Energiereform – Mexiko am Scheideweg?

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Von Mariangela Zerpa Dreyer

Private Investitionen in den mexikanischen Energiesektor (Öl/Gas, Strom) sollen in Zukunft erleichtert werden. Zwar werden staatliche Betriebe ausdrücklich nicht (teil-)privatisiert, sie dürfen aber Partnerschaften mit privaten Investoren eingehen. Dadurch sollen Technologien erneuert, Fördermengen erhöht und Strompreise halbiert werden. Die Reform beinhaltet keine konkreten Anreize für Investitionen in den Sektor der regenerativen Stromproduktion. Da sich Mexiko verpflichtet hat, seine Treibhausgasemissionen bis 2050 um 50 % zu senken, darf man jedoch weiterhin auf zusätzliche Fördermaßnahmen hoffen. Für Solarenergie besteht in Mexiko noch sehr großes Entwicklungspotenzial: Hinsichtlich Investitionsattraktivität und Sonneneinstrahlung belegt das Land den dritten Platz weltweit.
 
Die Fördermengen von Öl und Gas gehen zurück, neue Erdöldepots können aufgrund veralteter Technik nicht erschlossen werden und die Elektrizitätspreise für die Industrie sind in Mexiko 30–40 % höher als im Land des wichtigsten Handelspartners, den USA. Dadurch verliert die mexikanische Wirtschaft zunehmend an Wettbewerbsfähigkeit gegenüber anderen Nationen, was eine Reform des Energiesektors unumgänglich gemacht hat.
 
Nach mehreren Etappen der Nationalisierung von Anfang bis Mitte des 20. Jahrhunderts befinden sich die Erdölindustrie und nahezu die komplette Stromindustrie Mexikos unter staatlichem Monopol. Bisherige Liberalisierungsversuche haben lediglich bei der Stromerzeugung angesetzt, während die anderen Bereiche des Stromsektors – Stromübertragung und Stromverkauf – nahezu unberührt blieben. Dennoch wird nach heutigem Stand nur etwa ein Viertel des Stroms privatwirtschaftlich produziert. Die Übertragung und der Verkauf liegen weiterhin in der Hand des staatlichen Betreibers (Comisión Federal de Electricidad, CFE). Strom wird nach wie vor als öffentliches Gemeingut betrachtet, daran hat sich auch im Rahmen der Energiereformen nicht viel verändert. Der Anteil privater Investoren ist nur deshalb so gering, weil Investitionen in diesem Sektor mit sehr hohen Hürden verbunden sind. So müssen private Produzenten sehr niedrige Abnahmepreise akzeptieren, denn die CFE nimmt den Strom ab und vertreibt ihn anschließend eigenständig. Private Investoren können sich nur unter folgenden Voraussetzungen am Strommarkt beteiligen: unabhängiger Energieerzeuger (IPP), Selbstversorgung, Kraft-Wärme-Kopplung, Kleinproduzenten (≤ 1 bzw. ≤ 30 MW), Stromexporte bzw. -importe.
 
Die niedrigen Weltmarktpreise für Erdgas und die hohen Kapazitätsleistungen der Gas-und-Dampf-Kombikraftwerke führen dazu, dass privatwirtschaftlich betriebene Kraftwerke überwiegend Erdgas für die Stromerzeugung einsetzen. Demnach ist Erdgas die wichtigste Ressource für die Stromproduktion. Die fehlende Förderung eigener Erdgasvorkommen führt indes zu einer großen Abhängigkeit von Erdgasimporten aus den USA.
 
Der Anteil der Erneuerbaren Energien am mexikanischen Energieportfolio ist weiterhin gering. Die am weitesten entwickelten Branchen der Erneuerbaren Energien sind Wasserkraft, Windkraft und Geothermie, wobei die Wasserkraft mit großem Abstand die Hauptrolle spielt. Trotz der höchst attraktiven Voraussetzungen spielt Solarenergie selbst unter den erneuerbaren Energiequellen eine nur untergeordnete Rolle. Dabei befindet sich Mexiko im sogenannten „Sonnengürtel” und liegt laut EPIA (European Photovoltaic Industry Association) weltweit auf Platz 3 hinsichtlich Investitionsattraktivität und Sonneneinstrahlung. Zum Vergleich: Deutschland als Spitzenreiter bei installierten Solaranlagen hat eine durchschnittliche Sonneneinstrahlung von 3,2 kWh/m2, während Mexiko im Durchschnitt 5 kWh/m2, in manchen Regionen sogar 6–7 kWh/m2 aufweist. Investitionen in Photovoltaikanlagen können sich demnach deutlich schneller amortisieren als in Deutschland, auch ohne staatliche Zuschüsse.
 

Umfassende Reform des Energiesektors?

Die nun begonnene Energiereform bedeutet vor allem eine umfassende Reform des mexikanischen Staatsölkonzerns Pemex (Petróleos Mexicanos). Der Staatskonzern muss seit einigen Jahren erhebliche Verluste hinnehmen, nachdem die Erdölförderung von täglich 3,4 Mio. Barrel auf ca. 2,5 Mio. Barrel dramatisch zurückgegangen ist. Damit steht das Unternehmen hinsichtlich Effizienz im weltweiten Vergleich von 62 Erdölkonzernen nur noch auf Platz 35. Die Liberalisierung der Öl- und Gasförderung soll nun neue Investitionen und externes Know-how bringen, um die verpassten Investitionen nachzuholen und Effizienz wie auch Fördermengen zu erhöhen. Im Rahmen der Reform dürfen staatliche Betriebe erstmals Gewinn- bzw. Risikobeteiligungsverträge mit privaten Investoren eingehen. Eine Privatisierung der staatlichen Betriebe ist allerdings nicht vorgesehen und wird voraussichtlich auch nicht vorangetrieben. Trotz aller Reformmaßnahmen wird der mexikanische Staat weiterhin die Kontrolle über die Stromübertragung und den Verkauf behalten. Dies vor allem deshalb, weil schon vergangene Regierungen den Strompreis stets als politisches Mittel eingesetzt haben. Daraus resultiert eines der kompliziertesten Strompreissysteme weltweit: Für Haushalte ergeben sich beispielsweise 112 verschiedene Rechnungsstellungsmöglichkeiten, abhängig von Wohnort, Jahreszeit, Konsum etc. Darüber hinaus leistet sich Mexiko die weltweit höchsten Subventionszahlungen an Stromabnehmer. Um auch weiterhin mit Strompreispolitik auf Wählerfang zu gehen, werden die Preisfestsetzungen vorläufig nicht aus der Hand gegeben.
 
Obwohl die mexikanische Regierung mit der gegenwärtigen Energiereform auf neue Impulse für den Ausbau und die Modernisierung des kompletten Stromsektors setzt, bleiben die Maßnahmen hierfür noch sehr vage. Als sicher gilt nur, dass zukünftig private Investoren an der Stromproduktion verstärkt teilnehmen dürfen, um den steigenden Strombedarf decken und die Strompreise mittelfristig senken zu können. Ausschreibungen sollen die Beteiligungen privater Investoren in diesem Sinne voranbringen. Darüber hinaus hat die Reform einen vom Staat kontrollierten, jedoch unabhängigen Systembetreiber geschaffen, der die jeweiligen Anteile der Stromproduzenten an der Einspeisung nach dem Niedrigpreisprinzip festlegt. Bislang besaß die CFE die alleinige Entscheidungsgewalt darüber, welcher Strom eingespeist bzw. gekauft wurde. Dies wiederum schränkte bisher den Wettbewerb im Stromsektor ein und führte in der Konsequenz zu höheren Strompreisen.  
 
So unspektakulär all diese Pläne im Stromsektor auf den ersten Blick aussehen mögen, so war doch zunächst eine Verfassungsänderung in Mexiko notwendig, um die Reform umzusetzen. Dementsprechend sollen die Liberalisierungen wirken. Experten rechnen mit einer drastischen Auswirkung für den mexikanischen Strommarkt und sehen eine Halbierung der aktuellen Strompreise voraus.
 

Einfluss der Energiereform auf die Entwicklung der Erneuerbaren Energien

Laut der mexikanischen Regierung sollen die genannten Maßnahmen den Wettbewerb erhöhen und die Produktionskapazitäten nachhaltig steigern, wobei ein besonderes Augenmerk auf den Erneuerbaren Energien hätte liegen sollen. Überraschend ist deshalb, dass die Reform keine explizite Förderung der Erneuerbaren Energien vorsieht. Allerdings sind indirekte Auswirkungen zu erwarten: Auf der einen Seite wird die weitere Öffnung des Strommarktes mehr Privatakteure, vor allem aus dem Bereich der Erneuerbaren Energien, anlocken, deren Technologien immer kostengünstiger werden. Auf der anderen Seite hat sich Mexiko im vergangenen Jahr vertraglich verpflichtet, seine CO2-Emissionen bis 2020 um mindestens 30 % und bis 2050 um 50 % zu reduzieren. Um diese Ziele zu erreichen, muss das Land bis 2024 mindestens 35 % des Stroms aus erneuerbaren Energiequellen erzeugen. Hierfür ist die entsprechende Gesetzesgrundlage, das Gesetz zur Nutzung erneuerbarer Energiequellen und der Finanzierung der Energiewende (Ley para el Aprovechamiento de Energías Renovables y el Financiamiento de la Transición Energética, LAERFTE), verabschiedet worden und es wird erwartet, dass noch weitere explizite Anreize für den Ausbau von Erneuerbaren Energien in die Reform aufgenommen werden.
 
Es bleibt abzuwarten, welche Konsequenzen sich aus der bereits verabschiedeten Energiereform ergeben und welche Auswirkungen sich auf die Entwicklung Erneuerbarer Energien zeigen. Zusammenfassend ist diese Reform für Mexiko unumgänglich und kann einen weiteren und wichtigen Schritt in Richtung freier Marktwirtschaft bedeuten.

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Moritz Deppe

Rechtsanwalt

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