Professionelle Managerhaftung: Interview mit Horst Grätz (Rödl & Partner) und Christoph Arendt (Howden Group)

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veröffentlicht am 13. April 2017

 

  

Inwieweit haben D&O-Versicherungen in der Gesellschaftspraxis in den letzten Jahren an Bedeutung gewonnen?

Horst Grätz: Noch bis vor wenigen Jahrzehnten trug ein Unternehmen Schäden und Verluste, die sich aus der Verwirklichung operativer Geschäftsführertätigkeit ergaben, wie selbstverständlich alleine. Angestellte Fremdgeschäftsführer verloren in der Konsequenz zwar regelmäßig ihr Amt, wurden aber nicht persönlich für ihr Handeln in Anspruch genommen. Dieses Bild hat sich in den letzten Jahren deutlich gewandelt.
 

Bestehen denn tatsächlich derartig beträchtliche Haftungsrisiken für Leitungsorgane?

Horst Grätz: Ja, das zeigen nicht zuletzt öffentlich diskutierte Fälle. Die prominenten Beispiele sind jedoch nur die Spitze des Eisbergs. Eine unternehmerische Tätigkeit ist stets in die Zukunft gerichtet. Da bleiben haftungsträchtige Fehlentscheidungen manchmal nicht aus. Des Weiteren kann sich allein aus dem Vorwurf einer mangelnden Organisation eine Haftung für das Management ergeben. Fatal ist zudem, dass sich die Organe der bestehenden Risiken häufig nicht bewusst sind. Denn auch für kleinere, mittelständische Unternehmen gelten die strengen gesetzlichen Haftungsmaßstäbe der §§ 93 Abs.1 S.1 AktG bzw. 43 GmbHG.

   

In Ihrem aktuellen Entrepreneur-Beitrag zum Thema „Compliance” betonen Sie die Bedeutung einer maßgeschneiderten D&O-Versicherung als Vermögensschutz der Gesellschaft. Was genau meinen Sie damit?

Horst Grätz: Maßgeschneiderte D&O-Versicherungen dienen nicht nur dem Schutz des Vermögens der versicherten Personen (Vorstände, Geschäftsführer, Aufsichtsräte), sondern in erster Linie dem Vermögen der Gesellschaft, da die in Rede stehenden Haftungssummen oftmals die wirtschaftliche Leistungsfähigkeit des betroffenen Leitungsorgans übersteigen. In der Folge bleibt das Unternehmen auf den Schäden sitzen. Eine geeignete D&O-Versicherung dient daher nicht nur der Entscheidungsfähigkeit des Managements, sondern schützt im Haftungsfall das Unternehmen als Versicherungsnehmerin. Optimaler Versicherungsschutz im Haftungsfall ist daher Teil guter Corporate Governance. Allerdings sollte auf Spezialisten im D&O Bereich zurückgegriffen werden, um auf das Unternehmen zugeschnittene Lösungen ohne Deckungslücken zu erzielen.
 

Wieso ist es so wichtig, dass D&O-Versicherungsexperten die Unternehmen in diesem Bereich betreuen?

Christoph Arendt: Hierfür gibt es verschiedene Gründe. Auch wenn es die D&O-Versicherung in Deutschland schon seit über 20 Jahren gibt, handelt es sich dabei – anders als bei anderen Versicherungssparten – um ein relativ neues Produkt. Die Bedingungen sind in den letzten Jahren zugunsten der Versicherten zwar generell weiter entwickelt worden, aber dennoch gibt es große Unterschiede beim Versicherungsumfang. Am deutschen Markt agieren schätzungswiese 40 verschiedene Versicherer in der Sparte „D&O”. Der Laie kann i.d.R. nicht überblicken, welcher Versicherungsschutz zu welchen Konditionen angeboten wird. Da die Haftungsszenarien für Manager vielfältig und komplex sind, fällt es selbst den meisten Versicherungsmaklern schwer, ihre Kunden so professionell zu beraten, dass sie den besten Versicherungsschutz erhalten. Mit der Vermittlung eines Versicherungsvertrags ist es allerdings noch lange nicht getan. Denn letzten Endes ist für die Kunden nur von Interesse, dass die Versicherung im Schadenfall leistet. Spätestens zu diesem Zeitpunkt ist eine Schadenbegleitung durch Experten nötig, die den Versicherern auf Augenhöhe begegnen.
 

Man hört immer wieder, dass Versicherer versuchen, sich einer Schadenregulierung zu entziehen. Wie sind Ihre Erfahrungen?

Christoph Arendt: Meist liegen D&O-Versicherungsfällen große Streitwerte zugrunde. Nicht selten handelt es sich hierbei auch im Mittelstand um 2- oder 3-stellige Millionenbeträge. In dieser Größenordnung erfolgt selbstverständlich eine sehr genaue Prüfung. Die Versicherer und betroffenen Manager untersuchen die ihnen entgegengebrachten Vorwürfe genau. Selbst bei fahrlässigen Pflichtverletzungen der Manager haften sie oft vollumfänglich mit ihrem gesamten Privatvermögen. 
 

Anders als etwa bei der Feuerversicherung ist es aufgrund der juristischen Komplexität nicht immer leicht festzustellen, ob die Manager überhaupt eine schuldhafte Pflichtverletzung begangen haben und damit ein gedeckter Versicherungsfall vorliegt. Bis die haftungsrechtliche Seite geklärt ist, vergehen meist Jahre. Wichtig ist dann zunächst, dass die Manager sich mit spezialisierten Rechtsanwälten gegen die Inanspruchnahmen verteidigen können und deren Honorare vollständig vom Versicherer bezahlt werden. Gute Versicherungsbedingungen lassen den Versicherern hier wenig Spielraum, sich der Leistung zu entziehen. 
                   

Was zeichnen gute Versicherungsbedingungen aus und worauf muss man besonders achten?

Christoph Arendt: Pauschal kann man die Frage nicht beantworten. Der Teufel steckt  – wie so oft – im Detail. Für den Geschäftsführer einer mittelständischen GmbH ist es z.B. von großer Bedeutung einen Versicherungsschutz zu haben, der nicht nur seine reinen Managementtätigkeiten, sondern zudem seine operativen Tätigkeiten abdeckt. Denn in der Praxis ist eine klare Trennung kaum nachvollziehbar. Der Vorstand einer börsennotierten Aktiengesellschaft hat bspw. ein großes Interesse daran, dass aufgrund der langen Verjährungsvorschriften sein Versicherungsschutz auch noch Jahre nach Beendigung des Versicherungsvertrags fortbesteht. Das gilt erfahrungsgemäß besonders für Vorstandsmitglieder, die in absehbarer Zeit in den Ruhestand treten oder das Unternehmen verlassen und von diesem Zeitpunkt an keinen Einfluss mehr auf den Versicherungsschutz nehmen können. Andere wiederum werden von ihrer Gesellschaft in ein anderes Unternehmen – wie in den dortigen Aufsichtsrat – entsandt. Sie möchten sich sicher sein können, dass sie für ihre neuen Tätigkeiten weiterhin einen D&O-Versicherungsschutz genießen. Unternehmen mit Tochtergesellschaften oder Beteiligungen im Ausland benötigen für die Manager vor Ort ebenfalls einen Versicherungsschutz.
 

Die unterschiedlichen Interessen und der Versicherungsbedarf ist vielfältig. Letztlich bedarf es immer einer individuellen Analyse.

 

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