Entwicklungen zur Vorsteueraufteilung: Tango der Rechtsprechung bei Immobilien

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zuletzt aktualisiert am 31. Oktober 2018
Der Europäische Gerichtshof (EuGH; Urteil vom 9. Juni 2016, Rs. C-332/14 – Wolfgang und Wilfried Rey Grundstücksgemeinschaft GbR) versucht, auf eine deutsche Vorlage hin, zur Vorsteuerauftei­lung bei Baugemeinkosten nach sog. Flächen- oder Umsatzschlüssel bei gemischt genutzten Grundstücken/Immobilien für Klarheit zu sorgen.   

     

Hintergrund

Eine Aufteilung der Vorsteuerbeträge nach § 15 Abs. 4 UStG bezweckt letztlich eine Zuordnung der Vor­steuer­beträge zu den Umsätzen, denen sie wirtschaftlich zuzurechnen sind. Die Regelungen des § 15 Abs. 4 UStG, der national die europäischen Vorgaben Art. 173-175 MwStSystRL umsetzt, betreffen allein die Aufteilung von Vorsteuern bei Verwendung der Leistungen für nur teilweise zum Vorsteuerabzug berechtigende, damit wirt­schaftlich zusammenhängende Ausgangsumsätze. Diesbezüglich hat der Unternehmer die nicht abziehbaren Teilbeträge im Wege einer wirtschaftlichen Zurechnung und dabei durch sachgerechte Schätzung zu ermitteln. Die Frage nach der sachgerechten Schätzungsmethode – z.B. nach einem Flächen- oder Umsatzschlüssel – beschäftigt die Rechtsprechung insbesondere bei Grundstücksumsätzen seit langem.
      

Flächen- oder Umsatzschlüssel: Tango der Rechtsprechung

Nach dem Gesetzeswortlaut ist seit Ergänzung des § 15 Abs. 4 Satz 3 UStG ab 2004 eine Ermittlung des nicht abziehbaren Teils der Vorsteuerbeträge nach dem sog. Umsatzschlüssel, das heißt dem Verhältnis der Umsätze, die den Vorsteuerabzug ausschließen, zu den Umsätzen, die zum Vorsteuerabzug berechtigen, nur subsidiär zulässig, wenn keine andere wirtschaftliche Zurechnung möglich ist.
   

Der EuGH hat diese Regelung als unionsrechtskonform angesehen, da die EU-Mitgliedstaaten für den Abzug der Vorsteuern vorrangig einen anderen Aufteilungsschüssel (z.B. den Flächenschlüssel) vorsehen können, soweit dieser Schlüssel eine präzisere Bestimmung des Gesamtumsatzschlüssels bzw. des Pro-rata-Satzes ge­währ­leistet (vgl. EuGH vom 8.11.2012, Rs. C-511/10 – BLC Baumarkt). Denn alles, was objektbezogen ist, erscheint wohl präziser als der gesamtunternehmensbezogene Umsatzschlüssel.
   

In seiner Folgerechtsprechung ging der BFH damals im Urteil vom 22.8.2013 (V R 19/09) zunächst davon aus, dass der (objektbezogene) Flächenschlüssel eine präzisere Vorsteueraufteilungsmethode als der ge­samt­umsatz­bezogene Umsatzschlüssel ermöglicht.
   

Schon ein Jahr später modifizierte der BFH im Urteil vom 7.5.2014 (V R 1/10), dass ein Vorrang des (objekt­bezogenen) Flächenschlüssels nur insoweit möglich wäre, als die Flächen des gemischt vermieteten Gebäudes keine erheblichen Ausstattungsunterschiede (z.B. Raumhöhe, Dicke von Wänden und Decken, Innen­aus­stattung) aufweisen; ansonsten wären die Vorsteuerbeträge nach dem (objektbezogenem) Umsatzschlüssel aufzuteilen.
  

Weitere Präzisierung erfolgte nun durch die jüngste Rechtsprechung des EuGH und durch die entsprechende Nachfolgeentscheidung des BFH zur Vorlagefrage, ob Eingangsleistungen eines gemischt genutzten Gebäudes zur präziseren Bestimmung der abziehbaren Vorsteuerbeträge zunächst den (steuerpflichtigen oder steuer­freien) Verwendungsumsätzen des Gebäudes zugeordnet und lediglich die danach „verbliebenen Vorsteuern” nach einem Flächen- oder Umsatzschlüssel aufgeteilt werden müssen. Die Vorlagefrage gründete in der Auffassung, dass nicht mehr die auf das gesamte Gebäude anfallenden Vorsteuerbeträge als Gegenstand der Vorsteueraufteilung anzusehen wären, sondern die einzelnen Leistungen für die Herstellung des Gebäudes. So wird dies schon als „Renaissance des objektbezogenen Umsatzschlüssels“ in der Literatur gesehen.

          

Klarheit durch die jüngste Rechtsprechung des EuGH und nachfolgend des BFH

Der EuGH schien dieser Auffassung des vorlegenden Senats eingeschränkt zu folgen und bestätigte die deutsche Rechtslage insoweit, dass zunächst eine Zuordnung der Vorsteuerbeträge zu den mit der Immobilie steuerpflichtig oder steuerfrei erbrachten Umsätzen, denen sie wirtschaftlich zuzurechnen sind, erfolgen muss. Erst wenn diese Zurechnung schwer durchführbar sei, ist eine Aufteilung im Rahmen einer sachgerechten Schätzung möglich.
   

Zudem wird durch den EuGH klargestellt, dass die Anwendung des Flächenschlüssels möglich ist, soweit diese eine präzisere Bestimmung des Pro-rata-Satzes ermöglicht. Die Notwendigkeit einer „präzisieren Bestimmung“ bedeutet jedoch nicht, dass die gewählte Methode des sachgerechten Aufteilungsmaßstabs zwingend die genauestmögliche sein muss. Es wird nur gefordert, dass die gewählte Methode ein präziseres Ergebnis gewährleistet als das, das sich aus der Anwendung des Gesamtumsatzschlüssels ergäbe.
   

Nachfolgend zum Urteil des EuGH entschied der BFH am 10.8.2016 (XI R 31/09) anhand dieser Vorgaben, dass bei der Herstellung / Anschaffung eines gemischt genutzten Gebäudes für den Vorsteuerabzug – im Gegensatz zu den Eingangsleistungen für die Nutzung, Erhaltung und Unterhaltung, also den laufenden Kosten in der Nutzungsphase – nicht darauf abgestellt werden kann, welche Aufwendungen in bestimmte Teile des Gebäudes eingehen; vielmehr kommt es dabei auf die prozentualen Verwendungsverhältnisse des gesamten Gebäudes an. In Anlehnung an den EuGH wird bei der Errichtung eines Gebäudes nämlich die einzelne Zuordnung der Gegenstände oder Dienstleistungen zu Umsätzen, für die sie verwendet werden, in der Praxis als zu komplex und schwer durchführbar gesehen. Dies entspricht im Ergebnis der bisherigen Rechtsprechung und überwiegend gelebten Praxis in Deutschland.
   

Hinsichtlich der Anwendung eines sachgerechten Aufteilungsmaßstabs soll bei Herstellung / Anschaffung eines solchen Gebäudes der objektbezogene Flächenschlüssel regelmäßig eine sachgerechte und „präzisere” Berechnung des Rechts auf Vorsteuerabzug als der gesamtumsatzbezogene oder der objektbezogene Umsatzschlüssel ermöglichen. Nur ausnahmsweise ist der Flächenschlüssel als nicht sachgerecht anzusehen. Dies wäre unter anderem der Fall, wenn die Nutzflächen nicht miteinander vergleichbar sind, etwa wenn die Ausstattung der den unterschiedlichen Zwecken dienenden Räume (z.B. Höhe der Räume, Dicke der Wände und Decken, Innenausstattung) erhebliche Unterschiede aufweist oder wenn eine Aufteilung nach dem Flächenschlüssel aus sonstigen Gründen nicht präziser ist z.B. wenn eine nicht zur Gesamtnutzfläche zu addierende Nutzflächen innerhalb eines Gebäudes und auf dessen Dach betroffen ist.
              

Hinweise für die Praxis und Empfehlungen

Generell ergeben sich aus der jüngsten Rechtsprechung des BFH vom 10.8.2016 (XI R 31/09) für die Behandlung von Eingangsleistungen im Bezug auf Gebäude in der Praxis in den regelmäßigen Fällen keine gravierenden Änderungen. Mithin ist bei Anschaffung oder Herstellung eines gemischt genutzten Gebäudes für den Vorsteuerabzug unter Berücksichtigung von § 15 Abs. 4 UStG auf die Verwendungsverhältnisse des gesamten Gebäudes abzustellen. Hingegen kommt es für den Vorsteuerabzug aus Eingangsleistungen für die Nutzung, Erhaltung oder Unterhaltung des Gebäudes dagegen darauf an, wie der Gebäudeteil genutzt wird, für den die betreffenden Aufwendungen entstehen.
   

Jedoch ergeben sich in Bezug auf die Anwendung des Flächen- oder (objektbezogenen) Umsatzschlüssels als sachgerechtem Aufteilungsmaßstab bei Vorsteuern im Zusammenhang mit sog. gemischt genutzten Immobilien für die Praxis durch die jüngste Rechtsprechung des EuGH und insbesondere BFH gegebenenfalls ein­schnei­denden Veränderungen. Gleichwohl ist positiv hervorzuheben, dass dem Unternehmer wohl grundsätzlich – je nach betroffenen Sachverhaltskriterien – die Möglichkeit der Anwendung des Flächen- oder (objektbezogenen) Umsatzschlüssels offensteht.
   

Es sollte für noch nicht bestandskräftige Steuerfestsetzungen und versagte Vorsteueranteile sowie für künftige Fallkonstellationen geprüft werden, welche „präzisere Bestimmung” möglich ist. Etwaige Vorsteuerkorrekturen nach § 15a UStG sind bei Änderungen der Aufteilungsmethode jedoch immer zu bedenken. 

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