Due Diligence und Quick Checks für Venture-Capital- Fonds

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zuletzt aktualisiert am 23. September 2020 | Lesedauer ca. 5 Minuten

von Cyril Prengel, Rödl & Partner Nürnberg, und Matthias Wolf


Vor dem Einstieg oder dem Exit von Venture-Capital-Investoren bei Start-up-Unter­nehmen ist ein umfassender Review erforderlich. Er muss die Besonderheiten der Entwicklungsphase berücksichtigen. In Abhängigkeit des Stadiums des Start-ups erfolgt das in Form eines Quick Checks oder einer umfangreicheren Due Diligence.



Von der Gründung bis hin zum Markteintritt bzw. zur Marktetablierung müssen Start-up-Unternehmen diverse Prozesse und Entwicklungen durchlaufen, die jeweils für sich mit teilweise erheblichen Risiken verbunden sind und nicht selten auch zum Scheitern der Unternehmensidee führen. Den Risiken stehen hohe Ertragschancen bei erfolgreicher Entwicklung des Start-ups gegenüber, die oftmals aufgrund vermeintlicher künftiger Ertragspotenziale bereits in Form von Veräußerungserlösen weit vor Erreichen der Gewinnzone und somit vor der möglichen Ausschüttung von Gewinnen realisiert werden können. Beispielhaft kann auf die Börsengänge von Facebook und Twitter verwiesen werden.

Das typische Start-up ist dynamisch, innovativ und risikofreudig. Die jungen Unternehmen setzen dabei verstärkt auf neue Technologien, wie bspw. künstliche Intelligenz, Data Analytics, Machine Learning, Industrie 4.0 oder Virtual Reality. Sie fokussieren sich auf die Entwicklung von Anwendungen in diesem Umfeld, die zur Marktreife gebracht werden und von etablierten Unternehmen noch nicht bearbeitet werden. Für Finanzinves­toren bieten Start-ups entsprechend große Renditemöglichkeiten bei einer Beteiligung. Jedoch weicht der Prozess bei Start-up-Beteiligungen in der Vorbereitung und Durchführung von anderen M&A-Prozessen ab. Es müssen die spezifischen Herausforderungen behandelt werden, damit sie gemeistert werden und die Beteiligung erfolgreich wird.

Die Due Diligence bei Start-ups muss aus den folgenden Gründen besondere Schwerpunkte setzen:

  • Dynamisches Wachstum: Da sich Start-ups hauptsächlich auf das schnelle Wachstum bzw. einen raschen Markteintritt oder Forschungsfortschritt konzentrieren, werden auftretende Probleme eher pragmatisch behandelt. Dadurch können signifikante Risiken entstehen, die nicht auf den ersten Blick sichtbar sind.
  • Fokussierung auf eine Technologie: Das Geschäftsmodell basiert meist auf einer Technologie als einzigem Standbein, was der Lebensphase natürlich immanent ist. Falls die rechtlichen Belange, wie der Besitz des Patents oder des Nutzungsrechts, nicht ausreichend geklärt sind, können für das Fortbestehen des Start-ups große Hürden entstehen. Des Weiteren sind rechtliche Anforderungen zu beachten, die eventuell für den Erfolg des Geschäftsmodells von essenzieller Bedeutung sind. Als Beispiel sind datenschutzrechtliche oder öffentlich-rechtliche Genehmigungen zu nennen.
  • Garantien in Kaufverträgen: Ähnlich zu M&A-Transaktionen geben Gründer auch Garantien ab, die jedoch im Falle des Eintritts in den seltensten Fällen auch wirklich bedient werden können.


Sowohl zur Identifizierung der Risiken als auch der Ertragschancen ist für Venture-Capital-Gesellschaften die Durchführung einer umfassenden Technical, Commercial, Legal (inkl. IP) und Financial Due Diligence unerlässlich.


Wer führt das Unternehmen? – Eine Überprüfung des Managements

Das Wissen sowie die treibenden Kräfte liegen bei den Gründern, die meist auch das Management bilden. Deshalb ist es in einem ersten Schritt für einen Investor bzw. den Berater unabdingbar, die Vollständigkeit des Managements zu prüfen und auch die Kompetenzen der Gründer einzuschätzen. Falls bspw. das Know-how im Vertrieb noch fehlt, das Unternehmen jedoch kurz vor dem Markteintritt steht, muss das im Nachhinein zwingend angepasst werden. Zudem muss die Motivation des Managements auch nach einer Finanzierungs­runde gegeben sein, was in den Verhandlungen sowohl vom Investor als auch von den Gründern berücksichtigt werden muss. Entfallen z.B.  zu viele Anteile in den ersten Runden bereits auf die Investoren, können die Gründer das Gefühl bekommen, dass es nicht mehr ihr Unternehmen ist und deshalb entweder die Motivation, das Start-up weiter voranzubringen, verlieren oder sogar das Unternehmen verlassen. Daher kann im Beteiligungsvertrag mit diversen Modellen, wie einem ESOP/VSOP, gegengesteuert werden.


Was wird wo und wie verkauft? – Die Commercial und Technical Due Diligence

Zentraler Bestandteil des Unternehmenskonzepts vieler Start-ups ist die Entwicklung innovativer Technologien. Dabei ist nicht nur entscheidend, dass die Technologien technisch umsetzbar sind, sondern dass sie gleichzeitig auch entsprechende wirtschaftliche Vorteile gegenüber herkömmlichen Technologien bieten, die sowohl Entwicklung, Produktion, den Vertrieb als auch den Betrieb der Technologie ökonomisch sinnvoll erscheinen lassen. „Proof of concept” ist Gegenstand der technischen Due Diligence und wird i.d.R. durch Industrieexperten durchgeführt. Es ergibt sich eine enge Schnittstelle zum patentrechtlichen Teil der Legal Due Diligence, in der überprüft wird, inwieweit sämtliche Technologien durch valide Patente rechtlich geschützt sind.

Nach Überprüfung der technischen Umsetzbarkeit und des patentrechtlichen Schutzes der Technologie wird bei der Commercial Due Diligence die Geschäftsidee im Wettbewerbsumfeld sowie im regulatorischen Rahmen untersucht. Unter Einbezug der Erkenntnisse der technischen Due Diligence sind wesentliche Analysen die Identifizierung des Zielmarktes, alternativer Technologien und Wettbewerber, Abschätzung des gesamten Marktpotenzials und erreichbarer Marktanteile sowie Analyse der Absatzpreise und Beschaffungskosten. Darauf aufbauend lässt sich eine Break-Even-Analyse oder Wirtschaftlichkeitsbetrachtung des Geschäftsmodells bzw. einzelner Technologien ableiten. Eine geeignete Darstellungsform der Ergebnisse bietet die SWOT-Analyse, in der Stärken, Schwächen, Chancen und Risiken zusammenfassend gegenübergestellt werden.


Analyse der jungen Unternehmensentwicklung – der Financial Quick Check

Start-ups sind durch eine überschaubare Entwicklungshistorie charakterisiert. Dem trägt der daran angepasste Umfang der Analysen eines Quick Checks Rechnung. Im Gegensatz zu umfangreicheren Due Diligence-Untersuchungen bei Unternehmen mit einer längeren Historie liegen die Schwerpunkte v.a. auf der Analyse der aktuellen Ertragslage, insbesondere der Zusammensetzung der Umsatzerlöse und des Auftragsbestands. Ergänzend sind die Vertriebspipeline und etwaig bestehende laufende Kundenverträge unter betriebswirtschaftlichen Aspekten zu würdigen. Daneben spielen Analysen zu Personalaufwendungen und -entwicklung eine wichtige Rolle. Die Analyse der Werthaltigkeit von bilanzierten Vermögensgegenständen, wie Forderungen oder Vorratsvermögen, dürfte in den meisten Fällen aufgrund der noch geringen Höhe von untergeordneter Bedeutung sein. Hingegen ist die Darlegung der derzeitigen und auch der geplanten Finanzierungsstruktur ein wesentlicher Aspekt eines Financial Quick Checks, zumal sich daraus häufig Wechselwirkungen für eine Anteilswertermittlung im Rahmen von beabsichtigten Finanzierungsrunden ergeben. Eine Betrachtung der Cash Burn Rate ist zusätz­licher Bestandteil des Quick Checks. Es wird der geplante monatliche Kapitalbedarf ermittelt und anschließend der Finanzierung gegenübergestellt, damit festgestellt werden kann, wann mit der nächsten Finanzierungs­runde gerechnet werden muss und wie lange mit dem Investment gearbeitet werden kann.


Die Unternehmensplanung sowie die Analyse der Vermögens-, Finanz- und Ertragslage als Bewertungsgrundlage – die Financial Due Diligence

Idealerweise spiegelt die vom Unternehmen erstellte Unternehmensplanung die identifizierten Chancen und Risiken angemessen. Eine Überprüfung der Plausibilität der Annahmen sowie der rechnerischen Richtigkeit der Unternehmensplanung findet bei der Financial Due Diligence statt. Anders als bei einem Quick Check können bei Unternehmen in einem fortgeschrittenen Stadium sowohl eine nennenswerte Unternehmenshistorie als Plausibilisierungsgrundlage als auch ein Erfahrungsschatz des Managements für die Belastbarkeit des zukunftsorientierten Zahlenwerks unterstellt werden. Die Angemessenheit der Planung ist nicht nur für die Unternehmenssteuerung von Bedeutung, sondern – je nach Unternehmensstadium – auch für die Bewertung des Unternehmens und die Kaufpreisverhandlungen im Falle einer positiven Investitionsentscheidung. Die für etablierte Unternehmen übliche Analyse vergangenheitsbezogener Finanzkennzahlen wird bei der Untersuchung von Start-up-Unternehmen nur eingeschränkt Schlussfolgerungen auf die Plausibilität der Unternehmensplanung zulassen, da sie wesentlich durch einmalige Gründungsvorgänge geprägt sind und nicht durch das operative Geschäft.

Wesentliches Element der Unternehmensplanung ist neben der Planung der Umsatzerlöse und Kostenposi­tionen die Finanzbedarfsrechnung. In ihr werden Zeitpunkt und Höhe notwendiger Investitionen geplant. Da sich für junge Unternehmen der Zugang zu Fremdkapital bis zur Markteinführung bzw. Marktetablierung schwierig gestaltet, werden im Start-up-Lebenszyklus diverse Finanzierungsrunden durchgeführt, um das Unternehmen – meist in Abhängigkeit zur Erreichung vordefinierter Meilensteine – mit ausreichend Eigenkapital auszustatten.

Insbesondere die betriebswirtschaftliche Analyse der Ausgestaltung der Finanzierungskonditionen der Altgesellschafter sowie der Mezzanine- und Fremdkapitalgeber, bspw. bezüglich der Exit-Regelungen, Verwässerung der Anteile bei künftigen Kapitalrunden, Gewinn- und Verlustbeteiligungen, Verzinsung, Debt Equity Optionsvereinbarungen usw. stellt einen Schwerpunkt bei der Vermögensanalyse dar. Zusätzlich spielen in dem Zusammenhang auch Mitarbeiterbeteiligungsprogramme eine nicht zu unterschätzende Rolle.

Ein weiteres bedeutsames Feld der Financial Due Diligence ist die Einschätzung, ob die vorhandenen Ressourcen der jungen Unternehmen im Bereich Finanzbuchhaltung und Controlling ausreichen, um ein für den VC-Fonds zur Steuerung des Portfolios notwendiges Reporting bereitzustellen. Dazu gehört auch die Einschätzung der Qualität und Aussagekraft etwaiger bereits bestehender Monats- und/oder Quartals­reportings sowie der Jahresabschlüsse – soweit sie nicht geprüft sind.


Rechtlicher Status Quo als Gestaltungsgrundlage – die Legal Due Diligence

Durch die zahlreichen Finanzierungsrunden sind Start-up-Unternehmen durch komplexe gesellschafts­rechtliche Regelungen gekennzeichnet. Neben der Analyse der wesentlichen operativen Unternehmensverträge ist die Aufarbeitung der gesellschaftsrechtlichen Strukturen Aufgabe der Legal Due Diligence. Dabei gilt es nicht nur, die formelle Wirksamkeit der Gesellschaftsverträge und Anteilsübertragungen zu überprüfen, sondern im Hinblick auf die Kauf- und Gesellschaftsvertragsgestaltung Regelungen und Interessenlagen in Bezug auf Gewinnbezugsrechte, Veräußerungserlöspräferenzen, Stimmrechtsverteilung, Management­incentivierung und ggf. vertragliche Nachschusspflichten in Zusammenarbeit mit der Financial Due Diligence zu analysieren.


Fazit

Durch enge Abstimmung und interdisziplinäre Zusammenarbeit zwischen den einzelnen Themenbereichen können die Erkenntnisse sämtlicher Due Diligence-Felder bestmöglich bei der Investitionsentscheidung und ggf. Kaufvertragsgestaltung berücksichtigt und das Wagnis der Venture-Capital-Geber reduziert werden. Insbesondere Finanzinvestoren und speziell VC-Fonds sollten sich auf Quick Checks verlassen, da auf Grund der großen Anzahl an Akquisitionschancen sowohl der zeitliche als auch der finanzielle Aspekt eine nicht unwesentliche Rolle spielt.

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