Vergabe an Generalunternehmer – Wann ist eine Gesamtvergabe ohne Lose zulässig?

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veröffentlicht am 05. Februar 2020

 

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Reichweite des vergaberechtlichen Gebotes der Aufteilung eines Auftrags in Lose.

 

DER GENERALUNTERNEHMER – BEGRIFF UND EINSATZBEREICHE

Wer sich auf die Suche nach einer Definition des Begriffs „Generalunternehmer” begibt, wird seine Bestrebungen über kurz oder lang ergebnislos einstellen müssen. Denn weder das Gesetz noch eine Verordnung oder sonstige Vorschrift sorgt für ein entsprechend einheitliches Verständnis. So existieren neben dem Generalunternehmer häufig noch weitere Begriffe wie Generalübernehmer, Totalunternehmer, Totalübernehmer usw. Dabei ist allen gemein, dass ein Unternehmen mehrere, grundsätzlich aufteilbare Leistungen aus einer Hand erbringt. Je nach vertraglicher Ausgestaltung kommen beispielsweise im Baugewerbe noch planerische Leistungen hinzu oder eben nicht. Dabei ist der Generalunternehmer nicht nur in der Baubranche zu Hause: Auch bei der Beschaffung von Leistungen im Facility Management, im Breitbandausbau oder im Rahmen von Geothermieprojekten werden Generalunternehmerlösungen gesucht. Doch wie lassen sich diese Beauftragungsformen in Einklang mit dem öffentlichen Vergaberecht bringen?

 

DAS VERGABERECHTLICHE GEBOT DER LOSAUFTEILUNG

Sowohl das nationale als auch das europäische Vergaberecht schreiben den Grundsatz der Losaufteilung vor. Hiernach sind Leistungen der Menge nach aufgeteilt (Teillose) und getrennt nach Art oder Fachgebiet (Fachlose) zu vergeben. Hintergrund dieser Bestimmungen ist der Schutz mittelständischer Interessen. Das Vergaberecht bezweckt insbesondere einen Ausgleich zwischen leistungsstärkeren und leistungsschwächeren Unternehmen. Es soll eine ausgewogene Unternehmensstruktur von Klein-, Mittel- und Großunternehmen herrschen.


Die Losaufteilung wird begrenzt von der Marktüblichkeit. So läge beispielsweise eine marktunübliche Aufteilung vor, wenn bei der Beschaffung neuer Fenster eine Aufteilung in die Bestandteile Rahmen, Scheiben, Griffe und Beschläge erfolgen würde. Eine Aufteilung von Autobahnsanierungen in Streckenabschnitte wird hingegen als marktüblich angesehen.


Die in einem Vergabeverfahren beteiligten Bewerber/ Bieter haben dabei keinen Anspruch auf eine Aufteilung des Auftrags in bestimmte Lose; sie können lediglich einfordern, dass der Auftraggeber das Gebot der Losaufteilung in angemessenem Umfang berücksichtigt.


Die Vergabe eines Auftrags an einen Generalunternehmer widerspricht damit zunächst dem Vergaberecht in Form des Gebots der Losaufteilung:

 

Losaufteilung, Gesamtvergabe

 

 

DIE AUSNAHMSWEISE ZULÄSSIGE ZUSAMMENFASSUNG VON LOSEN

Mehrere Teil- oder Fachlose dürfen ausnahmsweise doch zusammen vergeben werden, wenn wirtschaftliche oder technische Gründe dies erfordern.


Wirtschaftliche Gründe liegen nicht schon dann vor, wenn eine Gesamtvergabe zweckmäßig wäre. Die getrennte Vergabe muss vielmehr ökonomisch ineffektiv sein. Die Einschaltung verschiedener Unternehmen muss zu höheren Kosten führen, weil entweder der Einzelauftrag zu klein würde oder weil einzelne Bestandteile des Auftrags eng zusammenhängen. Der höhere Koordinierungsaufwand, der den Auftraggeber bei einer Einzelvergabe regelmäßig trifft, rechtfertigt ebenfalls keine Gesamtvergabe.


Technische Gründe für eine Gesamtvergabe können gegeben sein, wenn das angestrebte Qualitätsniveau nur mithilfe einer Bündelung von Teilleistungen zu erreichen ist. Die durch einen Gesamtauftrag bedingte einfachere Gewährleistungsverfolgung reicht hingegen nicht aus.


Technische und wirtschaftliche Gründe ergänzen sich regelmäßig und müssen beide einen Auftragsbezug aufweisen.


Im Rahmen seiner Entscheidung, wie er die Losaufteilung vornimmt, steht dem öffentlichen Auftraggeber ein Beurteilungsspielraum zu. Er muss eine Interessenabwägung vornehmen und diese auch dokumentieren. Dabei muss er die zugrunde liegenden Tatsachen vollständig aufklären. Er darf sich nicht auf unzutreffende Annahmen stützen. Der Begriff des „Erforderns” („wenn wirtschaftliche oder technische Gründe dies erfordern”) verlangt nach vernünftigen Erwägungen, die ein vertretbares Ergebnis zutage fördern.

 

DAS BEISPIEL AUS DER RECHTSPRECHUNG

Das Oberlandesgericht München hatte sich zuletzt im März 2019 mit einer Gesamtvergabe zu beschäftigen (Beschluss vom 25.3.2019, Az.: Verg 10/18). Gegenstand war die Sicherheitstechnik der JVA München, unterteilt in insgesamt 4 Teilaufgaben (Anstaltsmauer, Sicherheitszaun, Videoüberwachungsanlage und Türschlösser). Die Richter erachteten die Zusammenfassung dieser Teilaufgaben als einen einzigen Auftrag als zulässig. Sie sahen die Gesamtvergabe insbesondere aufgrund des erhöhten Sicherheitsbedarfs als gerechtfertigt an. Darüber hinaus hatte die ausschreibende Stelle eine Losaufteilung durchaus in Betracht gezogen, war aber nach Abwägung aller Umstände zu einem Gesamtauftrag gelangt.

 

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