Substanzbeschädigung der Mietsache – Geldersatz ohne vorherige Fristsetzung möglich!

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 veröffentlicht am 04. Februar 2019

 

umgeworfene Kaffeetasse auf weißem TeppichErfahrungsgemäß stellt der Vermieter nach Beendigung des Mietverhältnisses Substanzschäden an der Mietsache fest, die durch den Mieter verursacht worden sind und über den vertragsgemäßen Gebrauch hinausgehen, wie z.B. Verschmutzung des Teppichbodens oder Beschädigung der Fliesen. In diesen Fällen kann der Vermieter vom Mieter verlangen, den Mangel zu beseitigen bzw. die Kosten hierfür zu tragen. Doch muss der Vermieter dem Mieter vorher eine angemessene Frist zur Mängelbeseitigung setzen?


Richtige Anspruchsgrundlage: Schadensersatz statt oder neben der Leistung?

Für den Vermieter stellt sich nach beendigtem Mietverhältnis immer die Frage, ob er dem Mieter nochmals Zugang zur Wohnung zur Mangelbeseitigung gewährt oder ob er gleich Geldersatz verlangen kann. Aus Ersterem folgen eine ausführliche schriftliche Mangelbeschreibung und eine nicht unerhebliche zeitliche Verzögerung im Hinblick auf die Weitervermietung. Ferner ist die Gefahr nicht auszuschließen, dass der „ungeschickte” Mieter bei der Schadensbeseitigung weitere Beschädigungen an der Mietsache verursacht. Nach neuerer Rechtsprechung ist das nun nicht mehr erforderlich!

 

Zur Verdeutlichung der Problematik folgender Ausgangsfall:
Nach Beendigung des Mietverhältnisses gibt der Mieter den angemieteten Wohnraum an seinen Vermieter zurück. Der Vermieter stellt nach der Übergabe fest, dass zum einen der Teppichboden im Wohnzimmer große Ölflecken aufweist und zum anderen ein sichtbares Stück der Wandfliese im Bad fehlt. Nun möchte der Vermieter den Schaden selbst beseitigen und hierfür Ersatz vom Mieter verlangen. Aber ist er dazu überhaupt berechtigt? Muss er dem Mieter vorher eine Frist zur Schadensbeseitigung gesetzt haben?

 

Diese Fragen entstehen nicht ohne Grund!

Bislang wurde in der Rechtsprechung und Literatur ausführlich darüber diskutiert, ob die Beseitigung von Substanzschäden durch den Vermieter als „Schadensersatz neben der Leistung” nach §§ 280 Abs. 1, 241 Abs. 2 BGB oder als „Schadensersatz statt der Leistung” nach §§ 281 Abs. 1, 280 Abs. 1, Abs. 3 BGB einzuordnen ist. Diese Streitfrage knüpft unmittelbar daran an, ob der geschädigte Vermieter dem Mieter als Tatbestandsvoraussetzung des Schadenersatzanspruches vorher eine Frist zur Beseitigung des Schadens setzen muss – so wie beim Schadensersatz „statt der Leistung”, oder den Schaden ohne diese Fristsetzung geltend machen kann, wie beim Schadensersatz „neben der Leistung”.

 

Dabei handelt es sich nicht etwa um einen theoretischen Streit:
So kam es in der Vergangenheit nicht selten dazu, dass die geschädigten Vermieter im gerichtlichen Prozess mit leeren Händen nach Hause gingen, da die Gerichte einen Schadensersatzanspruch wegen fehlender Fristsetzung zur Schadensbeseitigung verneinten.

 

Dieser jahrzehntelang auf hohem Niveau geführten Diskussion hat der Bundesgerichtshof in seiner Entscheidung vom 28.02.2018 –VIII ZR 157/17 schließlich ein Ende gesetzt und die Streitfrage dahingehend entschieden, dass der Vermieter dem Mieter vorher keine Frist gem. § 281 Abs.1 S.1 BGB gesetzt haben muss, wenn er Geldersatz für eine Sachbeschädigung der Mietsache haben möchte. Das gilt auch unabhängig von der Frage, ob es sich um einen Schadensausgleich während eines laufenden Mietverhältnisses oder nach dessen Beendigung handelt.

 

Rechtliche Würdigung

Diese höchstrichterliche Entscheidung ist vom Ergebnis her nicht zu beanstanden und spiegelt die Lebenswirklichkeit in mietrechtlichen Angelegenheiten wider. Die Pflicht des Mieters, die angemietete Mietsache schonend und pfleglich zu behandeln, stellt keine Hauptleistungspflicht dar. Diese mietrechtlichen Hauptleistungspflichten rühren für beide Parteien vor allem aus der Zentralvorschrift des § 535 BGB.

 

Aus dieser gesetzlichen Regelung ergibt sich folgende Differenzierung: Nach § 535 Abs. 1 BGB obliegt es dem Vermieter als Hauptleistungspflicht, dem Mieter den vertragsmäßigen Gebrauch der Mietsache zu gewähren, d.h. er muss ihm grundsätzlich den unmittelbaren Besitz verschaffen. Was unter „vertragsmäßigen Gebrauch” fällt, können die Mietparteien selbst im Mietvertrag umfassend festlegen. Andernfalls bestimmt sich dies nach der Art der Mietsache und der Verkehrsanschauung.

 

Dagegen ist die einzige Hauptpflicht des Mieters, dem Vermieter die vereinbarte Miete zu entrichten, § 535 Abs. 2 BGB.

 

Die sog. Fürsorge- und Obhutspflichten des Mieters sind dagegen als bloße Nebenleistungspflichten i.S.v. § 241 Abs. 2 BGB einzuordnen, sofern die Mietparteien im Mietvertrag nichts anderes regeln. Das Fristsetzungserfordernis gilt hier bei Nicht- oder Schlechterfüllung von Nebenleistungspflichten daher nicht.

 

Völlig zutreffend stellt der Bundesgerichtshof in derselben Entscheidung klar, dass die Fristsetzung auch nach Beendigung des Mietverhältnisses nicht erforderlich ist. Denn in dem Stadium ist gem. § 546 Abs. 1 BGB die Rückgabe der Mietsache die eigentliche Leistungspflicht des Mieters. In welchem Zustand der Mieter die Mietsache zurückgibt, ist für seine Hauptleistungspflicht „Rückgabe” völlig bedeutungslos. Insoweit steht dem Vermieter nach erfolgter Rückgabe der Mietsache ebenfalls ein Anspruch auf Schadensersatz neben der Leistung zu, den er gemäß §§ 280 Abs. 1, 241 Abs. 2 BGB ohne vorherige Fristsetzung gegenüber dem Mieter durchsetzen kann.

 

Bedeutung für die Praxis

Der Bundesgerichtshof räumt dem Vermieter mit seiner Entscheidung nun folgende Wahlmöglichkeit ein: Entweder er verlangt von dem schädigenden Mieter die direkte Beseitigung des vorliegenden Schadens (sog. Naturalrestitution nach § 249 Abs. 1 BGB) oder gleich Geldersatz (sog. Wertersatz nach § 249 Abs. 2 BGB). Vorzugswürdig und sicher erscheint für den Vermieter jedoch der Weg, gegen den „ungeschickten” Mieter, der eine beschädigte Mietsache zurückgibt, ohne Fristsetzung mit dem Anspruch auf Geldausgleich heranzugehen. Dabei darf auch der immense zeitliche Vorteil (nahtlose Weitervermietung) nicht außer Acht gelassen werden.


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Hilâl Özdemir

Rechtsanwältin, Fachanwältin für Miet- und Wohnungseigentumsrecht, Wirtschaftsjuristin (Univ. Bayreuth), Wirtschaftsmediatorin (MuCDR)

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