Betriebssicherheitsverordnung und die Verantwortung von Hersteller und Arbeitgeber

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​veröffentlicht am 02. Februar 2016

 

Der Arbeitgeber darf gemäß § 5 Abs. 1 und 3 der Betriebssicherheitsverordnung (BetrSichV) nur Arbeitsmittel zur Verfügung stellen und verwenden lassen, die unter Berücksichtigung der vorgesehenen Einsatzbedingungen bei der Verwendung sicher sind und den geltenden Rechtsvorschriften über Sicherheit und Gesundheitsschutz entsprechen.
 
​Die richtige Auswahl geeigneter Arbeitsmittel erfordert dabei stets eine betriebsspezifische Beurteilung der Arbeitsbedingungen (Gefährdungsbeurteilung), d.h. die Arbeitsmittel dürfen erst dann verwendet werden, nachdem auf der Basis der Beurteilung der Arbeitsbedingungen die erforderlichen Schutzmaßnahmen nach dem Stand der Technik unter Berücksichtigung der technischen Regeln und Erkenntnisse ergriffen und deren Wirksamkeit überprüft worden sind. Die Gefährdungsbeurteilung muss damit in den betrieblichen Beschaffungsprozess zur Auswahl der Arbeitsmittel einbezogen werden und die Betriebsanleitungen der Hersteller der in Frage kommenden Arbeitsmittel müssen bereits vor der Auswahl vorliegen, um bei der vergleichenden Beurteilung der Arbeitsbedingungen als Auswahlkriterium berücksichtigt werden zu können.
 

Verantwortung des Herstellers

Der überwiegende Anteil der Produkte fällt in den sog. „harmonisierten Bereich”, also den Geltungsbereich einer oder mehrerer produktgruppenspezifischer europäischer Richtlinien bzw. deren nationaler Umsetzung in Gesetze oder Verordnungen des jeweiligen nationalen Gesetzgebers. Die Hersteller derartiger Produkte müssen die in den nationalen Gesetzen und Verordnungen geregelten Pflichten und Beschaffenheitsanforderungen erfüllen.
  
Produkte, die hingegen nicht in den Geltungsbereich europäischer Richtlinien und damit in den nichtharmonisierten Bereich fallen (z. B. Handwerkszeuge, Leitern, Gerüste, Büromöbel), dürfen auf dem Markt nur dann bereitgestellt werden, wenn sie bei bestimmungsgemäßer oder vorhersehbarer Verwendung die Sicherheit und Gesundheit von Personen nicht gefährden (siehe § 3 Abs. 2 ProdSG).
  
Nach dem europäischen Produktrecht müssen Hersteller von Produkten durch eine geeignete Organisation die Aspekte von Sicherheit und Gesundheitsschutz in ihr unternehmerisches Handeln integrieren. Dabei sind insbesondere die nachfolgenden Anforderungen zu erfüllen:
 

Risikobeurteilung

Hersteller haben die vom Produkt ausgehenden Risiken für die Nutzer zu ermitteln und zu beurteilen und es sind dabei nicht ausschließlich nur die bestimmungsgemäße Verwendung, sondern auch jede vernünftigerweise vorhersehbare Fehlanwendung sowie alle Faktoren zu berücksichtigen, die zu Unfällen oder Erkrankungen führen können.
 

Massnahmen der Gefahrenverhütung

Unter Berücksichtigung der Risikobeurteilung ist das Produkt anschließend zu konstruieren und zu bauen und dabei sind alle Lebensphasen des Produkts (Inbetriebnahme, Transport, Gebrauch, Rüsten, Umbau, Störungsbeseitigung, Instandhaltung, Stillsetzen, Entsorgung) sowie alle Tätigkeiten an und mit dem Produkt bei bestimmungsgemäßer oder vorhersehbarer Verwendung zu berücksichtigen. Zudem sind eine Risikominimierung und eine ständige Verbesserung von Sicherheit und Gesundheitsschutz anzustreben.
 

Konformitätsprüfung und Betriebsanleitung

Hersteller müssen nach festgelegten Verfahren überprüfen, ob die Beschaffenheitsanforderungen umfassend erfüllt sind. Bei festgelegten Produktgruppen hat ein Hersteller darüber hinaus bestimmte Prüfungen (z. B. Baumusterprüfungen) durch eine anerkannte Prüfstelle durchführen zu lassen. Müssen die Benutzer unter Berücksichtigung der Risikobeurteilung auf Beschränkungen der bestimmungsgemäßen Verwendung, auf Restrisiken und erforderliche Maßnahmen hingewiesen werden, so haben Hersteller eine Betriebsanleitung bereitzustellen und mitzuliefern.
 

Konformitätserklärung

Hersteller müssen in der dem Produkt beizufügenden schriftlichen Erklärung bescheinigen, dass das Produkt nach den relevanten Beschaffenheitsanforderungen konzipiert und gebaut ist und die erfolgte Konformitätsprüfung zu eben diesem Ergebnis gekommen ist, dass alle einschlägigen Beschaffenheitsanforderungen eingehalten werden. Mit Unterzeichnung der Konformitätserklärung sind die Hersteller sodann berechtigt, die CE-Kennzeichnung auf dem Produkt anzubringen.
  

Verantwortung des Arbeitgebers

Die Anforderungen an die Auswahl und Verwendung von Arbeitsmitteln sind im Arbeitsschutzgesetz und den auf dieser Grundlage erlassenen Verordnungen und Technischen Regeln (bspw. die BetrSichV mit den TRBSen) bestimmt. Arbeitgeber, die ihren Beschäftigten Arbeitsmittel zur Verwendung für die Arbeit zur Verfügung stellen, müssen bereits bei der Beschaffung – aber auch während der gesamten Nutzungsphase – insbesondere die nachfolgenden Anforderungen erfüllen:
  

Beurteilung der Arbeitsbedingungen

Jede Beschaffung stellt eine Änderung der Arbeitsbedingungen dar. Die Arbeitgeber müssen insoweit bei jeder Beschaffung die Arbeitsbedingungen einer Beurteilung unterziehen und auf dieser Grundlage ggf. erforderlich werdende Maßnahmen ergreifen. Um diese Maßnahmen rechtzeitig umsetzen zu können, muss die Gefährdungsbeurteilung bereits im Rahmen der Beschaffung erfolgen. Nach § 3 Abs. 3 BetrSichV ist mit der Gefährdungsbeurteilung „bereits vor der Auswahl und der Beschaffung der Arbeitsmittel” zu beginnen.
 

Umsetzung der erforderlichen Massnahmen

Die erforderlichen Maßnahmen sind auf der Grundlage der Ergebnisse der Gefährdungsbeurteilung festzulegen und ihre Durchführung entsprechend zu planen, um die Arbeitsbedingungen sicher und gesundheitsgerecht zu gestalten. Bei der Festlegung und Umsetzung der Maßnahmen sind die Beschäftigten als Betroffene und Experten vor Ort zu beteiligen.

  
Beachtung der Betriebsanleitung des Herstellers

Bei der Auswahl von Arbeitsmitteln und der Gestaltung der Arbeitsbedingungen hat der Arbeitgeber die Hinweise des Herstellers in der Betriebsanleitung zur bestimmungsgemäßen oder vorhersehbaren Verwendung sowie zu den vom Arbeitsmittel ausgehenden Restrisiken und zu erforderlichen Maßnahmen der Benutzung zu beachten.
 

Orientierung am Stand der Technik

Die Arbeitgeber müssen Arbeitsmittel und Arbeitsbedingungen so gestalten, dass sie dem aktuellen Stand der Technik, den gesicherten arbeitswissenschaftlichen Erkenntnissen und den Regeln der Technik entsprechen. Wenden sie dabei die staatlichen Technischen Regeln an, können sie davon ausgehen, dass sie die arbeitsschutzrechtlichen Anforderungen erfüllt haben (Vermutungswirkung).
 

Fazit

Der wesentliche Teil der von den Arbeitgebern für die Sicherheit und den Gesundheitsschutz bei der Verwendung von Arbeitsmitteln zu erfüllenden Anforderungen wird bereits durch die Hersteller bei Entwicklung, Bau und Versuchsbetrieb der Arbeitsmittel erfüllt und die Arbeitgeber bei der Beschaffung der Arbeitsmittel darüber informiert. Die Arbeitgeber bekommen Hinweise auf verbleibende Restrisiken und wie diese im eigenen Betrieb zur sicheren und gesundheitsgerechten Verwendung der Arbeitsmittel vermieden werden können bzw. welche speziellen rechtlichen Anforderungen bei der Verwendung der Arbeitsmittel zu beachten sind. Dies entlastet die Arbeitgeber bei der Erstellung und Dokumentation der Gefährdungsbeurteilung, da sie auf die vom Hersteller mitgelieferten Informationen (bspw. in Konformitätserklärung und Betriebsanleitung) vertrauen dürfen. Allerdings bleibt zu prüfen, ob die auf diesem Wege „mitgelieferte” Sicherheit des Herstellers ausreicht oder durch zusätzliche Maßnahmen ergriffen werden müssen.

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Henning Wündisch

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