Chancen und Risiken für Automobilzulieferer

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zuletzt aktualisiert am 29. November 2017


Wie nie zuvor häufen sich derzeit die Meldungen über die neuesten technischen Errungenschaften der Automobilindustrie. Nahezu allgegenwärtig sind Berichte über autonomes Fahren, Elektro­mo­bi­lität oder den Einsatz neuer Materialien wie Carbon, Aluminium oder Magnesium zur Gewichts­redu­zierung und zur Kraftstoffersparnis sowie über den vermeintlichen „Angriff aus der IT-Branche” durch Entwicklungen wie Wireless Charging und vernetztes Fahren gefolgt von Gerüchten um das möglicherweise kommende „Apple Car”. Dabei lagern die OEMs die Entwicklungsarbeit zunehmend aus. Immer mehr Erfindungen stammen nicht mehr aus ihrer Feder, sondern von ihren Zulieferern. V.a. der Mittelstand zeichnet sich durch hohe Innovationskraft aus.

 

 
Der rasante technische Fortschritt geht jedoch einher mit einer Verkürzung der Modellzyklen und mit stetig wachsenden Anforderungen an die Zulieferbetriebe. Kaum eine Branche ist so geprägt von Innovations- und Preisdruck wie die Automobilzulieferbranche. Chancen und Risiken liegen somit eng beieinander. Die vielzitierte Globalisierung erfordert hier oft radikales Umdenken hinsichtlich der eigenen Unternehmens­strategie. Stetig neue Herausforderungen erfordern somit höchste Wachsamkeit der Automobilzulieferer.
 

Neue Herausforderungen der Branche

So setzen die OEM statt auf Einzelteile vermehrt auf global einsetzbare modulare Baukastensysteme in höchster Qualität („Null-Fehler-Produktion”). Die „Gleichteilestrategie” verlangt von Zulieferern zum einen die Produktion von immer höheren Stückzahlen, die möglicherweise nur durch eine Erweiterung von personellen und materiellen Ressourcen gestemmt werden kann, zum anderen führt sie zu einer enormen Haftungsausdehnung, da regelmäßig gefordert wird, dass die gelieferten Modulbaukästen alle rechtlichen Vorschriften einhalten, die in dem Land gelten, in dem das Fahrzeug, in das sie verbaut werden, später einmal fahren wird. Hinzu kommen entpersonalisierte Vergabeverfahren und aggressive Einkaufspolitiken der OEMs. Mit steigendem Kostendruck durch Forderungen nach „pay-to-play”-Zahlungen oder „quick-savings”, Vorleistungen und Folgerabatten sowie „open book accounting” zwingen die OEMs die Zulieferer zur Offenlegung ihrer Kalkulation bis ins Detail und nehmen immer mehr Einfluss auf deren interne Kostenstrukturen. Hält ein Zulieferer dem Druck nicht stand, wird er durch einen anderen ausgetauscht.
 

Mehrlieferantenstrategie erhöht den Druck

Gegen Ausfälle eines Zulieferers sichern sich die OEMs regelmäßig bereits zu Beginn der Entwicklungsphase ausreichend ab, indem sie sich umfassende Rechte an den Entwicklungsergebnissen übertragen lassen. Zur Ermöglichung einer Mehrlieferantenstrategie umfasst das i.d.R. auch das Recht, Know-How des Zulieferers, das in das Entwicklungsergebnis eingeflossen ist, zum Zwecke der Serienproduktion kostenfrei zu nutzen – und zwar nicht nur selbst, sondern auch „durch Dritte”, sprich durch einen anderen Zulieferer. Insgesamt spitzt sich daher das Machtgefälle in der Lieferkette immer mehr zu und gerade kleine und mittelständische Zuliefer­betriebe sind mit den steigenden Anforderungen zunehmend überfordert.
 

Preis-, Vertrags- und Schutzrechtsmanagement gewinnt an Bedeutung

Vor diesem Hintergrund wird ein aktives Preis-, Vertrags- und Schutzrechtsmanagement für Zulieferer immer wichtiger. Bis Fahrzeugkomponenten in Serien gehen, durchlaufen die OEMs und die nachfolgenden Tiers oft langwierige Evaluierungs- und Entwicklungsprozesse, basierend auf teils komplexen Vertrags­werken aus LOIs und Geheimhaltungsvereinbarungen, Entwicklungs-, Serienlieferungs- und Rahmenver­trägen flankiert von Lastenheften, Allgemeinen Einkaufsbedingungen, Special Terms und Warranty Agreements. Dabei haben die Erfahrungen in der Vergangenheit gezeigt, dass Zulieferer trotz der harten Gepflogenheiten der Branche nicht immer machtlos vor der Entscheidung „friss oder stirb” stehen, sondern vermeintlich „vordiktierte” Vertrags­inhalte der OEMs durchaus verhandelbar sind. Zulieferer sollten daher stets austesten, wo und inwieweit im Einzelfall Verhandlungsspielräume bestehen, um auch ihre Interessen so weit wie möglich abgesichert zu wissen.
 

Gefährliches „Sandwich”

Aber Ungemach droht nicht immer nur von Seiten der OEMs. Gerade als prominenter Teil der Lieferkette tritt neben den Druck von oben auch ein spürbarer Druck von unten, sprich von den eigenen Zuliefer­unternehmen. Die Bestrebung eines jeden Zulieferers, den Druck der OEMs durch entsprechende Ver­tragsgestaltung unmittelbar auf die nachgelagerten eigenen Zulieferer durchzuleiten, ist vielfach ein probates Mittel. Gleichwohl erfordert das sowohl Verhandlungsgeschick als auch Fingerspitzengefühl, gerade im Umgang mit eigenen „systemrelevanten” Unterlieferanten. Die spezifischen Risiken der typischen „Sandwichposition” eines Automobilzulieferers sind somit sorgfältig zu analysieren und herauszudestillieren.
 

Fazit

Damit die oben aufgezeigten Risiken für die Zulieferer kalkulierbar und somit zu echten Chancen werden, ist es zwingend, dass Zulieferer in jedem Projekt von Anfang an rechtlich und strategisch gut beraten sind. Denn gerade dann, wenn der OEM trotz erfolgreicher Entwicklungsarbeit – warum auch immer – einen anderen Zulieferer für die Serienproduktion nominiert, zeigt sich, ob der Zulieferer im Vorfeld gut ver­handelt hat oder ob ihn u.a. etwaige Wettbewerbsverbote daran hindern, seine Technologie und/oder entsprechende Weiter­entwicklungen anderweitig zu vermarkten und somit möglicherweise den Fortbestand seines Unternehmens gefährden. Eine engagierte Beratung und eine maßgeschneiderte Risikominimierungsstrategie sind daher nicht zu unterschätzende Erfolgsfaktoren in einer so hart umkämpften Branche wie der Automobilzulieferindustrie.    

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