Betriebsvorrichtungen und Bauleistungen: Umsatzsteuer und Immobilien

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Das Steueränderungsgesetz 2015 erweiterte in § 13b Abs. 2 Nr. 4 UStG das Reverse Charge-Verfahren und damit Fälle der Steuerschuld des Leistungs­empfängers, hier für Lieferungen von und Leistungen an Betriebs­vor­­rich­tungen. Nach § 13b Abs. 2 Nr. 4 Satz 2 UStG gelten als Grundstücke dem Wortlaut nach auch Sachen, Ausstattungs­gegenstände und Maschinen, die auf Dauer in einem Gebäude oder Bauwerk installiert sind und die nicht bewegt werden können, ohne das Gebäude oder Bauwerk zu zerstören oder zu verändern.
 

Betriebsvorrichtungen in der Umsatzsteuer

Die Einordnung der Betriebsvorrichtung in der Umsatzsteuer wurde so legislativ geregelt. Lieferungen von und Leistungen an Betriebsvorrichtungen führen zur Anwendung des Reverse Charge-Verfahrens. Damit wird Klarheit in widersprechende Aussagen von Gerichtsbarkeit und Finanzverwaltung gebracht. Der Bundesfinanzhof hatte in seinem Urteil vom 28. August 2014 (Az. V R 7/14) zur Steuer­schuld­nerschaft des Leistungsempfängers bei sog. Bauleistungen mit Rückgriff auf das im deutschen Zivil- und Bewertungsrecht vorherrschenden Verständnis entschieden. Betriebsvorrichtungen sollen danach keine Bauwerke sein. Beim Einbau von Betriebsvorrichtungen an einen Bauleister ist folglich keine Nettofakturierung an ihn vorzunehmen, sondern eine Fakturierung mit gesondertem Umsatzsteuerausweis bei in Deutschland steuerbarem und steuerpflichtigem Umsatz. Die Umsatzsteuer hätte der Leistende zu schulden und abzuführen. Die Finanzverwaltung hielt das Urteil des BFH mit Nichtanwendungserlass (BMF-Schreiben vom 28. Juli 2015) über den entschiedenen Einzelfall hinaus aber nicht für anwendbar und stützte sich auf die unionsrechtliche Auslegung der Betriebsvorrichtung.
 
Zwischenzeitlich hat die deutsche Finanzverwaltung ihre Auffassung zur Begriffsabgrenzung einer „Betriebsvorrichtung“ in aktuellem BMF-Schreiben vom 10.8.2016 konkretisiert; die diesbezüglichen Anpassungen wurden bereits im Umsatzsteuer-Anwendungserlass an der Stelle sog. grundstücksbezogener Leistungen in Abschn. 3a.3 Abs. 2 Satz 3 UStAE und sog. Bauleistungen in Abschn. 13b.1 UStAE übernommen. Als Grundstücke gelten danach insbesondere Sachen, Ausstattungsgegenstände und Maschinen, die auf Dauer in einem Gebäude oder Bauwerk installiert sind und die nicht bewegt werden können, ohne das Gebäude oder Bauwerk zu zerstören oder erheblich zu verändern. Ergänzt wurde das Wort „erheblich“. Bereits mit BMF-Schreiben vom 28.7.2015 hat die Finanzverwaltung eine Begriffsdefinition nach den unionsrechtlichen Vorgaben des Art. 13b Buchstabe d MwStVO vorgenommen; danach gelten Betriebsvorrichtungen nur dann nicht als Grundstück, wenn sie nicht auf Dauer installiert sind oder bewegt werden können, ohne das Gebäude oder das Bauwerk zu zerstören oder zu verändern. Inwieweit also das von der Finanzverwaltung ergänzte Wort „erheblich“ nur der Klarstellung dient oder zur weiteren Diskussion führen kann, bleibt zu bedenken.

Betriebsvorrichtung als Grundstück nach unionsrechtlicher Auslegung?

Die Mehrwertsteuersystemrichtlinie enthält keine Definition für den Begriff Grundstück. Allein die „Bauleistung” wird in Art. 199 MwStSystRL (§ 13b Abs. 2 Nr. 4 UStG) definiert. Ab dem 1. Januar 2017 definieren dann
Art. 13b sowie Art. 31a MwStVO (Mehrwertsteuer-Durch­führungs­verordnung 282/2011) den Grundstücksbegriff.
Betriebsvorrichtungen gelten danach nur dann nicht als Grundstück, wenn sie nicht auf Dauer installiert sind oder bewegt werden können, ohne das Gebäude oder das Bauwerk zu zerstören oder zu verändern. Als „Grundstück” gilt:
  • ein bestimmter über- oder unterirdischer Teil der Erdoberfläche, an dem Eigentum und Besitz begründet werden kann;
  • jedes mit oder in dem Boden über oder unter dem Meeresspiegel befestigte Gebäude oder jedes derartige Bauwerk, das nicht leicht abgebaut oder bewegt werden kann;
  • jede Sache, die einen wesentlichen Bestandteil eines Gebäudes oder eines Bauwerks bildet, ohne die das Gebäude oder das Bauwerk unvollständig ist, wie z.B. Türen, Fenster, Dächer, Treppenhäuser und Aufzüge;
  • Sachen, Ausstattungsgegenstände oder Maschinen, die auf Dauer in einem Gebäude oder einem Bauwerk installiert sind, und die nicht bewegt werden können, ohne das Gebäude oder das Bauwerk zu zerstören oder zu verändern.

Die Gesetzesänderung  in § 13b Abs. 2 Nr. 4 UStG  berücksichtigt bereits die demnächst unmittelbar wirkenden Vorgaben der EU-Verordnung. Allerdings ist unionsrechtlich das Wort „erheblich“ nicht vorgesehen, so dass es in der Praxis – wie oben erwähnt – nach wie vor bei bestimmten Gegenständen Abgrenzungsschwierigkeiten oder Diskussionsspielraum, inwieweit Gegenstände „bewegt“ werden können, geben kann. Für die Definition der „Bauleistung“ wird jedenfalls nicht nur auf den Bauwerks-, sondern auf den Grundstücksbegriff abgestellt. Die Veränderung auf ein Bauwerk ist dann unerheblich, wenn die betreffenden Sachen „einfach an der Wand hängen und wenn sie mit Nägeln oder Schrauben so am Boden oder an der Wand befestigt sind, dass nach ihrer Entfernung lediglich Spuren oder Markierungen zurück bleiben (z.B. Dübellöcher), die leicht überdeckt oder ausgebessert werden können.“

Hinweise für die Praxis

Eine Vielzahl von Betriebsvorrichtungen sind nun als „Bestandteile eines Grundstücks” zu qualifizieren. Das wird zu einem Umdenken hin zu einer unionsrechtlich einheitlich und auto­nomen Auslegung der Begrifflichkeiten „Bauwerk” und „Betriebsvorrichtung” führen. Eine Hilfestellung bei der Auslegung der Begrifflichkeiten kann auch der am 26. Oktober 2015 veröffentlichte Leitfaden der Europäischen Kommission zu grundstücksbezogenen Leistungen bieten, wobei man die oben erwähnte Auffassung der deutschen Finanzverwaltung mit beachten sollte. 
 
Für eine eingebaute Anlage ist damit grundsätzlich nicht zu fragen – wie dies der BFH vornahm –, ob diese eigenständigen Zwecken dient und mithin als Betriebsvorrichtung zu beurteilen ist oder ob die Anlage (z.B. Klima-, Kälte- oder Belüftungsanlage) für Konstruktion, Bestand, Erhaltung oder Benutzbarkeit des Bauwerks von wesentlicher Bedeutung ist und daher als Bauleistung qualifiziere.
 
Es ist zu beachten, dass die Regelungen des BMF-Schreibens vom 10.8.2016 auf Umsätze anzuwenden sind, die nach dem 5.11.2015 ausgeführt werden, so dass weitere Anwendungsregelungen zur Abgrenzung von Umsätzen vor dem 6.11.2015 und nach dem 5.11.2015 und deren Abrechnung mit Schlussrechnung bzw. Berichtigungen von Anzahlungsrechnungen zu beachten sind.

Für eine ordnungsgemäße Rechnungsstellung und zur Vermeidung etwaiger Umsatz­steuer­nachzahlungen und/oder Vorsteuerabzugsrisiken auf Seiten der Vertragsparteien und damit etwaiger Diskussionen um den vereinbarten Preis (als Netto- oder Bruttopreis) sollte sehr sorgfältig und im Rahmen der Auftragserteilung die Qualifikation einer Betriebsvorrichtung als solche umsatzsteuerlich beurteilt werden. Zudem ist jeweils unbedingt der Status des Leistungsempfängers als Bauleister (Indiz z.B. die Vorlage einer vom Finanzamt erteilten Bescheinigung, USt 1 TG) zu klären.
 
Zu beachten ist auch die engere unionsrechtliche Definition (mit Wirkung zum 1.1.2017) sog. unmittelbar mit einem Grundstück zusammenhängender sonstiger Leistungen, wonach z.B. bereits Bauaufsichtsleistungen (Supervision) dort steuerbar sind, wo das Grundstück liegt. Insgesamt werden in diesem Bereich dann schneller Umsätze vorliegen, die von der umsatzsteuerlichen Wirkung und dem wirtschaftlichen Ergebnis her am „Ort des Verbrauchs/Grundstücks“ erfasst werden. 
zuletzt aktualisiert am 02.11.2016

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