Nachbarschaftsstreit – oder warum auch der Frömmste nicht in Frieden leben kann!

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veröffentlicht am 04. September 2017

 

Immer wieder beschäftigen Streitereien unter Nachbarn die Gerichte. Egal ob es um Ruhestörungen, Geruchsbelästigung oder um den Nachbarshund geht: Selbst scheinbar harmlose Belanglosigkeiten enden nicht selten vor dem Richterpult. Aber was genau sagt das Nachbarschaftsrecht überhaupt zu Ruhestörung und Dreck von Haustieren, Gartennutzung und den anderen alltäglichen Scharmützeln unter Nachbarn?

 

​Im Sommer gibt es besonders häufig Streit unter Nachbarn, was einen einfachen Grund hat: In den warmen Monaten hat man viel mehr Berührungspunkte. Dazu zählt z.B. das Grillen im Garten oder auf der Terrasse ebenso wie Gartenarbeiten mit lauten Geräten oder auch lange Aufenthalte auf dem Balkon.

 

Landesgesetzliche Regelungen beachten

Dabei gibt es nur wenige bundesgesetzliche Regelungen, die das Zusammenleben der Nachbarn untereinander regeln. Es ist wichtig zu wissen, dass das Nachbarrecht zur Gesetzgebungszuständigkeit der Bundesländer gehört, es also folglich 16 verschiedene Nachbargesetze zu beachten gilt. Diese Regelungen beschäftigen sich aber zumeist mit klar messbaren Dingen, wie Pflanzabständen und sonstigen einzuhaltenden Regelungen an der Grundstücksgrenze.


Gesetzlicher Abwehranspruch

Grundsätzlich hat der Eigentümer eines Grundstückes gegen die vom Nachbargrundstück ausgehenden Immissionen (Gase, Dämpfe, Gerüche, Rauch, Geräusche etc.) einen Abwehranspruch, soweit er dadurch in der Nutzung seines Grundstücks beeinträchtigt wird, § 906 BGB. Dieser Abwehranspruch ist jedoch ausgeschlossen, wenn er zur Duldung der Beeinträchtigung verpflichtet ist.

 

Einzelfallbeispiele

  • Rauchen: Generell sind Raucher heutzutage im Nachbarschaftsrecht immer stärker in der Defensive. Im Normalfall ist das Rauchen in der eigenen Wohnung aber erlaubt. Vermieter wie Nachbarn haben dagegen erst einmal keine Handhabe, wie der BGH ständig bestätigt. Grundsätzlich kann auch das Rauchen auf dem Balkon nicht verboten werden. Allerdings können Nachbarn ihre Miete deshalb kürzen. Leidtragender ist also der Vermieter, weil er selbst kaum den rauchenden Mieter deswegen wird abmahnen können. Allerdings: Wer allzu rücksichtlos auf dem Balkon qualmt und dann auch noch Kippen und Asche einfach nach unten wirft, dem drohen empfindliche Strafen. So verurteilte das AG München eine Raucherin zur Zahlung von 3.000 Euro Schadenersatz an die unter ihr wohnende Nachbarin – 100 Euro für jeden nachgewiesenen weggeworfenen Zigarettenstummel (Az.: 483 C 32328/12).

 

  • Ruhestörung: Grundsätzlich haben Nachbarn ein Anrecht darauf, dass die örtlichen Ruhezeiten eingehalten werden. Denn die einzuhaltenden Ruhezeiten werden in Lärmschutzverordnungen (oder -satzungen) der Gemeinden geregelt. In den meisten Städten und Gemeinden muss man zwischen 13 und 15 Uhr sowie zwischen 22 und 6 Uhr Lärm vermeiden. Bei Verstoß hiergegen drohen Bußgelder von bis zu 5.000 Euro.

 

  • Grillen auf dem Balkon: Grillen auf dem Balkon ist nicht grundsätzlich verboten. Allerdings kann der Vermieter es im Mietvertrag untersagen. Mieter müssen sich dann mit Blick auf ein Urteil des LG Essen (Az.: 10 S 438/01) an das Verbot halten. Unabhängig davon müssen Mieter Rücksicht auf ihre Nachbarn nehmen: Wer diese mit Grill-Qualm belästigt, begeht eine Ordnungswidrigkeit und muss eine Geldbuße zahlen, entschied das OLG Düsseldorf (Az.: 5 Ss (OWi) 149/95).

 

  • Videokamera: Um möglichen Einbrechern auf die Spur zu kommen, dürfen Hauseigentümer das eigene Grundstück per Videokamera überwachen. Auf das Nachbargrundstück dürfen sie die Kamera aber nicht ausrichten, denn das wäre ein Verstoß gegen das Recht auf informationelle Selbstbestimmung des Nachbarn. Zudem liegt ein Verstoß gegen das Recht am eigenen Bild vor, wenn jemand ohne seine Einwilligung mit einer Kamera gefilmt wird.

 

  • Haustiere: Das deutsche Mietrecht und vor allem die jüngste Rechtsprechung des BGH billigt Mietern umfangreiche Tierhaltungsrechte zu und beschränkt ausdrücklich die  Mitbestimmungsrechte von Vermietern. So sind Haustierklauseln in Mietverträgen regelmäßig ungültig, wenn sie die Haustierhaltung generell verbieten und keine Einzelfallabwägung vorsehen (Az.: VIII ZR 168/12). Gleichwohl können Mieter wie Vermieter wegen ihrer Vierbeiner Ärger mit dem Nachbarn bekommen – vor allem wenn z.B. ein Hund regelmäßig Haufen in deren Garten hinterlässt. Das LG Bonn bestätigt, dass dies nicht hingenommen werden muss (Az.: 8 S 142/09). Der Tierhalter muss sogar dafür sorgen, dass keine Exkremente seiner Lieblinge in Nachbars Garten landen. Da Hundekot Krankheitserreger enthalten kann, gilt er rechtlich als Abfall. Das OLG Düsseldorf sieht es deshalb sogar als Ordnungswidrigkeit an, wenn Tierhalter die Hinterlassenschaften nicht aus dem Nachbargarten entfernen (Az.: 5 Ss 300/90; 5 Ss 128/90). Hier drohen dann sogar Bußgelder.

 

  • Äste: Hängen die Äste eines Baumes über den Gartenzaun, dürfen Nachbarn die Früchte nicht pflücken. Fallen sie hingegen in den eigenen Garten, darf man sie aufheben und essen. Dieser Grundsatz ist § 911 BGB verankert. Aber Achtung: Obst abtrennen oder den Baum schütteln, damit die Früchte abfallen, darf der Nachbar freilich nicht. Wenn herüberhängende Äste stören, kann man den Nachbarn auffordern, diese zurückzuschneiden. Dafür muss man ihm eine Frist setzen. Verstreicht diese und ist die Nutzung des eigenen Grundstücks durch die herüberhängenden Äste stark beeinträchtigt, darf man selbst tätig werden. Die Baumteile kann man dann bis zur Zaungrenze abschneiden.

 

  • Gartengestaltung: Häufiger Streitpunkt ist auch die Gartenarbeit. Neben Problemen wegen Ruhestörungen durch lärmende Geräte sind es häufig Grenzkonflikte, die zum Streit führen. Gegen Gartendeko hat der Nachbar in der Regel aber keine Handhabe. So sind beispielsweise unabhängig vom eigenen ästhetischen Empfinden Gartenzwerge im Nachbargarten zu erdulden, wie die Amtsgerichte bundesweit immer wieder feststellen. Lediglich obszöne, beleidigende oder gar volksverhetzende Gesten und Symbole sind verboten. Haben sich etwa im Gartenteich des Nachbarn Frösche niedergelassen, kann es in der Balzzeit der Tiere wegen deren Gequake schon einmal lauter werden. Hier spielt dann aber auch der Naturschutz eine Rolle: Alle Amphibien zählen nach dem Naturschutzrecht zu den gesetzlich geschützten Tierarten. Deshalb kann auch der Nachbar in aller Regel nichts gegen das Gequake der dort lebenden Frösche unternehmen, so schon ein älteres Urteil des BGH (Az.: V ZR 82/91). Schließlich muss der Nachbar auch grundsätzlich den Komposthaufen dulden, urteilten übereinstimmend die Amtsgerichte Regensburg (Az.: 7 C 1956/83) und Hersbruck (Az.: 9 C 1635/96). Eine Ausnahme gilt nach einem Urteil des OLG Stuttgart allerdings, wenn sich Schädlinge auf dem Komposthaufen niederlassen (Az.: 5 U 74/04).

 

Vertragliche Regelungen helfen

Um Streitsituationen zu minimieren, sind Mietvertragsparteien gut beraten, solche Streitpunkte, die vorhersehbar sind, im Mietvertrag oder einer angeschlossenen Hausordnung zu regeln. Die Inhalte basieren dabei zum einen auf leidlichen Erfahrungen oder zum anderen auf vorausschauendem Handeln. Oft vergessen wird, Regelungen zur Anpassung an die Rechtswirklichkeit oder geänderte gemeindliche Regelungen vorzunehmen. Das sollte zum Grundinhalt eines jeden Mietvertrages gehören. Damit kann man Einfluss auf die Rechtsprechung nehmen. Im Hinblick auf das Verhältnis zum Nachbarn hilft oft der gesunde Menschenverstand. Es gilt die Lebensweisheit. „Was Du nicht willst, das man Dir tu, das füg’ auch keinem andern zu.” Leider fehlt es an diesem Verstand allzu oft.

 

Die Vertragsparteien sind ferner gut beraten, Regelungen für den Streitfall vorzusehen. In aller Regel ist der Gang zum Gericht für beide Parteien ernüchternd, endet dieser doch oftmals in einem faulen Kompromiss. Hierzu bieten sich alternative Streitbeilegungsregelungen (z.B. Vereinbarung Mediation) an. Das hat der Gesetzgeber auch erkannt und weist die Streitigkeiten unter Nachbarn zunächst einem Schlichter (meist einem Notar) zum Versuch einer außergerichtlichen mediativen Streitbeilegung zu, § 15 a EGZPO. Hierzu sind aber ebenfalls die landesgesetzlichen Schlichtungsgesetze zu beachten.

 

Schlussendlich: Die allermeisten Deutschen leben in Frieden mit ihren Nachbarn. In nicht repräsentativen Umfragen zeigt sich, dass fast die Hälfte der Teilnehmer versucht, das Gespräch zu suchen und die Situation gütlich zu klären. Fast ein Fünftel (17,7 Prozent) versteht sich mit den Nachbarn sogar so gut, dass es – nach deren Auffassung – gar nicht erst zum Streit kommen kann.

​Im Sommer gibt es besonders häufig Streit unter Nachbarn, was einen einfachen Grund hat: In den warmen Monaten hat man viel mehr Berührungspunkte. Dazu zählt z.B. das Grillen im Garten oder auf der Terrasse ebenso wie Gartenarbeiten mit lauten Geräten oder auch lange Aufenthalte auf dem Balkon.

 

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Andreas Griebel

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