Mängelhaftung in der mietfreien Zeit?

PrintMailRate-it

​veröffentlicht am 01. August 2018

 

Gewerbeimmobilien sind für Mieter meist gerade dann interessant, wenn der Vermieter dem gewünschten Mieter bei der Vertragsgestaltung in wirtschaftlicher Hinsicht entgegenkommt. Das gilt insbesondere bei neu errichteten Geschäftsraum-Immobilien. Die oft sehr marktmächtigen Mieter wissen hierum und nutzen diese Marktstellung zu ihrem Vorteil aus – in fast allen Fällen werden mietfreie Zeiten von bis zu 12 Monaten vereinbart. Doch was gilt, wenn in dieser Zeit ein Mangel auftritt? Unklar und bislang weder in der Rechtsprechung noch in der Literatur ausführlich diskutiert oder gar geklärt ist die Frage, ob und ggf. wie sich während der mietfreien Zeit im Mangelfalle die Miete mindert.

 

Was ist die Anspruchsgrundlage?

Eingangs stellt sich – wie immer – die Frage, wie sich das Verhältnis zwischen Mieter und Vermieter in dieser Zeit rechtlich qualifizieren lässt. Die Ausgangsnorm des Mietrechtes, § 535 BGB, setzt für das Vorliegen eines Mietverhältnisses eine entgeltliche Gebrauchsüberlassung voraus. Dies liegt augenscheinlich bei einer mietfreien Zeit gerade nicht vor. Es ist deshalb davon auszugehen, dass in Fällen völliger Mietzahlungsfreiheit vom Vorliegen eines Leiheverhältnisses auszugehen ist.

 

Die Fallgestaltungen hier sind aber anders: Mieter und Vermieter wollten sicherlich nicht vom Vorliegen einer Leihe ausgehen, nachdem sich bei der Leihe die Gewährleistungsansprüche von denen des Mietverhältnisses exorbitant unterscheiden. So trifft im Rahmen eines Mietverhältnisses gemäß § 535 Abs. 1 Satz 2 BGB den Vermieter die Verpflichtung, die Mietsache während der Mietzeit in einem zum vertragsgemäßen Gebrauch geeigneten Zustand zu erhalten. Völlig anders hat gemäß § 601 Abs. 1 BGB der Entleiher die gewöhnlichen Kosten der Erhaltung der Leihsache zu tragen. Auch wenn im Mietverhältnis typischerweise die Erhaltungslast auf den Mieter weitestgehend übertragen wird, ist das Vorliegen eines Leiheverhältnisses von beiden Parteien nicht gewünscht. Im Rahmen einer Leihe haftet der Verleiher für das Vorliegen eines Mangels gemäß § 600 BGB nur dann, wenn er diesen arglistig verschwiegen hat. Die Haftung des Vermieters gemäß § 536a Abs. 1 BGB ist demgegenüber völlig anders. Hier haftet der Vermieter für das Vorliegen eines anfänglichen Mangels verschuldensunabhängig und bei nachträglichen Mängeln für jede Form von Fahrlässigkeit.

 

Ein weiterer Unterschied liegt hierin: Die Vereinbarung der mietfreien Zeit erfolgt zu Beginn des Mietverhältnisses bereits im Rahmen des schriftlichen Mietvertrages. Die Parteien legen in diesem Mietvertrag den Beginn des Mietverhältnisses selbst fest. In aller Regel wird zudem vereinbart, dass der Mieter in dieser Zeit bereits die Betriebskosten/Nebenkosten der Mietsache trägt. Nachdem nach der Vorschrift des § 535 Abs. 1 Satz 3 BGB eigentlich der Vermieter die auf der Mietsache ruhenden Lasten zu tragen hat, ist deshalb davon auszugehen, dass auch die Überlassung in der mietfreien Zeit als Miete zu qualifizieren ist.

 

Obergerichtliche Rechtsprechung hierzu steht aus. Im Rahmen eines Wohnraummietverhältnisses hat der BGH am 20. September 2017 unter dem Az. VIII ZR 279/16 zu dieser Frage überraschend ausführlich Stellung bezogen und ausgeführt, dass  „… bei einer (nahezu) unentgeltlichen Überlassung von Wohnraum zu Wohnzwecken … die Differenzierung, ob die Parteien einen Mietvertrag (§ 535 BGB), einen Leihvertrag (§ 598 BGB) oder ein schuldrechtliches Nutzungsverhältnis sui generis (§ 241 BGB) abschließen oder nur ein bloßes Gefälligkeitsgeschäft vornehmen wollten, im Einzelfall schwierig ….” ist.  Der BGH hat dabei vor allen Dingen darauf abgestellt, was die Parteien nachweislich hierzu vereinbart haben. Dies sei immer Einzelfallentscheidung und diese bleibt dem Tatrichter (Richter der ersten Instanz) vorbehalten. In der Regel ist aber bei vereinbarter Tragung der Nebenkosten vom Vorliegen eines Mietverhältnisses auszugehen.

 

Mängelrechte in dieser Zeit?

Weist nun die Mietsache während dieser mietfreien Zeit einen Mangel auf, stellt sich die Frage, ob von der auf Null herabgesetzten Miete (gegebenenfalls vereinbarte Betriebskostenvorauszahlungen bleiben im Folgenden außer Betracht) etwas abgezogen werden kann. Soweit – siehe hierzu die deutliche Anmerkung des Bundesgerichtshofes – im Mietvertrag keine Regelung vorhanden ist, muss diese Lücke durch das Gericht per ergänzender Vertragsauslegung gefüllt werden. Es kommt also darauf an, was die Parteien vereinbart hätten, hätten sie diesen Fall bei Abschluss des Mietvertrages bedacht.

 

Eine ergänzende Vertragsauslegung unterbleibt aber, wenn das Gesetz für die fragliche Fallgestaltung eine Lösung vorsieht. Dies ist in § 536 BGB erfolgt. Die Anwendbarkeit des § 536 BGB könnte daran scheitern, dass diese Vorschrift nicht der Interessenlage der Vertragsparteien entspricht. Wenn die Mietsache kostenfrei genutzt werden kann, hätte sich der Vermieter, hätte er diesen Fall bedacht, den Ausschluss der Mietminderung vorbehalten. Andererseits hat der Vermieter gerade vertraglich versprochen, dem Mieter als Bonus für den Abschluss des Mietvertrages die Mietsache für einen gewissen Zeitraum unentgeltlich zur Verfügung zu stellen. Kommt er dieser Verpflichtung nicht nach, wäre der Vorteil, den der Mieter ausgehandelt hat, verloren.

 

Schlussendlich wird das Interesse des Mieters, die Mietsache auch in der mietfreien Zeit mangelfrei nutzen zu können, gegegenüber dem Interesse des Vermieters überwiegen. Ein weiteres Argument hierfür ist, dass anders als in anderen Vertragsverhältnissen die Mietminderung des kraft Gesetzes eintritt und nicht als Anspruch ausgestaltet ist. Liegt also ein zum Nachteil des Mieters abweichender Zustand vor, besteht das Recht zur Mietminderung.

 

Fraglich bleibt nur, wie im Falle einer fehlenden Vereinbarung die Mietminderung zu berechnen ist und vor allen Dingen für welchen Zeitraum. Problematisch ist dies insbesondere dann, wenn die vorgesehene Mietminderung über die tatsächlich zu zahlende Betriebskostenvorauszahlungshöhe hinausgeht. Zu dieser Fragestellung werden mehrere teils extreme Rechtsauffassungen vertreten. Vom Wegfall des Minderungsrechtes bis hin zur „negativen Miete” wird alles für möglich gehalten. Vermittelnd wird man wohl auf das geschuldete Entgelt für die Überlassung der Mietsache in der gesamten Vertragslaufzeit abstellen müssen und dementsprechend für die Mietminderung diese Durchschnittsmiete zugrunde legen. Unberücksichtigt bleiben hier freilich Mietsteigerungen, die zu diesem Zeitpunkt nicht antizipiert werden können. Aber auch hier wird es schlussendlich auf eine Einzelfallbetrachtung ankommen.

 

Geht man nun davon aus, dass die Mängelrechte des Mietvertrages in dieser Zeit grundsätzlich Anwendung finden, so muss dies auch für Aufwendungsersatz- und Schadensersatzansprüche gelten. Muss also der Mieter beispielsweise während der mietfreien Zeit aufgrund eines Mangels, der eine Nutzung der angemieteten Räume ausschließt, Ersatzräume anmieten, steht ihm prinzipiell ein Schadensersatzanspruch zu.

 

Vertragliche Regelung erforderlich!

Wenn man dieses Dilemma vermeiden möchte, sollte man entsprechende Regelungen in den Mietvertrag aufnehmen. Nachdem sich hierzu eine generalisierende Betrachtungsweise ausschließt, ist dies im jeweiligen Einzelfall zu entscheiden und entsprechend zu beantworten. Jedenfalls wird die vertragliche Vereinbarung allerdings zu sachgerechteren Ergebnissen führen als eine ergänzende Vertragsauslegung durch den vertragsfremden Dritten, der sich bei seiner Entscheidung nur auf das stützen kann, was ihm entsprechend vorgetragen wurde.

 

Aus dem Newsletter

Kontakt

Contact Person Picture

Andreas Griebel

Rechtsanwalt, Fachanwalt für Miet- und Wohnungseigentumsrecht

Partner

+49 911 9193 3579

Anfrage senden

Profil

Befehle des Menübands überspringen
Zum Hauptinhalt wechseln
Deutschland Weltweit Search Menu