Verkehrssicherungspflichten des Eigentümers enden beim Räum- und Streudienst an der Grundstücksgrenze

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Sachverhalt

Die Beklagte ist Eigentümerin eines Anwesens, in dem eine Wohnung an die Ehefrau des Klägers vermietet war. Im Januar 2010 herrschte Schneeglätte. Der Kläger stürzte beim Verlassen des Mietshauses auf dem Kopfsteinpflaster des nicht geräumten Streifens des öffentlichen Gehwegs im Bereich des Grundstückeingangs vor dem Anwesen der Beklagten. Durch den Sturz verletzte er sich. Die Schadensersatzklage des Klägers gegen die Beklagte wurde vom LG abgewiesen. Berufung und Revision des Klägers blieben ohne Erfolg. Streitfrage war, ob die Beklagte ihre mietvertraglichen Pflichten oder ihre deliktische allgemeine Verkehrssicherungspflicht verletzt hat, indem sie das auf öffentlichem Grund befindliche Anschlussstück nicht geräumt und gestreut hat.

 

Die Entscheidung des BGH

Der BGH hat in Übereinstimmung mit den Vorinstanzen sowohl eine Verletzung mietvertraglicher Nebenpflichten als auch eine Verletzung allgemeiner Verkehrssicherungspflichten verneint. Kern der Entscheidung sind Umfang und Grenzen der Verkehrssicherungspflichten eines Vermieters bzw. Grundstückeigentümers. In diesem Zusammenhang spielen in der ständigen Rechtsprechung stets die Fragen der Zumutbarkeit, Billigkeit und das allgemeine Lebensrisiko eine wesentliche Rolle. Der BGH führt aus, dass der Vermieter verpflichtet sei, dem Mieter den Zugang zur Mietsache zu gewähren und sich seine Erhaltungspflicht auch auf die nicht ausdrücklich mitvermieteten Hausteile, wie z.B. Treppen und Zugänge erstreckt. Diese Flächen müssen sich in einem verkehrssicheren Zustand befinden. Dazu gehöre es, die auf dem Grundstück befindlichen Wege vom Hauseingang bis zum öffentlichen Straßenraum zu räumen und zu streuen. Die gleiche Pflicht treffe den Eigentümer eines Grundstücks unter dem Gesichtspunkt der allgemeinen Verkehrssicherungspflicht (§ 823 Abs. 1 BGB). Die Pflicht beschränke sich aber grundsätzlich auf den Bereich des Grundstücks des Vermieters. Für die Sicherheit des öffentlichen Gehwegs sei dagegen allein die Gemeinde zuständig, sofern sie diese Pflicht nicht an die Anlieger delegiert hat. Der BGH führt ergänzend aus, dass der Umfang des Winterdienstes nicht danach ausgerichtet sei, jede Gefahr des Ausrutschens eines Fußgängers unter allen Umständen auszuschließen. Beim Umfang sind auch Art und Wichtigkeit des Weges, Gefährlichkeit und Stärke des Verkehrs sowie Gesichtspunkte der Zumutbarkeit für den Sicherungspflichtigen zu berücksichtigen. Es sei deshalb auch regelmäßig nicht erforderlich, den Gehweg bis zum Gehwegrand zu räumen. Einem Fußgänger sei es im Einzelfall zumutbar, eine kurze Distanz auf einem nicht geräumten Teil des Gehwegs auf eigenes Risiko zurückzulegen. Wenn er die hier von ihm zu verlangende Sorgfalt verletzt, verwirkliche er insoweit sein allgemeines Lebensrisiko.

 

Die Entscheidung ist interessengerecht. Denn eine generelle Erweiterung der Verkehrssicherungspflichten des Vermieters bzw. Eigentümers über seine Grundstücksgrenze hinaus würde zu einer rechtlich schwer begründbaren erheblichen Pflichtenerweiterung führen und in der Praxis auch zu erheblichen Abgrenzungsschwierigkeiten von Verantwortlichkeiten. Ausnahmen von diesem Grundsatz sind richtigerweise in der Rechtsprechung nur bei Vorliegen außergewöhnlicher Umstände angenommen worden. Solche lagen im vorliegenden Fall jedoch nicht vor.

 

 

Die maßgeblichen Vorschriften des Urteils:

§ 535 BGB Inhalt und Hauptpflichten des Mietvertrages
(1) Durch den Mietvertrag wird der Vermieter verpflichtet, dem Mieter den Gebrauch der Mietsache während der Mietzeit zu gewähren. Der Vermieter hat die Mietsache dem Mieter in einem zum vertragsgemäßen Gebrauch geeigneten Zustand zu überlassen und sie während der Mietzeit in diesem Zustand zu erhalten. (...)
§ 823 BGB Schadensersatzpflicht
(1) Wer vorsätzlich oder fahrlässig das Leben, den Körper, die Gesundheit, die Freiheit, das Eigentum oder ein sonstiges Recht eines anderen widerrechtlich verletzt, ist dem anderen zum Ersatz des daraus entstehenden Schadens verpflichtet.
(...)

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Klaus Forster, LL.M.

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