Mexiko zwischen Existenzangst und Stolz

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​veröffentlicht am 7. Februar 2017
 
„Ich werde einen Zaun bauen. Wir werden ihn dicht machen und sagen: Hör zu, José, du kommst hier nicht rein!” Nein, nicht Donald Trump wurde hier zitiert, sondern Pat Buchanan, ehemaliger Kommunikationsdirektor des Weißes Hauses unter Ronald Reagan, als er sich vor mehr als 20 Jahren als republikanischer Präsidentschaftskandidat bewarb und den mexikanischen Gastarbeiter, mit typischem Vornamen „José”, bezichtigte, nur Unheil in die USA zu bringen.       
   

Der demokratische Präsident Bill Clinton begann bereits 1993 mit dem Ausbau der Grenzanlage zwischen Texas und Mexiko und beruhigte damit nach seiner Wahl republikanische Kritiker. Neu sind die Differenzen zwischen Mexiko und USA also keineswegs. Nach der Weltwirtschaftskrise im Jahr 1929 wurden Mexikaner für den Arbeitsplatzmangel verantwortlich gemacht. Anfangs wurden vor Restaurants Schilder mit der Aufschrift „No Dogs or Mexicans” aufgestellt, danach wurden über 1 Million Mexikaner über die Grenze verfrachtet. Nach dem Zweiten Weltkrieg holte die USA wieder bis zu 5 Millionen männliche Gastarbeiter aus Mexiko ins Land: im Jahr 1954 startete die „Operation Wetback” mit der Ausweisung von über 1 Million Mexikanern. 
 

Mexiko liefert billige Arbeit, Auftraggeber sind Amerikaner. Der Konsummarkt in USA will beliefert werden, aber auch der mexikanische Wohlstand wächst und verlangt nach begehrten amerikanischen Produkten. Beide Länder brauchen sich wirtschaftlich. Mexiko wird dabei aber immer der ungeliebte Nachbar bleiben, der für Drogen, Kriminalität und Arbeitslosigkeit verantwortlich gemacht wird.
 

Freihandelsabkommen „NAFTA”

Seit 1994 besteht das wichtige Nordamerikanische Freihandelsabkommen „NAFTA” zwischen den Ländern Kanada, USA und Mexiko, das im Wesentlichen den Abbau von Zöllen regelt, daneben Bestimmungen zur Produkt- und Lebensmittelsicherheit, zum Investitionsschutz, Patentschutz sowie Investitionsschiedsverfahren vorsieht. Mexiko ist nach Kanada und noch vor China der zweitwichtigste Importeur von US-Produkten mit einem Volumen von 214 Milliarden Euro jährlich. In den USA sind 6 Millionen Beschäftigte abhängig vom Handel mit Mexiko. Da in den Südstaaten der USA landwirtschaftliche Produkte bis unter den Marktwert subventioniert werden, bezieht Mexiko Schweinefleisch, gelben Mais und Fruktose aus den USA und unterlässt die Eigenproduktion. Mexiko erkannte seine wirtschaftliche Chance, schloss mit mehr als 40 Ländern Freihandelsabkommen und zeigt sich in seiner Politik noch immer investitionsfreundlich. Mexiko ist die Werkbank der Vereinigten Staaten von Amerika und kennt besondere steuerliche Modelle für die beliebte Lohnveredelung. 80 Prozent aller mexikanischen Exporte gehen in die USA, darunter sind vor allem landwirtschaftliche Produkte, Autos, Elektrogeräte aber auch Rohöl. Mexiko hat sich selbst zum Ziel gesetzt, den fünften Rang der autoherstellenden Länder zu erreichen und ist derzeit auf dem besten Weg dazu. Sämtliche Autohersteller und dazu die Zulieferindustrie haben sich bereits in Mexiko niedergelassen und beliefern insbesondere den nordamerikanischen Markt. Volkswagen produziert bereits seit Mitte der 60-er Jahre in Puebla.
     

Den Weltmarkt im Blick

Vor wenigen Monaten hat Audi die Produktion des neuen Q5 nahe Puebla in seinem modernsten Werk aufgenommen, beliefert jedoch nicht nur den nordamerikanischen Markt, sondern produziert für den gesamten Weltmarkt. BMW beginnt den Bau seines Werkes in San Luis Potosí und plant ab 2019 die Produktion des 3er. Auch amerikanische Hersteller verlagerten die Produktion nach Mexiko, um Lohnkosten zu senken. Dodge produziert den Typ Journey in Toluca, Ford in Hermosillo und General Motors in Silao, San Luis Potosí und Ramos Arizpe, um nur wenige Beispiele zu nennen.
  

Im Januar 2017 kam Donald Trump an die Macht und versprach: „I'll be the greatest jobs president God ever created". Seine Pläne zum Mauerbau und zur Ausweisung illegaler Mexikaner sind nicht neu, jedoch die Kündigung oder Neuverhandlung des NAFTA-Abkommens. Das Handelsdefizit der USA mit Mexiko betrug zuletzt 58 Milliarden und gibt Donald Trump Grund genug, das NAFTA-Abkommen als „U.S. job killer" anzusehen. Tatsächlich ist es dem Präsidenten nach NAFTA Artikel 2205 möglich, mit 6-monatiger Kündigungsfrist aus der Vereinbarung zu treten, hingegen benötigt er für die Neuvereinbarung des Abkommens die Zustimmung des US-Kongresses sowie die Zustimmung aus Mexiko und Kanada. Tritt jedoch USA aus der NAFTA-Vereinbarung, gelten weiterhin die Regelungen aus den WTO-Verträgen, wonach Trump bis zu 3,5 Prozent Importzoll verlangen könnte. Würde Trump nun einen Importzoll von 35 Prozent, wie zuerst angedroht, oder 20 Prozent, wie zuletzt verkündet, auf mexikanische Produkte verlangen, hätte Mexiko das Recht, eine Beschwerde bei der WTO einzureichen, so wie die USA jüngst auch bereits Beschwerde gegen China, Indonesien und Kanada erhoben hatte. Die WTO würde ein Schiedsverfahren beginnen und möglicherweise die USA zur Rücknahme oder Reduzierung der Zölle ermahnen. Würden sich die USA davon unbeeindruckt zeigen, dürfte sich Mexiko nach den Regeln der WTO-Verträge mit Strafzöllen auf Importe aus den USA wehren, ohne dabei selbst Vertragsverletzung zu begehen.
    

Lose-Lose-Situation

Ein Handelskrieg würde freilich keinem Land helfen. Mexiko ist absolut abhängig von dem starken Nachbarn USA und bewegt sich derzeit zwischen Existenzangst und Stolz. Nicht nur die mexikanischen Arbeitnehmer und zahlreich angesiedelte Unternehmen in der Exportbranche fürchten eine Aufkündigung der NAFTA-Vereinbarung, auch der amerikanische Verbraucher wird erkennen, dass eine Zollerhebung sich zuerst und unmittelbar auf die Produktpreise niederschlägt. Werden tatsächlich wieder Millionen Mexikaner in ihr Heimatland zurück geschickt, bleiben wertvolle Geldströme aus den USA an die mexikanischen Familien aus und die Zahl der Arbeitssuchenden in Mexiko steigt. Letztgenanntes weckt aber auch Hoffnung bei einigen Betrieben, die bereits jetzt über mangelndes qualifiziertes Personal klagen. Vor allem in Regionen, in denen sich Automobilhersteller und Zulieferer ansiedeln, beispielsweise in San Luis Potosí, buhlen die Betriebe im gleichen Topf um qualifizierte und motivierte Fachkräfte, fürchten aber gleichzeitig um Bewerbungen von Mitarbeitern des eigenen Kunden.
 

Vorsicht: Heiß!

Zur Vereidigung des 45. Präsidenten der USA war sich Mexiko noch sicher, dass die Suppe nicht so heiß gegessen wird, wie sie gekocht wird. Aktuell fürchtet Mexiko, die Suppe wird noch heißer gegessen. Während einige Produktionsunternehmen sich mit 4- bis 5-jährigen Lieferverträgen selbst beruhigen, prüfen andere Unternehmen einen Wechsel der strategischen Ausrichtung nach dem Vorbild Audi – warum nur für den nordamerikanischen Markt produzieren und nicht für die ganze Welt? Mexiko hat die meisten Freihandelsabkommen der Welt unterzeichnet und baut seine internationalen Beziehungen noch weiter aus, in dem es nun Gespräche mit der Türkei aufnimmt. Die Unternehmerschaft sieht weiterhin Potenzial in Mexiko, bleibt aber im Moment bei Expansionsplänen noch abwartend.

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