Anpassung pandemiebedingter Vorschriften im Miet- und Pachtrecht zum 31.12.2020

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​veröffentlicht am 5. Februar 2021

 

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Meistens reagiert die Gesetzgebung behäbig und läuft zeitlich der Entwicklung in der Gesellschaft nach. Die derzeit grassierende Pandemie belehrt uns eines Besseren: Der Gesetzgeber hat überraschend schnell zum 31.12.2020 Nachbesserungen am „Gesetz zur Abmilderung der Folgen der Covid-19-Pandemie im Wettbewerbsrecht und für den Bereich der Selbstverwaltungsorganisationen der gewerblichen Wirtschaft” aus dem Mai 2020 vorgenommen. Bei näherer Betrachtung wünschte man sich, der Gesetzgeber hätte es bei seiner Behäbigkeit belassen.


Handeln des Gesetzgebers

Während der ersten Pandemiewelle sah sich der Gesetzgeber genötigt, für laufende Mietverträge eine ausgleichende Regelung herbeizuführen. Der Gesetzgeber attestierte damals, dass: „…für Mietverhältnisse über Grundstücke oder über Räume […] das Recht der Vermieter zur Kündigung von Mietverhältnissen eingeschränkt [wird].” Ausdrücklich aber heißt es weiter: „Die Verpflichtung der Mieter zur Zahlung der Miete bleibt im Gegenzug im Grundsatz bestehen. Dies gilt für Pachtverhältnisse entsprechend.”


Damit war das gemeinsame Verständnis manifestiert, dass die Pandemie weder eine Mietminderung oder sonstige Gewährleistungsrechte auslöst oder gar als Fall der Störung der Geschäftsgrundlage anzusehen ist. Umso überraschender ist, dass die Bundesjustizministerin Lambrecht im Dezember 2020 hierzu plötzlich mitteilte, mit einer Änderung des § 313 BGB gezielt in das  Mietrecht eingreifen zu wollen: „Ich möchte gesetzlich klarstellen, dass dies regelmäßig die Störung der Geschäftsgrundlage für ein Mietverhältnis bedeutet.” Allerdings würde das nicht automatisch einen Anspruch auf Mietminderung bedeuten.


Dieses Ziel erreicht die Bundesregierung nun über eine Änderung des Gesetzes zur Abmilderung der Folgen der COVID-19-Pandemie. Laut Gesetzesbegründung können „öffentlich-rechtliche Beschränkungen – abhängig von den Umständen des Einzelfalls und den konkreten vertraglichen Vereinbarungen – auch einen Mangel im Sinne des § 536 BGB darstellen. Ebenso können öffentlich-rechtliche Beschränkungen zu einer schwerwiegenden Veränderung der Grundlage des Vertrages im Sinne des § 313 BGB führen. Dies gilt auch für die Monate April bis Juni 2020, als aufgrund des Gesetzes zur Abmilderung der Folgen der Covid-19-Pandemie im Mietrecht vorübergehend ein besonderes Kündigungsschutzrecht galt.


Denn das Gesetz zur Abmilderung der Folgen der Covid-19-Pandemie regelte weder den Ausschluss der mietrechtlichen und allgemeinen Leistungsstörungsrechte noch traf es eine Aussage über die Risikoverteilung zwischen den Parteien von Mietverträgen.” (…) „Allgemeine und mietrechtliche Gewährleistungs- und Gestaltungsrechte sind vorrangig gegenüber § 313 BGB – ein Umstand, der nicht geändert werden soll.”


Das Vorrang- und Beschleunigungsgebot des neuen § 44 EGZPO gilt laut Gesetzesbegründung „nicht nur für Verfahren, in denen der Mieter eine Anpassung der Miete nach § 313 BGB einklagt, sondern findet auch dann Anwendung, wenn der Mieter die Anpassung der Miete als Einrede gegen die Zahlungsklage des Vermieters erhebt oder andere Anspruchsgrundlagen wie etwa die Mietminderung für die Anpassung der Miete im Zusammenhang mit der Covid-19-Pandemie herangezogen werden.” 

 

Rechtsprechung

Auch die Rechtsprechung schafft es in dieser Zeit nicht, Vertrauen zu bilden.


Das LG Frankfurt/Main hat mit Urteil vom 2.10.2020, Az.: 2-15 O 23/20 (noch nicht rechtskräftig) entschieden, dass staatlich verordnete Schließungen wegen Covid-19 weder zu einem Mietmangel noch zu einer Unmöglichkeit führen. Zur Begründung führt das Landgericht aus, dass Gebrauchsbeeinträchtigungen durch hoheitliche Maßnahmen nur den geschäftlichen Erfolg des Mieters betreffen. Solange seitens des Vermieters die vertraglich vorgesehene Nutzung ermöglicht wird, trägt der Mieter das Verwendungsrisiko, mit dem Mietobjekt Gewinne erwirtschaften zu können, allein. Gleichlautend äußert sich auch das LG Heidelberg in seinem Urteil vom 30.7.2020 (Az.: 5 O 66/20).

 

Anders hingegen das LG München I in seiner Entscheidung vom 22.9.2020 (Az.: 3 O 4495/20). Danach gilt: Der Mieter darf nach § 536 Abs. 1 Satz 2 BGB mindern, weil die staatlich verordnete Schließung einen Mangel der Mietsache bewirke. Im Übrigen sei anerkannt, dass öffentlich-rechtliche Beschränkungen als rechtliche Verhältnisse einen Mangel darstellen können, wenn sie sich auf Beschaffenheit, Benutzbarkeit oder Lage der Sache beziehen, wobei es auf den vereinbarten Geschäftszweck ankommt und die Beschränkung grundsätzlich bestehen muss. Der Mietzweck – Betreiben eines Geschäfts – konnte nach den behördlichen Beschränkungen infolge der Epidemie nicht mehr eingehalten werden. Diese Beschränkungen fallen nach Ansicht der Münchener Richter nicht in den Risikobereich des Mieters.

 

Zudem liege eine Störung der Geschäftsgrundlage vor, da die Parteien die Folgen einer eintretenden Corona-Epidemie und staatlicher Infektionsschutzmaßnahmen offenkundig nicht bedacht haben und so den Vertrag kaum geschlossen hätten (§ 313 Abs. 1 und 2 BGB).


Fazit und Empfehlung

Angesichts der aktuellen Lage, eine in sich widersprüchliche Rechtsprechung einerseits, ein vermutlich nicht vollständig zu Ende gedachter Vorstoß des Gesetzgebers zur Entlastung der unmittelbar von den allgemeinen Lockdown-Entscheidungen Betroffenen andererseits, ist es dringend zu empfehlen, jede Entscheidung über Auflösung oder Anpassung von Mietverträgen wohlüberlegt und keinesfalls voreilig zu treffen. Wenn Ihr Mieter an Sie mit dem Verlangen nach einer Mietminderung oder Abänderung der Miete herantritt, sollten Sie sich die Argumente im Einzelfall anhören und nicht vorschnell zusagen oder ablehnen.


Die vorstehenden Ausführungen des Gesetzgebers sind wohl dahingehend zu verstehen, dass der Mieter bei öffentlich-rechtlichen Beschränkungen vorrangig ein Minderungsrecht ausüben kann, da diese Beschränkungen einen „Mangel” darstellen können. Sollte abhängig von den Umständen des Einzelfalls kein Mangel der Mietsache bejaht werden, kann eine Störung der Geschäftsgrundlage vorliegen. Hier greift dann die gesetzliche Vermutung, dass das reale Merkmal des § 313 BGB erfüllt wäre.

 

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Andreas Griebel

Rechtsanwalt, Fachanwalt für Miet- und Wohnungseigentumsrecht

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