Öffentlicher Sektor: Im Fokus des Fiskus

PrintMailRate-it

Interview mit Maik Gohlke

 

veröffentlicht am 28. Juni 2017

 

 

Herr Gohlke, Sie leiten das Beratungsfeld Öffentlicher Sektor bei Rödl & Partner. Geben Sie uns bitte einen Überblick über Ihre tägliche Arbeit und die aktuellen Hot Topics.

Die Besteuerung der öffentlichen Hand ist komplex und ist getragen vom Gedanken der Gleichbehandlung mit privaten Wirtschaftsteilnehmern. Sofern diese sich nicht in privatrechtlichen Formen betätigte, war sie nur Steuersubjekt mit ihren Betrieben gewerblicher Art. Den Besonderheiten der öffentlichen Verwaltung ist aber durch den Gesetzgeber selbst kaum Rechnung getragen. Unsere tägliche Arbeit ist daher geprägt durch die Beachtung und Anwendung der sich ständig ändernden Rechtsprechung und einer Vielzahl von Verwaltungsanweisungen. Hier muss man den Überblick behalten. Zentrale Fragen sind dabei die Vermei­dung von Kapitalertragsteuerbelastungen, der Umsatzbesteuerung und des optimalen Vorsteuerabzugs. Kaum eine steuerliche Gesetzesänderung hat die öffentliche Hand so bewegt wie die Einführung des § 2b UStG. Sie zwingt im Bereich der Umsatzsteuer zu einem Neudenken, da es auf den Betrieb gewerblicher Art nicht mehr ankommt. Wettbewerbsfragen rücken in den Vordergrund und der ist in der Praxis vielfach schwer zu greifen.

   

Sie sprechen das Thema § 2b UStG an. Geben Sie uns bitte einen kurzen Einblick, welche Fragestellungen typischerweise an Sie herangetragen werden und was Sie den Mandanten raten?

Der Gesetzgeber hat mit § 2b UStG einen Richtungswechsel eingeleitet. Die Vorschrift trifft alle juristischen Personen des öffentlichen Rechts. Herzstück sind die vielfältigen Kooperationen der öffentlichen Ver­waltungen, die bereits nach dem Koalitionsvertrag der Bundesregierung nicht mit zusätzlichen Steuern belastet werden sollten. Es kommt künftig auf Tätigkeiten, die gesetzlichen oder vertraglichen Grundlagen und die Frage des Wettbewerbes an. Durch die dezentralen Organisationen ist vielfach gar nicht bekannt, was alles und auf welcher Grundlage gemacht wird. Das herauszufinden ist oft eine Herkulesaufgabe, die ein strukturiertes Vorgehen erfordert. Hier kommen wir als Berater ins Spiel. Zwar hat das BMF zu Auslegungsfragen der neuen Vorschrift Stellung genommen, das Schreiben vom 16. Dezember 2016 ist aber für den Rechtsanwender in der öffentlichen Praxis nicht befriedigend. Viele Sachverhalte bedürfen einer steuerlichen Qualifizierung, bei der wir hinzugezogen werden. Etliche Urteile, die beim Erlass des Anwendungsschreibens noch nicht bekannt waren, bringen wir bei den Beurteilungen im Sinne unserer Mandanten ein. Nicht umsonst hat der Gesetzgeber eine Übergangsregelung bis zum 1. Januar 2021 geschaffen. Wir empfehlen ein internes Projekt, das sich nicht nur auf eine Bestandsaufnahme konzen­triert, sondern auch die Chance des optimalen Vorsteuerabzuges einbezieht. Wenn schon Steuern gezahlt werden sollen, dann bitte nicht mehr als nötig. Es darf aber nicht außer Acht gelassen werden, dass die neue Gesetzeslage auch dazu zwingt, interne Prozesse zu überdenken. Die Ämter oder Fachbereiche sollen nicht an „die kurze Leine” genommen werden. Ziel muss es aber sein, eine zutreffende und optimale Deklaration vorzunehmen. Ein mögliches Organisationsverschulden befreit nicht von der Steuerlast. Es kommen dann aber noch Fragen der Ordnungswidrigkeit oder der Steuerverkürzung hinzu, denen man sich besser nicht stellen sollte.

 

Sie sprechen von Organisationsverschulden. Damit ist nicht zu spassen.

Das ist vollkommend zutreffend. Aktuell werden Mandanten häufig bei dauerdefizitären Tätigkeiten durch Betriebsprüfer mit verdeckten Gewinnausschüttungen und Kapitalertragsteuerbelastungen konfrontiert. Fachkenntnis und gezielte Zuständigkeiten helfen auch hier Risiken zu vermeiden. Die Finanzverwaltung geht davon aus, dass, wenn der Steuerpflichtige ein funktionierendes steuerlich ausgerichtetes Internes Kontrollsystem hat, dies gegen einen Vorsatz oder eine Leichtfertigkeit sprechen kann. § 2b UStG zwingt die öffentliche Hand, sich verstärkt mit steuerlichen Sachverhalten auseinanderzusetzen. Man tut das nicht allein für den Fiskus. Es gilt „zwei Fliegen mit einer Klappe zu schlagen”. Zutreffende und optimale Steuerdeklaration ist das eine. Instrumente, die das Leben leichter machen, wie z.B. Vertragsmanagement, Datenbanken, zentrale Ansprechpartner in Steuerfragen sind nur einige andere Aspekte. Neben den steuerlichen Fragstellungen werden also auch interne Prozesse und Zuständigkeiten eine bisher nicht gekannte Änderung erfahren müssen. Im Sinne eines Tax Compliance Systems müssen die öffentliche Hand, Steuerfachleute und auch Wirtschaftsprüfer an einen Tisch, um hier optimale Lösungen zu erarbeiten. Hier hilft unser interdisziplinärer Ansatz weiter.

 

Das heisst, auch die öffentliche Hand wird stärker in den Fokus des Fiskus rücken?

Durch die Einbeziehung bei Fragen des Übergangs der Umsatzsteuerschuldnerschaft gehen steuerliche Pflichten der öffentlichen Hand bereits heute über den Betrieb gewerblicher Art hinaus. Mit der umsatz­steuerlichen Neuregelung wird sich das verstärken. Bereits heute ermitteln Betriebsprüfer Grundlagen des Tätigwerdens der öffentlichen Hand, um so ab 2021 auf einen Fundus an Sachverhalten und Beurteilungen zurückgreifen zu können. Vielfach ist auch zu hören, dass der Gesetzgeber mit der Neureglung die öffentliche Hand über Gebühr begünstigt. Hinzu kommt, dass die Rechtsprechung des EuGH aber auch der nationalen Gerichte der Verwaltung „das Heft des Handelns” aus der Hand nimmt. Tendenziell wird aber gegen die öffentliche Hand entschieden, sodass es nicht einfacher wird und Fachkenntnis unabdingbar ist.

Kontakt

Contact Person Picture

Maik Gohlke

Steuerberater, Diplom-Finanzwirt

Partner

+49 221 9499 094 50

Anfrage senden

Profil

Publikation

Befehle des Menübands überspringen
Zum Hauptinhalt wechseln
Deutschland Weltweit Search Menu