Umfassende Ausweitung der unternehmerischen Mitbestimmung beantragt

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veröffentlicht am 13. Juni 2017

 

​Am 8. November 2016 stellten Abgeordnete der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen einen Antrag gegenüber der Bundesregierung mit zahlreichen Anregungen und Forderungen zur Ausweitung der nationalen Unternehmensmitbestimmung (BT-Drucks. 18/10253, S. 3). Ziel sei insbesondere momentan bestehende Lücken im Mitbestimmungsrecht zu schließen und Umgehungsmöglichkeiten zu verhindern. Am 29. Mai 2017 fand nun eine öffentliche Anhörung des Ausschusses für Arbeit und Soziales statt, in dem sich Gewerkschaftsvertreter und Vertreter von Arbeitgeberverbänden kontrovers zu dem geplanten Vorhaben geäußert haben.

 

 

Im Einzelnen werden folgende Forderungen gestellt, die auch von Seiten des DGB sowie der gewerkschaftsnahen Hans-Böckler-Stiftung unterstützt werden.

 

 

Ausdehnung der Mitbestimmung auf Stiftungen mit Geschäftsbetrieb

Stiftungen mit Geschäftsbetrieb sollen künftig in den Geltungsbereich der Unternehmensmitbestimmung miteinbezogen werden, sofern sie die entsprechende Beschäftigtenzahl aufweisen. Damit soll Unternehmen der Weg zu einer etwaigen Umgehung der Mitbestimmung versperrt werden, indem sie die Rechtsform der Stiftung wählen.

 

Konzernzusammenrechnung der Arbeitnehmerzahl auch im Drittelbeteiligungsgesetz

Die Regelung zur Konzernzurechnung, welche bereits im Mitbestimmungsgesetz verankert ist, bewirkt, dass Beschäftigte der einzelnen Unternehmen der Konzernmuttergesellschaft als größter Einheit zugerechnet werden können. Diese Regelung soll nun auch in das Drittelbeteiligungsgesetz übernommen werden. Das würde vor allem mittelständische Betriebe mit einer Personalstärke von ca. 500 Arbeitnehmern betreffen.

  

Einbeziehung ausländischer Kapitalgesellschaften in die Mitbestimmung

Darüber hinaus sollen ausländische Unternehmen oder Kombinationen zwischen nationalen und ausländischen Unternehmen mit Verwaltungssitz in Deutschland künftig in die Unternehmensmitbestimmung nach dem Drittelbeteiligungsgesetz und in das Mitbestimmungsgesetz miteinbezogen werden. Das betrifft z.B. die Limited & Co. KG. Andernfalls würden nach Angaben der Antragssteller gegenwärtig 94 Unternehmen mit mehr als je 500 Beschäftigten nicht unter eine unternehmerische Mitbestimmung fallen. Eine derartige Ungleichbehandlung sei aber nicht gerechtfertigt und müsse gesetzlich verhindert werden.

 

Lückenlose Einbeziehung von Kapitalgesellschaften & Co. KG in die Mitbestimmung

In Zukunft sollen, wenn es nach den Antragsstellern geht, auch sämtliche Kombinationen aus Kapital- und Kommanditgesellschaften in die Unternehmensmitbestimmung miteinbezogen werden. Künftig soll es Unternehmen daher nicht mehr möglich sein, sich einer Unternehmensmitbestimmung durch Einsetzung einer Kapitalgesellschaft (z.B. einer Stiftung) als Komplementär zu entziehen.

 

Bußgeld bei pflichtwidriger Nichterrichtung eines mitbestimmten Aufsichtsrats

Sollten sich Unternehmen in Zukunft nicht an das Mitbestimmungs- oder Drittelbeteiligungsgesetz halten, so sollen Sanktionen verhängt werden können. Damit sollen Betriebsräte nicht mehr darauf beschränkt sein, die unternehmerische Mitbestimmung durch ein Statusfeststellungsverfahren durchzusetzen. Dass das – so die Auffassung der Antragsteller - bislang nicht erfolgversprechend war, zeigt der Umstand, dass über die Hälfte aller GmbHs mit entsprechenden Schwellenwerten keinen drittelbeteiligten Aufsichtsrat haben.

Beseitigung der Möglichkeit eines „Einfrierens“ der Mitbestimmung bei der SE

Weiterhin soll das SE-Beteiligungsgesetz dahingehend abgeändert werden, dass ein „Einfrieren” der Mitbestimmung in Zukunft nicht mehr möglich sein soll. Aktuell sieht die Rechtslage nämlich vor, dass im Rahmen der Umwandlung einer deutschen Gesellschaft in eine Europäische Gesellschaft der Umfang der Unternehmensmitbestimmung, namentlich die Sitzverteilung der Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer, neu verhandelt werden kann. Sofern aber keine Einigung erzielt wird, verbleibt es bei den bisherigen Verhältnissen. Dies kann Unternehmen dazu bewegen, sich in einem noch mitbestimmungsfreien Zustand in eine SE umzuwandeln, womit ein zustimmungsfreier Zustand auf Dauer beibehalten werden kann. Daher bedürfe nach Auffassung der Antragsteller einer gesetzlichen Klarstellung, dass die Mitgliederzahl im Aufsichtsrat und die Sitzverteilung neu angepasst wird, sobald die Beschäftigtenzahl die entsprechenden Schwellenwerte übersteigt.


Europaweite Harmonisierung der Unternehmens-mitbestimmung

Nicht zuletzt wird gewünscht, dass die Bundesregierung sich für eine Richtlinie zu allgemeinen Standards zur Unternehmensmitbestimmung für europäische Gesellschaften einsetzt. Hierdurch soll die Unternehmensmitbestimmung auch in europäischen Gesellschaften geschützt werden. Eine europäische Rahmenrichtlinie zu Mindeststandards der Mitbestimmung sei ein wichtiges Ziel, um die Entstehung neuer Lücken in europäischen Rechtsakten zu vermeiden.


Senkung des Schwellenwertes von 2000 auf 1000 Arbeitnehmer

Nicht zuletzt streben die Antragsteller eine Absenkung der Schwellenwerte für eine paritätische Mitbestimmung von momentan 2.000 auf 1.000 Beschäftigte an. Das würde offensichtlich zu einer erheblichen Zunahme der paritätischen Mitbestimmung führen.


Fazit

Ob es wirklich zu einer Ausweitung der unternehmerischen Mitbestimmung national als auch auf europäischer Ebene kommt, bleibt abzuwarten. Entscheidend wird dies von den politischen Machtverhältnissen nach der Bundestagswahl 2017 abhängen. Mit Blick auf die zahlreich in dieser Legislaturperiode umgesetzten Vorhaben im Arbeitsrecht, erscheint aber eine Ausweitung der unternehmerischen Mitbestimmung in der nächsten Legislaturperiode durchaus wahrscheinlich. Wenn man bedenkt, dass Gesetzesvorhaben in der Regel in 6-9 Monaten umgesetzt werden, eine umfangreiche Restrukturierungsmaßnahme mindestens 12-18 Monate in Anspruch nimmt, sollten entsprechende Überlegungen bereits jetzt begonnen werden. In Betracht kommen verschiedene Maßnahmen wie die Errichtung eines Gleichordnungskonzerns oder die Verlagerung von Unternehmenswachstum ins Ausland. Ebenso erscheint die SE weiterhin eine gute Alternative zu sein, da es gegenwärtig auf europäischer Ebene keine erkennbaren Bestrebungen zu einer Änderung der Mitbestimmung bei der Europäischen Aktiengesellschaft gibt und die Mühlen auf europäischer Ebene bekanntlich langsam mahlen.

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