Der digitale Mietvertrag mit der elektronischen Signatur – Ist das möglich?

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​veröffentlicht am 1. August 2022

 

 

Aufgrund der COVID-19-Pandemie und der dadurch reduzierten Präsenstermine gewinnt der digitale Rechtsverkehr und vieldiskutierte Einsatz elektronischer Signaturen (e-Signatur) als Alternative zur eigenhändigen Unterschrift zunehmend an Bedeutung. Das Stichwort lautet: papierloses Vertragsmanagement. Zu diesem Thema werden bereits für diverse Bereiche des alltäglichen Lebens technische Lösungen von diversen Dienstleistern angeboten. Davon ist auch zunehmend die Immobilienwirtschaft im Rahmen des Mietvertragsabschlusses betroffen. Doch halten solcherart elektronisch signierte Mietverträge, insbesondere bei der Vermietung von Gewerberäumen, die gesetzliche Schriftform ein? Oder ist die Immobilienwirtschaft weiterhin auf schriftlich abgefasste Originaldokumente angewiesen? Mit diesem Artikel soll beleuchtet werden, ob der elektronisch signierte Mietvertrag zukünftig den Standardfall darstellen könnte.


Das Schriftformerfordernis nach § 550 Bürgerliches Gesetzbuch (BGB) 

Für Mietverträge, die für längere Zeit als ein Jahr geschlossen werden, ist die Schriftform nach §§ 550, 126 BGB verpflichtend. Sinn und Zweck dieser Vorschrift sollte dabei ursprünglich der Schutz des Erwerbers von vermieteten Gewerberäumen sein: Diese sollten sich anhand der vor dem Verkauf vorgelegten Mietverträge ein umfassendes Bild über die getroffenen Vereinbarungen machen können.

 

Danach ist ein auf länger als ein Jahr befristeter Mietvertrag, wenn er nicht in der vorgesehenen Schriftform abgeschlossen wurde, zwar nicht unwirksam. Dieser kann aber von jeder Partei kurzfristig und jederzeit nach einem Jahr ordentlich gekündigt werden, unabhängig von der im Vertrag vereinbarten Laufzeit. Die frühzeitige Kündigung ist bei langlaufenden Mietverträgen eben gerade unerwünscht und kann folglich wirtschaftliche Probleme mit sich bringen. Umso wichtiger wird die Frage, ob die digitale Signatur das Schriftformerfordernis erfüllt.

 

Die sogenannte „eIDAS”-Verordnung

Die Einsatzmöglichkeiten der elektronischen Signatur sind in der europäischen Verordnung vom 28.8.2014 über elektronische Identifizierung und Vertrauensdienste für elektronische Transaktionen im Binnenmarkt und zur Aufhebung der Richtlinie 1999/93/EG geregelt. Diese sog. „eIDAS”-Verordnung (= electronic Identification, Authentication and trust Services) regelt die Nutzung elektronischer Identifizierungsmittel und Vertrauensdienste in allen EU-Staaten. Die (teilweise) Umsetzung dieser Verordnung erfolgte in der Vorschrift des § 126a BGB, wonach der digitale Namenszug die gesetzlich vorgeschriebene schriftliche Form (= „Das Gebot der Handschriftlichkeit” nach § 126 BGB) ersetzen kann. Zu beachten sind lediglich bestimmte technische Mindeststandards sowie die verpflichtende Administration des Signaturprozesses über eine zertifizierte Stelle, die sog. Vertrauensdienste. Diese Vertrauensdienste liegen bei privaten Technologie-Unternehmen.

 

Vertrauensdienste bieten ein hohes technisches Sicherheitsniveau und sorgen für Manipulationsschutz (Inte-
grität) von digitalen Dokumenten. Darüber hinaus bieten elektronische Siegel die Möglichkeit, Dokumente im Namen einer juristischen Person, z. B. eines Unternehmens oder einer Behörde, zu signieren.

Die „eIDAS”-Verordnung sieht verschiedene Signaturen für unterschiedliche Rechtsgeschäfte vor, an die dementsprechend auch verschiedene formale Anforderungen gestellt werden. Zum rechtswirksamen Unterzeichnen digitaler Dokumente bedarf es etwa einer so genannten qualifizierten elektronischen Signatur („e-Signatur). Nach dieser Verordnung hat die e-Signatur” die gleiche Rechtswirkung wie eine handschriftliche Unterschrift.

 

Das Verhältnis zwischen der Schriftform und der e-Signatur in der Rechtsprechung

Man kann davon ausgehen, dass die elektronische Form, aufgrund ihrer nicht ganz einfachen technischen Handhabung mit entsprechender Software und Hardware der Identitäts-, Verifikations- und Warnfunktion, einen Sicherheitsstandard gewährleistet, der nicht wesentlich hinter dem der Schriftform zurückbleibt. Klar ist allerdings auch, dass dies nur dann gilt bzw. die elektronische Form des § 126a BGB nur dann eingehalten wird, wenn bereits bei der Signierung des elektronischen Dokuments die gesamten formbedürftigen Abreden und damit auch alle Anlagen zum Mietvertrag vorliegen.

 

Während also die technische Umsetzung eindeutig zu sein scheint und die qualifizierte elektronische Signatur bei dem Vertragsmanagement nach und nach zum Standard wird, gibt es bei der Anwendung auf langfristige Mietverträge und die Regelung des § 550 BGB rechtliche Zweifel.

 

Der Bundesgerichtshof (BGH) fordert für die Einhaltung der Schriftform nach § 550 BGB bislang ein – trotz definierten Auflockerungskriterien – einheitliches Papierdokument. Bei dem elektronisch signierten Dokument liegt anstelle einer Urkunde in Papierform ein auf diversen Servern gespeichertes elektronisches Dokument vor. Somit würde es bei delokalisierter Speicherung an einer einheitlichen Urkunde fehlen.

 

So beurteilte der BGH in seiner Entscheidung vom 7.5. 2008 – XII ZR 69/06, dass das Schriftformgebot des
§ 550 BGB in erster Linie sicherstellen wolle, dass ein späterer Grundstückserwerbender, der kraft Gesetzes aufseiten des Vermieters in ein auf mehr als ein Jahr abgeschlossenes Mietverhältnis eintritt, dessen Bedingungen aus dem schriftlichen Vertrag ersehen könne. Für die Einhaltung der Schriftform ist es demnach erforderlich, dass lückenlos auf alle Schriftstücke Bezug genommen wird, aus denen sich die wesentlichen vertraglichen Vereinbarungen der Parteien ergeben.

 

Diese vorbenannte Begründung hat der BGH insoweit weitgehend bis heute beibehalten.

 

Gegen die Bedenken im Hinblick auf die Einheitlichkeit der Urkunde lässt sich auch eine jüngere Entscheidung des BGHs vorbringen, die zeigt, dass gerade dieses Merkmal zuletzt von der Rechtsprechung gelockert wurde: Nach Rechtsprechung des BGHs aus dem Urteil vom 22.4.2015 – XII ZR 55/14 könne aus der Bezeichnung „zweiter Nachtrag” folgen, dass es einen ersten Nachtrag geben muss, auch wenn dieser nicht ausdrücklich in Bezug genommen wurde. Nichts anderes muss dann bei einer delokalisierten Speicherung der Mietvertragsdokumente gelten: Solange für einen potenziellen Erwerbenden des Objektes deutlich wird, dass die relevanten Dokumente vorhanden sind, muss dies genügen, um die gesetzliche Schriftform einzuhalten.

 

Blick in die Zukunft

Die e-Signatur bei länger laufenden, befristeten Mietverträgen ist noch mit Vorsicht zu genießen. Denn noch hat der BGH keinen Fall zum elektronisch signierten Mietvertrag entschieden, sodass noch unklar ist, ob er die Einheitlichkeit des Vertragsdokumentes bei der elektronischen Signatur gewahrt sieht und ob die Speicherung mit den Erfordernissen der Urkundeneinheit vereinbar ist. Aufgrund der immer mehr zunehmenden Digitalisierung ist es vermutlich nur eine Frage der Zeit, bis sich der BGH zu diesem Thema positioniert. Ferner darf nicht außer Acht bleiben, dass der Einsatz der Signaturkarte, die mit einer PIN bedient wird, hohes Missbrauchspotenzial mit sich bringt. Denn sowohl die Signaturkarte und als auch die PIN können an andere Personen weiteregegeben werden. Dies kann auch gegen den Willen des berechtigten Karteninhabers geschehen, etwa durch betrügerisches Aushorchen („Phishing”) oder durch technisches Überwinden der Sicherheitsstandards („Hacking”).

 

Zu möglichen Folgen haben sich die Gerichte in Deutschland bislang nicht geäußert – es bleibt also spannend.

 

Sollte die e-Signatur derzeit zum Einsatz kommen, wird stark empfohlen, die wirtschaftlichen Risiken für die Parteien abzuwägen, da eine rechtlich eindeutige Positionierung momentan nicht erfolgen kann. Wir denken aber, dass die Digitalisierung von Mietverträgen und deren Handling künftig eine wichtige Rolle in der Immobilienwirtschaft einnehmen wird.

 


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Hilâl Özdemir

Rechtsanwältin, Fachanwältin für Miet- und Wohnungseigentumsrecht, Wirtschaftsjuristin (Univ. Bayreuth), Wirtschaftsmediatorin (MuCDR)

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