Kein Recht auf Anonymität bei Falschabrechnung

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​Die Ärztekammer Nordrhein hatte einem niedergelassenen Facharzt vorgeworfen, gegenüber Privatpatienten unter Verstoß gegen die Gebührenordnung für Ärzte (GOÄ) abgerechnet zu haben. Das von der Ärztekammer angerufene Berufsgericht für Heilberufe bestätigte, dass der Arzt in allen 4 Fällen gegen Berufspflichten verstoßen habe und erkannte auf Entziehung des passiven Berufswahlrechts sowie auf eine Geldbuße in Höhe von 25.000 Euro.
 
Darüber hinaus ordnete das Berufsgericht an – gestützt auf § 60 Abs. 3 das Heilberufsgesetz Nordrhein-Westfalens (Heil- BerG NRW) –, dass die Ärztekammer Nordrhein berechtigt sei, unter Namensnennung das Urteil nach Rechtskraft im Ärzteblatt zu veröffentlichen, da es sich bei Abrechnungsbetrug um einen „besonderen Fall” im Sinne des HeilBerG NRW handele. Das Landesberufsgericht hatte in der Folge die Geldstrafe reduziert, die anderen Sanktionen jedoch bestätigt.
 

Entscheidung

Die durch den Arzt eingelegte Verfassungsbeschwerde hatte keinen Erfolg. Der Erste Senat des Bundesverfassungsgerichts (BVerfG) erklärte § 60 Abs. 3 HeilBerG NRW, und damit die Grundlage für eine Urteilsveröffentlichung unter Angabe des Namens, für verfassungskonform und verhältnismäßig. Für den Arzt sei bereits bei der Erstellung einer fehlerhaften, nicht GOÄ-konformen Abrechnung erkennbar, dass dies mit einem Sanktionsrisiko belegt sei.
 
Das Gericht begründete seine Entscheidung damit, dass sich die Regelung des § 60 HeilBerG NRW an Angehörige der Heilberufe wende, denen ein besonderes, schützenswertes Vertrauen entgegengebracht werde. Das Berufsrecht könne Fehlverhalten, das dieses Vertrauen erschüttere oder dazu geeignet sei, es zu erschüttern, mit geeigneten Maßnahmen sanktionieren. Der Staat dürfe insbesondere solchen Verhaltensweisen entgegenwirken, die den Eindruck vermitteln können, der Arzt stelle die Gewinnerzielung über das Wohl des Patienten und dessen ordnungsgemäße Gesundheitsversorgung. Patienten sollen darauf vertrauen können, dass sich ein Arzt nicht von wirtschaftlichen Interessen leiten lasse.
 
Jedenfalls sei die Veröffentlichung des nicht anonymisierten Urteils dann verfassungsrechtlich nicht bedenklich, wenn es sich um einen vereinzelten, herausgehobenen Fall handele. Zudem sei die Verhältnismäßigkeit in diesem Falle gewahrt, da die Veröffentlichung nur einmalig und nur in einem berufsrechtlichen Medium erfolgte. Daran ändere auch die Veröffentlichung im Internet nichts.
 
Der Arzt habe hier nach Auffassung des Bundesverfassungsgerichts die Beeinträchtigung seines Persönlichkeitsrechts hinzunehmen. Die Allgemeinheit, insbesondere die Gemeinschaft der Versicherten und auch die Kammerangehörigen, habe insoweit ein berechtigtes Interesse an Information, damit sie ihr Verhalten nach Kenntnis einer solchen Verfehlung anpassen könne. Die Veröffentlichung sanktioniert nicht nur das Fehlverhalten eines Einzelnen sondern hat auch auf andere Ärzte eine abschreckende Wirkung, die der Gefahr einer höheren Kostenlast für die Versicherten vorbeugen soll.
 

Folgen

Ärzte in Nordrhein-Westfalen müssen im Falle eines schweren Berufsvergehens, und hierzu zählt auch Abrechnungsbetrug in 4 Fällen, als weitere Sanktionierung eine Urteilsveröffentlichung erdulden. Das Bundesverfassungsgericht hat mit diesem Beschluss vom 3. März 2014 (Az. 1 BvR 1128/13) eindrucksvoll darauf hingewiesen, dass Abrechnungsbetrug nicht nur berufsrechtliche und strafrechtliche Folgen nach sich zieht, sondern durch Veröffentlichung des Urteils unter Nennung des Namens auch eine – mittelalterlich anmutende – Prangerwirkung erzielt wird.
 
Der öffentliche Pranger gilt momentan jedoch nur für Ärzte in Nordrhein-Westfalen. Angehörige anderer Kammerbezirke, z. B. Bayern oder Baden-Württemberg, haben eine solch strenge Strafe weiterhin nicht zu befürchten. Denn die Möglichkeit der Veröffentlichung von berufsgerichtlichen Urteilen unter Angabe des Namens sieht derzeit alleine das HeilBerG NRW vor.

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