Wärmedämmung in eng bebauten Wohngebieten

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​veröffentlicht am 1. August 2022

 

 

Immer wieder beschäftigt sich der Bundesgerichtshof (BGH) mit Immobilien in Bezug auf die Wärmedämmung, so aktuell mit Urteil vom 23.7.2022 (Az.: V ZR 23/11). Das ist nicht zuletzt ein wichtiges Kapitel für das Zusammenspiel von Eigentümerinnen und Eigentümern, Vermieterinnen und Vermietern und auch Mieterinnen und Mietern. Der Beitrag soll klären, was erlaubt ist, was erforderlich ist und welche grundsätzlichen Überlegungen beim Thema „Anbringung einer Wärmedämmung” an grenznahen Häusern eine Rolle spielen. Was müssen Immobilienbesitzer im Zusammenwirken mit Nachbargrundstücken beachten?

 

 

Ausgangslage

Das im gesamten Bundesgebiet geltende Bürgerliche Gesetzbuch (BGB) beschäftigt sich in seinen §§ 903 ff BGB mit den Inhalten und Befugnissen des Eigentums. Unter Grundstücksnachbarinnen und -nachbarn sind diese Vorschriften häufig bekannt, weil sie sich mit den dringenden Themen des Überwuchses von Pflanzen oder Abgrabungen und Aufschüttungen von Grundstücken und eben auch mit der Grenzbebauung beschäftigen.

 

Von besonderer Bedeutung ist derzeit die Zulässigkeit nachträglicher Überbauten insbesondere im Zusammenhang mit der energetischen Gebäudesanierung zum Zwecke der Wärmedämmung, wenn der Nachbar sich hiermit nicht einverstanden erklärt. Oftmals besteht aber konkreter Anlass dazu, weil der Verordnungs- und Gesetzgeber darauf drängt.

 

Hiervon zu unterscheiden ist die baurechtliche Zulässigkeit solcher Maßnahmen. Für die baurechtlichen Vorschriften zeichnen sich die Bundesländer mit ihrer jeweiligen Bauordnung verantwortlich. Eine baurechtlich zulässige Maßnahme hat aber nichts damit zu tun, dass die Grundstücksnachbarin und der -nachbar die baurechtlich zulässige Maßnahme auch dulden muss.

 

Bundesgesetzliche Regelung

Eine solche Duldungspflicht gemäß § 912 BGB kommt nämlich hierfür nicht in Betracht. Denn einerseits zielt
§ 912 BGB auf den Zeitpunkt der Errichtung des Gebäudes ab und andererseits darauf, ob der Überbau fest mit dem Gebäude verbunden ist und der Überbauende vorsätzlich oder fahrlässig handelte oder nicht. Auf nachträgliche Überbauten insbesondere durch Reparatur- und Modernisierungsmaßnahmen ist § 912 BGB nach seinem Wortlaut nicht anwendbar. Die Vorschrift kann aber auf solche Konstellationen nach ihrem Rechtsgedanken analog angewendet werden. Wollte man den „Zeitpunkt der Errichtung” noch auf den Zeitpunkt des Anbringens des Überbaus auslegen, so sind die angebrachten Dämmplatten aber in aller Regel ohne Weiteres wieder zu entfernen (u. a. BGH, Urt. v. 27.3.2015, Az.: V ZR 216/13). Letztlich ist der Grenzverlauf den sanierungswilligen Eigentümerinnen und Eigentümern in aller Regel bekannt, sodass es an den subjektiven Voraussetzungen (ohne Verschulden überbaut) häufig fehlt.

 

Das Interesse der Gebäudeeigentümerin und des -eigentümers und der Allgemeinheit an einer Wärmedämmung begründen auch unter Berücksichtigung des in Art. 20 a GG verfassungsrechtlich normierten Staatsauftrags zum Schutz der natürlichen Lebensgrundlagen für die künftigen Generationen einen Ausnahmefall nicht (BGH, NZM 2017, 855 Rn. 16).  

 

Letztlich: Auch aus einem ungeschriebenen Rechtsinstitut des „nachbarlichen Gemeinschaftsverhältnisses” kann eine Duldungspflicht nicht abgeleitet werden, weil dies die nachbarrechtlichen Vorschriften im BGB in ihr Gegenteil verkehren würde.

 

Landesgesetzliche Regelung

Aus diesem Grund haben die Bundesländer für bestehende Gebäude Regelungen in den Landesnachbargesetzen (nicht alle: § 7c BWNRG; Bayern: Art. 46a BayAGBGB; Berlin: § 16a NachbG Bln; Brandenburg: § 19a BbgNRG; Hessen: § 10a HesNachbRG; Niedersachsen: § 21a NNachbG; Nordrhein-Westfalen: § 23a NachbG NRW; Saarland: § 19a SaarlNachbG; Thüringen: § 14a ThürNRG) erlassen, die mit inhaltlich unterschiedlichen Voraussetzungen nachträgliche Überbauten zum Zwecke der Wärmedämmung von Bestandsbauten privilegieren sollen.

 

Bislang war (und ist es weiterhin) zweifelhaft, ob den Ländern eine solche Gesetzgebungskompetenz zusteht oder nicht. Hierzu hat sich nun der BGH in seinem Urteil vom 23.7.2022 (Az.: V ZR 23/21) geäußert: Es bleibt zumindest in Berlin unklar. Im streitigen Fall war aber eine Vorlage an das Bundesverfassungsgericht überflüssig. Die Vorschrift sei „noch als verhältnismäßig anzusehen” und ist damit verfassungsgemäß. Denn es gehe hier eben nicht nur um die Individualinteressen zweier Grundstückseigentümerinnen und -eigentümer. Die „Dämmvorschrift” diene „vor allem dem Klimaschutz und damit einem anerkannten Gemeinwohlbelang”, der auch im Grundgesetz (Art. 20a GG) verankert sei. Der BGH verweist ausdrücklich auf den Klimaschutzbeschluss des Bundesverfassungsgerichts. Aus diesem Grund war die Maßnahme in Berlin nach den dortigen Regelungen (noch) zulässig.

 

Ausblick

Eigentümerinnen und Eigentümer, die sich also auf eine Duldungspflicht der Nachbarin  oder des Nachbarn verlassen, gehen aber nicht nur wegen der weiterhin zweifelhaften Gesetzgebungskompetenz der Länder ein Risiko ein. So ist eine Innendämmung als ebenso wirksam wie eine Außendämmung bewertet worden (BayObLG, Urt. v. 1.10.2019, 1 ZRR 4/19) mit der Folge, dass letztere nach bayerischem Landesrecht nicht geduldet werden musste. In einem in Nordrhein-Westfalen spielenden Fall haben die Gerichte (LG Essen, Urt. v. 22.11.2012, Az.: 10 S 56/11; BGH, Az.: V ZR 144/18) ebenfalls festgestellt, dass nicht einheitlich beurteilt werden kann, ob eine Außendämmung stets zu dulden ist oder nicht. So kann es z. B. auch entscheidend sein, ob die Dämmstärke, die die KfW-Bank für förderfähig ansieht, von der Dämmstärke, die das Gesetz erfordert, abweicht. So konkret in einem derzeit noch anhängigen Fall im Bundesland Sachsen. Hier greifen genau die nach dem KfW-Kredit notwendigen Zentimeter auf die Nachbarfläche über – ein Zustand, den die Nachbarin oder der Nachbar nicht dulden muss. Mit der Besonderheit hier, dass das sächsische Nachbarrecht keine gleichlautende Regelung kennt.

 

Eine verlässliche Lösung bietet daher nur der kommunikative Weg mit der Nachbarin oder dem Nachbarn. Zu empfehlen ist die Eintragung einer Grunddienstbarkeit gegen Entschädigung der betroffenen Nachbarin oder des betroffenen Nachbarn.

 

 


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Andreas Griebel

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