Präferenzbehandlung als Vertriebsunterstützung

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zuletzt aktualisiert am 15. Januar 2020 | Lesedauer ca. 3 Minuten


Dem Thema Präferenzen wird in Unternehmen häufig nicht ausreichend Aufmerksam­keit gewidmet. In der Konsequenz werden Dokumente ohne Prüfung ausgestellt oder mögliche Zollvorteile nicht ausgeschöpft. Zwischenstaatliche Präferenzabkommen können für den Vertrieb jedoch ein entscheidendes Verkaufskriterium darstellen. Wird die komplexe Rechtsmaterie Warenursprungs- und Präferenzrecht strukturiert und prozessorientiert im Unternehmen eingeführt bzw. evaluiert, kann daraus ein echter Wettbewerbsvorteil entstehen.


Auch wenn das geplante Freihandelsabkommen „TTIP” der EU mit den USA momentan auf Eis gelegt ist, wird dennoch das Thema „Abschlüsse von neuen Freihandelsabkommen” seitens der EU großgeschrieben. Aktuell wird viel über das Freihandelsabkommen mit Japan und Singapur und das künftige Abkommen mit Vietnam diskutiert.

Am 21. September 2017 ist CETA (Freihandelsabkommen EU- Kanada) vorläufig in Kraft getreten. Die vorläufige Anwendung gilt nur für diejenigen Bereiche, die unstreitig in der Zuständigkeit der EU liegen. Damit es vollständig in Kraft treten kann, muss es von den Parlamenten aller 28 EU-Mitgliedstaaten ratifiziert werden.

Seit dem 21. November 2019 wird das Freihandelsabkommen (Handelsteil) mit Singapur vorläufig angewendet.

Solche Abkommen können für Exporteure von großem Nutzen sein und den erfolgreichen Vertrieb von Produkten entscheidend beeinflussen.

Um die Wettbewerbsfähigkeit zu stärken, werden i.d.R. Verbesserungsmaßnahmen in den direkt wertschöpfen­den Bereichen wie der Produktion oder der Konstruktion implementiert. Auch die Vertriebseinheiten und -organisationen in Unternehmen unterliegen Optimierungsmaßnahmen mit dem Ziel der Umsatz- und Effizienzsteigerung. In der Praxis ist dabei vielfach zu beobachten, dass solche Verbesserungsmaßnahmen bspw. die Änderung der Organisationsform oder die Einführung von gesteuerten Controlling-Instrumenten zur Folge haben.

Großes Optimierungspotenzial bietet jedoch häufig auch eine gezielte Analyse der Zielmärkte und Kunden auf Länderebene. Das ist eine Richtung, die in den Unternehmen leider noch vernachlässigt wird. Bei der WTO sind inzwischen fast 600 regionale Freihandelsabkommen notifiziert, davon mehr als 350 aktuell in Kraft getretene bilaterale und multilaterale Freihandelsabkommen. Solche beinhalten je nach Ausgestaltung unterschiedliche Erleichterungen, bspw. den Abbau nichttarifärer Handelshemmnisse und die Reduzierung von Zöllen.
 
Eine Inanspruchnahme der sog. Zollpräferenzen, d.h. einem gegenüber dem normalen Drittlandszollsatz reduzierten Zollsatz, kann die Absatzmöglichkeiten der eigenen Produkte maßgeblich bestimmen. Zollsätze beeinflussen beim Import die Preiskalkulation ausschlaggebend und auch beim Exportpreis müssen mögliche Zölle im Drittland einkalkuliert werden. Daher macht es einen essenziellen Unterschied, ob der potenzielle Kunde beim Import des Produkts 10 Prozent Zoll oder keine Zölle bezahlen muss.

Die Möglichkeit der Nutzung einer Zollpräferenz ist abhängig vom jeweiligen Ursprungsland des Produkts. Nur Waren mit Ursprung in den jeweiligen Abkommensländern sind präferenzbegünstigt. Eine dokumentierte Ursprungskalkulation ist somit Grundvoraussetzung für die Weitergabe des Präferenzursprungs an den Kunden. Werden Produktionsschritte innerhalb der EU durchgeführt oder Produkte innerhalb der EU eingekauft, ist eine tiefergehende Betrachtung des Ursprungs sinnvoll. Die Ursprungseigenschaft der Ware und auch der Vormaterialien muss mithilfe von Präferenznachweisen wie bspw. der Warenverkehrsbescheinigung EUR.1 oder der Ursprungserklärung auf der Rechnung (Registrierung als „Registrierter Exporteur”) oder durch das Ausstellen von Lieferanterklärungen dokumentiert werden. Das Unternehmen muss die gesamten ursprungs­begründenden innerbetrieblichen Vorgänge entsprechend nachweisen können. Eine Präferenz- bzw. Ursprungskalkulation muss auf Grundlage einer bewerteten Stückliste erfolgen und so transparent und nachweisbar gestaltet werden, dass sie von der Zollverwaltung überprüft werden kann. Wird bspw. eine Werkzeugmaschine gefertigt, ist eine Wertberechnung und die Bestimmung der Ursprungseigenschaft für die einzelnen Bestandteile durchzuführen. Laut Listenregel darf hierbei der Wert der verwendeten Vormaterialien ohne Ursprung 30 Prozent des Ab-Werk-Preises der fertigen Werkzeugmaschine nicht überschreiten.

Eine gewisse Sensibilität für die Thematik ist also ein erster Schritt in die richtige Richtung. In einem zweiten Schritt muss eine Analyse der Zielmärkte und Kunden auf Länderebene sowie die globale Produktions- und Logistikstruktur erfolgen, um die möglichen Zollpräferenzvorteile identifizieren zu können. Sind die entsprechenden Länder und Märkte identifiziert, sind die materiell-rechtlichen Anforderungen der Ursprungserreichung zu prüfen.

Zollpräferenzvorteile können nur wirtschaftlich sinnvoll ausgeschöpft werden, wenn die Vertriebsmitarbeiter über entsprechende Kenntnisse bezüglich des Ursprungs- , der Produktions- und Lieferstandorte der zu vertreibenden Produkte verfügen. Damit ist die Schulung der entsprechenden Mitarbeiter ein wichtiger Baustein, der abteilungsübergreifend einen hohen Stellenwert im Unternehmen einnehmen sollte. Natürlich muss der Themenkomplex auch in die Systemlandschaft und das ERP-System des Unternehmens eingebunden werden. Und wie immer gilt: Grundlage für eine Compliance-gerechte Präferenzkalkulation, ob nun manuell oder maschinell durchgeführt, sind gepflegte Stammdaten.

Es bestehen somit enorme Wechselwirkungen zwischen den unterschiedlichsten Abteilungen eines Unternehmens. Verschiedene Schnittstellen sind notwendig, um als Unternehmen rechtssicher Präferenzen ausgeben zu können. Sind die Voraussetzungen innerhalb des Unternehmens geschaffen, stellen Freihandels­abkommen einen echten Wettbewerbsvorteil für deutsche Unternehmen dar.

Das Implementieren eines neuen Freihandelsabkommens stellt für Unternehmen einen sehr hohen Arbeits- und Kostenaufwand dar. Vor der innerbetrieblichen Umsetzung sollte immer eine Kosten-Nutzenanalyse durchgeführt werden.
 

Ausblick

In den nächsten Jahren wird das Thema Präferenzen weiter an Bedeutung gewinnen. Präferenzabkommen wie die geplanten Abkommen mit Indien, Vietnam bzw. den ASEAN-Staaen und Australien werden europäischen Herstellern einen echten Wettbewerbsvorteil ermöglichen. Diese Chancen sollten Unternehmen erkennen und frühzeitig die notwendigen Prozesse implementieren.

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Ewald Plum

Dipl. Finanzwirt (Zoll), Experte für Zoll-, Verbrauchsteuer- und Außenwirtschaftsrecht

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