Leistungsstörungen durch die Covid-19-Pandemie im Facility Management – „Unmöglichkeit”, „Störung der Geschäftsgrundlage”, „Höhere Gewalt”

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​veröffentlicht am 2. November 2021


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Die Covid-19-Pandemie hat die Wirtschaft vor erhebliche Herausforderungen gestellt. Im Bereich des Gebäudebetriebs wurden Leistungen zum Teil nicht mehr benötigt, wurden ausgesetzt oder wurden in anderer Art und Weise gebraucht. In manchen Wirtschaftsbereichen wurden z. B. Liefer- oder Produktionsketten unterbrochen und führten zu einer Verknappung diverser Ressourcen. Vertragspartner konnten nicht mehr leisten und zahlende Kunden blieben aus.

 

Der Gesetzgeber hat sehr schnell reagiert und erließ durch Art. 5 COVFAG (Gesetz zur Abmilderung der Folgen der Covid-19-Pandemie im Zivil-, Insolvenz- und Strafverfahrensrecht) ein Moratorium. Dieses ermöglicht in seinem Anwendungsbereich die Einrede des nichterfüllten Vertrags (§ 320 BGB). Hiernach hatten insbesondere Verbraucher und Kleinstunternehmen das Recht, unter gewissen Voraussetzungen Leistungen zur Erfüllung eines Anspruchs zu verweigern.

 

Der Gesetzgeber hat hier sehr schnell reagiert und wird ggf. je nach Anforderungen der Pandemie unter Umständen wieder reagieren (müssen). Unabhängig davon empfiehlt es sich, in der Vertragsgestaltung Vorsorge zu treffen, was Pandemien und ähnliche Fälle betrifft. Denn die gesetzlichen Regelungen des COVAG betreffen im Wesentlichen nur bestimmte Adressaten und greifen nur bei den gesetzlich geforderten Voraussetzungen.
 
Das geltende BGB kennt gesetzliche Institute, die hier eine weitere Lösung für streitige Fälle anbieten können. Dies ist die sog. Unmöglichkeit (§ 275 Abs. 1 BGB) oder die Störung der Geschäftsgrundlage (§ 313 BGB). Unmöglichkeit könnte gegeben sein, wenn eine Partei durch den Lockdown an einer Pflichterfüllung gehindert wird. Nach § 275 Abs. 1 BGB entfällt die Leistungspflicht, wenn die Leistung für den Schuldner oder jedermann unmöglich ist. Im Bereich des Facility Managements dürfte für die Facility Services-Dienstleister in der Regel die Leistungserbringung weiterhin - unter Beachtung etwaiger Auflagen — möglich sein. Eine Ausnahme dürfte bestehen, wenn eine behördliche Anordnung (wie zum Beispiel eine vorübergehende Nutzungsuntersagung) besteht. Für den Fall einer solchen vorübergehenden Unmöglichkeit entfällt gemäß § 326 Abs. 1 die Gegenleistungspflicht (Vergütungspflicht). Ob der Vertragspartner seine Nichtleistung zu vertreten hat und damit ggf. auch Schadensersatz schuldet, kann im Einzelfall schwer zu beurteilen sein.

 

Das nachrangige und in Ausnahmefällen anzuwendende Institut der Störung der Geschäftsgrundlage könnte jedoch auch weiterhelfen. Jedenfalls vor Auftreten der Corona-Pandemie dürften die Vertragsparteien eine solche Pandemie jedenfalls nicht vorhergesehen haben. Eine Vertragsanpassung — unter Zugrundelegung der Zumutbarkeit am Festhalten am Vertrag - dürfte eine Lösung bieten. Jedoch kann auch hier im Einzelfall trefflich darüber gestritten werden, ob tatsächlich eine Störung der Geschäftsgrundlage vorliegt und welche konkreten Vertragsanpassungen zumutbar sind.

 

Zusammenfassend empfiehlt sich deswegen in Verträgen die Aufnahme entsprechender Regelungen (bezeichnet als „Covid-Klausel” oder auch häufig „Corona-Klausel”). Eine solche Klausel kann sich z. B. an den sog. Force-Majeure-Klauseln orientieren. Diese in (internationalen) Wirtschafts- und Lieferverträgen üblichen Klauseln sind im deutschen Recht und besonders in FM-Verträgen bis dato kaum anzutreffen. In der ersten Welle der Pandemie gab es einen reflexartigen Drang nach der Vereinbarung solcher Klauseln in Neuverträgen bzw. die Erstellung von Nachträgen zu Bestandsverträgen. Solche Klauseln regeln in unterschiedlichem Detaillierungsgrad, welche Partei in welchem Umfang in Fällen höherer Gewalt die Risiken eines nachträglichen Erfüllungshindernisses zu tragen hat. Die Rechtsfigur der höheren Gewalt ist dem deutschen Recht auch nicht unbekannt, so findet sich der Begriff z. B. in § 4 UmweltHG, § 89 Abs. 2 Satz 3 WHG, § 206 BGB, § 701 Abs. 3 BGB.

 

Nach der Begriffsbestimmung der Rechtsprechung ist höhere Gewalt
„ein betriebsfremdes, von außen durch elementare Naturkräfte oder durch Handlungen dritter Personen herbeigeführtes Ereignis, das nach menschlicher Einsicht und Erfahrung unvorhersehbar ist, mit wirtschaftlich erträglichen Mitteln auch durch die äußerste nach Sachlage vernünftigerweise zu erwartende Sorgfalt nicht verhütet oder unschädlich gemacht werden kann und auch nicht wegen seiner Häufigkeit vom Betriebsunternehmer in Kauf zu nehmen ist” (RGZ 64, 404; BGH NZV 2008, 79, 80).

 

Insofern ist fraglich, ob ohne genauere Vereinbarung und Ausgestaltung von Force-Majeure-Klauseln, in Zukunft die Covid-19-Pandemie als ein Fall höherer Gewalt zu qualifizieren sein wird. Denn Stand heute wäre ein Covid-19-Ausbruch und ein ggf. damit verbundener Lockdown schon nicht mehr gänzlich unvorhersehbar. Das Vorliegen der Unvorhersehbarkeit könnte man im Übrigen bereits für den ersten Covid-19-Ausbruch in Deutschland in Anbetracht des ersten Auftretens in China diskutieren.

 

Deswegen empfehlen unsere auf die Vertragsgestaltung spezialisierten Rechtsanwälte in neu abzuschließenden Verträgen das Thema vertraglich zu gestalten und die Voraussetzungen sowie die Risikoverteilung genau zu regeln. Denkbar ist z. B. zu vereinbaren, dass Folgen und mit Covid-19 verbundene Risiken in die Risikosphäre einer Partei fallen, dass Leistungen ausgesetzt werden können und sich der Vertrag entsprechend verlängert. Auch ist denkbar, dass in besonderen, kalkulatorisch riskanten Leistungsbeziehungen der Auftragnehmer trotz seiner Leistungsunterbrechung eine Art Sockelbetrag als Zahlung für einen Zeitraum x erhält. Vieles ist hier je nach Vertragsart denkbar. In diesem Kontext seien auch sog. „Hardship-Klauseln” erwähnt, nach denen nicht der Fall einer Verhinderung der Vertragserfüllung geregelt wird, sondern nur der Fall der Erschwerung der Leistungsdurchführung.

 

Unsere auf das Vertragsrecht spezialisierten Rechtsanwälte stehen Ihnen bei der Gestaltung entsprechender Klauseln bis zu ganzen Verträgen und Vertragskonzepten jederzeit gerne zur Verfügung. Sprechen Sie uns an!


§ 313 Störung der Geschäftsgrundlage

  1. Haben sich Umstände, die zur Grundlage des Vertrags geworden sind, nach Vertragsschluss schwerwiegend verändert und hätten die Parteien den Vertrag nicht oder mit anderem Inhalt geschlossen, wenn sie diese Veränderung vorausgesehen hätten, so kann Anpassung des Vertrags verlangt werden, soweit einem Teil unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalls, insbesondere der vertraglichen oder gesetzlichen Risikoverteilung, das Festhalten am unveränderten Vertrag nicht zugemutet werden kann.
  2. Einer Veränderung der Umstände steht es gleich, wenn wesentliche Vorstellungen, die zur Grundlage des Vertrags geworden sind, sich als falsch herausstellen.
  3. Ist eine Anpassung des Vertrags nicht möglich oder einem Teil nicht zumutbar, so kann der benachteiligte Teil vom Vertrag zurücktreten. An die Stelle des Rücktrittsrechts tritt für Dauerschuldverhältnisse das Recht zur Kündigung.

 

§ 275 Ausschluss der Leistungspflicht

  1. Der Anspruch auf Leistung ist ausgeschlossen, soweit diese für den Schuldner oder für jedermann unmöglich ist.
  2. Der Schuldner kann die Leistung verweigern, soweit diese einen Aufwand erfordert, der unter Beachtung des Inhalts des Schuldverhältnisses und der Gebote von Treu und Glauben in einem groben Missverhältnis zu dem Leistungsinteresse des Gläubigers steht. Bei der Bestimmung der dem Schuldner zuzumutenden Anstrengungen ist auch zu berücksichtigen, ob der Schuldner das Leistungshindernis zu vertreten hat.
  3. Der Schuldner kann die Leistung ferner verweigern, wenn er die Leistung persönlich zu erbringen hat und sie ihm unter Abwägung des seiner Leistung entgegenstehenden Hindernisses mit dem Leistungsinteresse des Gläubigers nicht zugemutet werden kann (...).

 

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Klaus Forster, LL.M.

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