Der Buchauszug in der aktuellen prozessrechtlichen Praxis

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veröffentlicht am 29. November 2017

 

Der Anspruch auf Erteilung eines Buchauszuges ist eines der wichtigsten „Grundrechte” des Han­dels­vertreters. Sowohl in der Theorie als auch in der prozessualen Praxis wird er oftmals stief­mütterlich behandelt. Zu Unrecht, wie auch einige jüngst ergangene Gerichtsentscheidungen wieder zeigen.
 

 

Grundzüge des Anspruchs auf Erteilung eines Buchauszugs

Nach § 87c Abs. 2 HGB kann der Handelsvertreter einen Buchauszug über alle Geschäfte verlangen, für die ihm nach § 87 HGB Provision gebührt. Der Buchauszug soll dem Handelsvertreter also Klarheit über seine Provisions­­ansprüche verschaffen und ihm die Prüfung ermöglichen, ob die vom Unternehmer erteilten  Provisionsabrechnungen vollständig und richtig sind.
 

Der Buchauszug ist damit von dem Anspruch auf Abrechnung nach § 87c Abs. 1 HGB zu unterscheiden. Neben allen in die Abrechnung gehörenden Tatsachen muss der Buchauszug auch alle Angaben über nicht zustande gekommene Kundengeschäfte enthalten sowie bei einem Bezirkshandelsvertreter alle Angaben zu Direkt­geschäften des Unternehmers sowie von einem Dritten oder einem anderen Handelsvertreter herbei­geführte Kundengeschäfte mit geschützten oder im Vertreterbezirk ansässigen Kunden. Der Buch­auszug ist daher ein wichtiges Informationsinstrument des Handelsvertreters, der im Gegenzug mit einem nicht unerheblichen Aufwand des Unternehmers korrespondiert.

 

Sorgfältige Abfassung des Klageantrags

Im Prozess wird der Anspruch auf Erteilung eines Buchauszuges i.d.R. bei einer sog. Stufenklage geltend gemacht. Das bedeutet, dass der Handelsvertreter in einem gestuften Verfahren zunächst die Erteilung eines Buchauszugs für einen bestimmten Zeitraum beantragt, bei Zweifeln an der Richtigkeit und Voll­ständigkeit des erteilten Buchauszugs ggf. die eidesstattliche Versicherung verlangt und auf der dritten Stufe sodann die Zahlung der sich anhand der Angaben aus dem Buchauszug ergebenden noch ausstehenden Provision begehrt.

   

Bei der Abfassung des Klageantrages auf erster Stufe auf Erteilung eines Buchauszugs ist besondere Sorg­falt walten zu lassen.  Die in der Praxis häufig anzutreffende Antragstellung („Die Beklagte wird verurteilt, dem Kläger über die in der Zeit vom … bis zum … in seinem Gebiet … getätigten Geschäfte einen Buchaus­zug zu erteilen”) kann im Extremfall, trotz Vorliegens eines eigentlich berechtigten Anspruches des Handels­vertreters zum Verlust des gesamten Prozesses führen bzw. dessen Ausgang für den Handelsvertreter unbrauchbar machen. Das hat folgenden Hintergrund:
 

Da der Inhalt des Anspruches auf Buchauszug nicht gesetzlich geregelt ist, sondern von den Umständen des Einzelfalls, insbesondere davon abhängt, welche Daten und Informationen für die Berechnung des Provisionsanspruchs erforderlich sind, müssen die Angaben, die in dem später zu erteilenden Buchauszug enthalten zu sein haben, um die Provision berechnen zu können, bereits in den Antrag auf erster Stufe konkret mit aufgenommen werden.

   

Geschieht das – wie häufig in der Praxis – nicht, führt das im besten Fall zu einer Verlagerung der eigen­tlich dem Erkenntnisverfahren vorbehaltenen Streitigkeiten zu Inhalt und Umfang des Buchauszugs in das Vollstreckungsverfahren. Im Extremfall fehlt dem vor Gericht erstrittenen Titel sogar die für eine Voll­streckung des Titels erforderliche hinreichende Bestimmtheit mit der Folge, dass der Handelsvertreter seinen titulierten Anspruch auf Erteilung eines Buchauszugs in der Praxis nicht umsetzen kann, sofern und soweit der Unternehmer den Buchauszug nicht freiwillig erteilt.

  

Dem kann in der Praxis durch eine umsichtige und sorgfältige Prüfung der den Provisionsansprüchen zu­grunde liegenden vertraglichen Regelungen und Umstände vorgebeugt werden. Ist das Kind erst einmal in den Brunnen gefallen, hilft allenfalls eine titelergänzende Feststellungsklage.

 

Form des Buchauszugs

In der prozessualen Praxis ist zunehmend zu beobachten, dass der Handelsvertreter die Erteilung des Buchauszugs in einer bestimmten – EDV-verwertbaren Form – verlangt, z.B. in Form einer durchsuchbaren PDF-Datei. Das OLG München hat jüngst in einem bemerkenswerten Urteil (Urteil vom 19. Juli 2017, Az. Z O 3387/16) hierzu festgestellt, dass das Gesetz nicht vorschreibe, in welcher Form ein Buchauszug zu erstellen sei, etwa in EDV-verwertbarer Form oder auf Papier. Die Form der Buchauszugserteilung stehe damit in der Entscheidungsbefugnis des zur Erteilung verpflichteten Unternehmers. Auch wenn eine bestimmte Art der Auszugserteilung für den Handelsvertreter praktikabler sei, habe er keinen Anspruch auf Erteilung des Buchauszugs in dieser Form. Aus Sicht des Handelsvertreters stößt das Urteil durchaus auf Bedenken. Zwar wird keine bestimmte Form des Buchauszugs gesetzlich vorgesehen, allerdings setzt die Regelung in § 87c Abs. 2 HGB voraus, dass der Zweck des Buchauszugs – nämlich die Identifizierung von provisionspflichtigen Vorgängen – erreicht werden kann. Gerade bei umfangreichen provisionspflichtigen Vorgängen kann ein im Einzelfall mehrere tausend Seiten umfassender Buchauszug in Papierform den mit dem Buchauszug verfolgten Zweck durchaus beeinträchtigen.

  

Der insoweit bestehenden Unsicherheit sollte durch eine vorausschauende Vertragsgestaltungspraxis von vornherein begegnet werden.

 

Typische Einwendungen des Unternehmers

Von der Gesetzeslage her, ist der Anspruch auf Erteilung eines Buchauszugs an keine weiteren Voraus­setzungen gebunden, sondern knüpft an die Tätigkeit des Handelsvertreters und an die erfolgte Abrech­nung eines bestimmten Zeitraumes durch den Unternehmer an. In der prozessualen Praxis stehen dem Unternehmer trotzdem – mit mal mehr, mal weniger großen Erfolgsaussichten – Einwendungen gegen den für den Unternehmer oftmals lästigen Anspruch auf Buchauszug zu.

  

Treuwidriges Verhalten des Handelsvertreters

Wenig erfolgsversprechend ist allerdings der Einwand des Unternehmers, der Handelsvertreter handele treuwidrig oder rechtsmissbräuchlich, wenn er von seinem gesetzlichen Anspruch auf Buchauszug Gebrauch macht. Wie das OLG München jüngst entschieden hat (Urteil vom 01. März 2017, Az. 7 U 3437/16) handelt der Handelsvertreter selbst dann nicht treuwidrig oder rechtsmissbräuchlich, wenn er die Provisionsabrechnungen des Unternehmers ggf. über Jahre hinweg nie beanstandet hat. Allein in dem Umstand, dass der Handels­vertreter über mehrere Jahre hinweg die Abrechnungen des Unternehmers widerspruchslos hingenommen hat, ist weder ein stillschweigend erklärtes Einverständnis mit den Abrechnungen noch ein Verzicht auf weitere Provisionen zu erblicken. Auch der Umstand, dass die Erteilung eines Buchauszugs – ggf. Jahre später – möglicherweise mit einem erheblichen Aufwand für den Unternehmer verbunden ist, führt nicht zu seiner Unzumutbarkeit. Die Gerichte sehen es vielmehr als Sache des Unternehmers an, sich von vornherein und damit rechtzeitig auf ein Buchauszugsverlangen einzustellen.

  

Verjährung des Anspruchs auf Buchauszug

In einem aufsehenerregenden Urteil hat der BGH nunmehr allerdings dem Anspruch auf Erteilung eines Buchauszugs in zeitlicher Hinsicht einen engen Rahmen gesetzt (BGH, Urteil vom 03. August 2017, Az. XII ZR 32/17). Nachdem gerade die erstinstanzlichen Gerichte in der Praxis zuvor mehrheitlich davon ausge­gangen sind, dass der Anspruch auf Buchauszug als unselbstständiger Neben- bzw. Hilfsanspruch zum Provisions­anspruch nicht unabhängig von dem verjährt, hat der BGH nunmehr klargestellt, dass der Anspruch auf Erteilung eines Buchauszugs selbstständig verjährt und der regelmäßigen Verjährungsfrist des §§ 195, 199 BGB unterliegt. 
 
Damit beginnt die 3-jährige Verjährungsfrist für den Anspruch auf Erteilung eines Buchauszugs – anders als bisher mehrheitlich angenommen – mit dem Schluss des Jahres, in dem der Unternehmer dem Handelsver­treter für das betreffende Jahr eine abschließende Abrechnung über die ihm zustehenden Provisionen erteilt hat. Denn mit ihr entsteht, so der BGH, der Anspruch auf Buchauszugserteilung.

 
Die besondere Konsequenz der Entscheidung ist die, dass die Verjährung des Anspruchs auf Buchauszug auch die Provisionsansprüche umfasst, die in den Abrechnungen des Unternehmers überhaupt nicht enthalten waren. Auch für sie kann also kein Buchauszug mehr verlangt werden.

  

In der Konsequenz bedeutet das folgendes:

Der Handelsvertreter hat einen eigentlich unverjährten Provisionsanspruch gegen den Unternehmer von dem er lange Zeit keine Kenntnis hat oder von dem er noch gar nichts weiß, weil der Unternehmer den Anspruch in seinen bisherigen Abrechnungen übergangen hat. Gerade die Unkenntnis über das Bestehen des Anspruches führt zu der langen (Maximal)-Verjährungsfrist des Provisionsanspruchs von 10 Jahren.

  

Um den nicht verjährten Provisionsanspruch geltend zu machen bzw. überhaupt erst von dessen Bestehen zu erfahren, ist der Handelsvertreter i.d.R. auf einen entsprechenden – ggf. eidesstattlich unterlegten – Buchauszug des Unternehmers angewiesen. Der Anspruch kann in vielen Fällen allerdings bereits verjährt sein, da nach der aktuellen BGH Entscheidung die Verjährung des Anspruchs auf Erteilung eines Buchaus­zugs bereits mit dem Schluss des Jahres beginnt, in dem die Abrechnung des konkreten Zeitraumes – wenn auch unzutreffend – erfolgt ist. Der Handelsvertreter kann damit im Regelfall die notwendigen Informa­tionen nicht mehr zusammentragen, um den eigentlich bestehenden Provisionsanspruch noch mit Erfolgs­aussicht durchsetzen zu können.   
 
In der prozessualen Praxis wird das Urteil daher zu einer verstärkten und frühzeitigeren Geltendmachung des Anspruchs auf Buchauszug führen (müssen).

 

Fazit

Der Buchauszug ist ein wichtiges Instrument des Handelsvertreters. Die jüngsten Gerichtsentscheidungen zwingen den Handelsvertreter dazu, sich frühzeitiger – also nicht nur im Streitfall – und sorgfältiger mit dem Rechtsinstitut zu beschäftigen. 

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Maik Wiesner

Rechtsanwalt, Fachanwalt für Handels- und Gesellschaftsrecht

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