach der Übernahme

Nach Abschluss der Transaktion darf die Integration der Zielgesellschaft in die Unternehmensstruktur des Investors nicht vernachlässigt werden. Kleine und mittlere indische Unternehmen sind sehr oft inhabergeführte Familienunternehmen und werden nach einer Transaktion auch gerne als solche weitergeführt. Dem gilt es mit einer sinnvollen Integrationsstrategie entgegenzuwirken. Dazu gehört z.B. die Entsendung von eigenen Mitarbeitern in das Board of Directors und die Etablierung von Reporting-Strukturen. Zudem gilt oft eine stark hierarchische Struktur und es fehlt an einem professionellen Management unterhalb der Inhaberfamilie, das mit den entsprechenden Strukturen erst vom Käufer aufgebaut werden muss. In den meisten Fällen ist es wichtig, leitende Mitarbeiter wenigstens für eine Übergangszeit, z.B. durch Beratungsverträge, an das Unternehmen zu binden.


Fazit

Indien bleibt ein attraktiver Markt für Investitionen. Der Kauf eines indischen Unternehmens bietet eine gute Möglichkeit für den schnellen Marktzutritt. Die Abläufe und Strukturen einer M&A-Transaktion sind vergleichbar mit den aus Deutschland bekannten. Mit Kenntnis der indischen Besonderheiten und einem gewissen Maß an Geduld und Flexibilität sind Transaktionen mit indischen Zielunternehmen sehr gut zu bewältigen.

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