Mitarbeiterbeteiligung und betriebliche Altersversorgung: Keine Kannibalisierung trotz Niedrigzinsphase

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Interview mit Dr. Rolf Leuner

 

veröffentlicht am 28. Juni 2017

 


 

Herr Dr. Leuner, Sie leiten das Beratungsfeld Mitarbeiterbeteiligung (MAB), Long Term Incentives und betriebliche Altersversorgung (bAV) bei Rödl & Partner. Geben Sie uns bitte einen Überblick über Ihre tägliche Arbeit und die aktuellen Brennpunkte Ihrer Arbeit.

Qualifizierte Mitarbeiter – besonders Akademiker – und noch mehr Führungskräfte zu gewinnen,  halten, binden und v.a. zu motivieren, ist eine der Hauptaufgaben eines Unternehmens heute und insbesondere in der Zukunft. Das kann auf verschiedene Weise erfolgen. So ergänzt die betriebliche die private Alters­versorgung, wird arbeitgeberseitig oftmals erst nach längerer Betriebszugehörigkeit gewährt, fließt erst mit Renteneintritt zu und wird allenfalls bei der arbeitgeberseitigen Variante erfolgsabhängig dotiert; arbeit­nehmerfinanziert ist sie komplett unabhängig vom Unternehmenserfolg und schon gar nicht verlustbeteiligt.
 

Die MAB dagegen ist in ihrer Idealform eine rein unternehmerische Beteiligung – beteiligt an Chancen und Risiken, Gewinnen wie Verlusten des Gesamtunternehmens – und ist somit unternehmenserfolgsabhängig und oftmals, gerade bezogen auf die Teilnahmeberechtigung, leistungsorientiert.
 

Da die bAV der MAB im Arbeitslebenszyklus zeitlich nachfolgt sowie die MAB oftmals die Höhe der denk­baren Altersrente positiv katalysiert und im besten Fall exponentiell steigert, schließen sich die beiden Instrumente gerade nicht aus. Vielmehr ergänzen sie einander und können und sollten auch ineinander überführt werden – optimalerweise brutto für netto, sprich die Steuer und regelmäßig auch die Sozial­versicherungsbeiträge fallen erst bei der Auszahlung im Alter an, mit hoffentlich niedrigen Steuersätzen.
 

Aus dem Reiz der Brutto-für-Netto-Umwandlung, verbunden mit der unzweifelhaften Sinnhaftigkeit der beiden Human Ressource-Incentives und verknüpft mit den Problemen der Versicherungen, sich in der nun schon seit etlichen Jahren andauernden Niedrigzinsphase rentabel zu refinanzieren, ergeben sich die aktuellen Beratungsthemen.

 

Sie sprechen das Thema Niedrigzinsphase an. Ist da betriebliche Altersversorgung und Mitarbeiterbeteiligung überhaupt noch interessant? Was können Sie den Mandanten hier überhaupt noch raten?

Gerade die Mitarbeiterbeteiligung ist da interessant. Die Niedrigzinsphase führt selbstverständlich dazu, dass sich nichtunternehmerische Beteiligungen immer schlechter rentieren und  Versicherungen zunehmend schwerer auskömmliche Renditen erwirtschaften können. Auf die Unternehmen kommen parallel dazu gerade in der betrieblichen Altersversorgung stetig neue Bilanzierungsthemen zu und Unternehmen werden daher ihren Mitarbeitern nur noch (extern ausgelagerte) betriebliche Altersversorgungen anbieten, wenn arbeitsplatz- und damit arbeitgeberunabhängige Sicherheit an erster Stelle stehen soll und nicht die Rendite. Insofern drängt sich gerade dann auf, den Mitarbeitern eine attraktive Mitarbeiterbeteiligung am eigenen Unternehmen zu bieten und sie später dann, nach idealerweise exzellenter Performance, in eine betriebliche Altersversorgung umzuwandeln. Das gelingt trotz dürftiger Gesetzeslage bereits heute für börsennotierte wie mittelständische Unternehmen – und das durchaus brutto für netto.

 

Die Brutto für Netto-Umwandlung für Steuerpflichtige klingt wie ein Lockruf. Treibt sie den Markt um?

Ja, das ist richtig, bei uns Deutschen immer. Dennoch ist bei den Instrumenten – v.a. bei der MAB – immer zuallererst auf die wirtschaftliche Sinnhaftigkeit und auf die Passgenauigkeit zum Unternehmen und seinem Führungsstil zu achten. Erst dann sollte die Steuerseite für Unternehmen wie Mitarbeiter optimiert werden. Für Unternehmen wie Steuerbürger liegt das Hauptproblem in Deutschland insoweit v.a. darin, dass nahezu alle sinnhaften Gestaltungslösungen nicht im Gesetz stehen, sondern von versierten, seit Jahren am Markt aktiven Beratern entwickelt wurden und der Kreis an kundigen Beratern klein ist.

 

Das bedeutet, dass ein mündiger Mandant weder im Gesetz noch bei seinem „normalen” Steuerberater hier Hilfe finden kann, sondern nur beim Spezialisten? Und ist es bei der bAV nicht noch komplexer, weil sich dort die Produkte anbietenden Versicherungen in erster Linie für ihr Produkt aussprechen und die Versicherungsmakler kein Steuer-, Rechts- und Bilanzberatung bieten dürfen/können?

Die Gemengelage ist korrekt beschrieben, genau das ist das Thema und daher beobachten findige Unter­nehmen, mit wem sie in dem Markt kontrahieren. Umgekehrt deswegen auf bAV oder MAB zu verzichten, wäre ein fatales Signal für die Belegschaft und wird sich spätestens dann als Pyrrhussieg erweisen, wenn es darum geht, sicher auch in der Zukunft noch die immer heißer umworbenen Talente ins Unternehmen holen zu können und am Personalmarkt als attraktiver Arbeitgeber angesehen zu werden.

 

Hier kann selbstverständlich ein Unternehmen prima punkten, das entsprechend dem Arbeitslebenszyklus sinnstiftend MAB und bAV kombiniert, also beides anbietet und das am besten brutto für netto miteinander verzahnt.

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Dr. Rolf Leuner

Wirtschaftsprüfer, Steuerberater

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