Schriftformmängel des Mietvertrages

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veröffentlicht am 02. November 2016

Immer wieder geben aktuelle Urteile verschiedener Gerichte Anlass dazu, die Thematik „Verstoß gegen das Schriftformgebot” neu zu beleuchten. So nun auch ein Beschluss des LG Berlin vom 16. August 2016, Az.: 67 S 209/16. Dabei ist erstaunlicherweise immer wieder festzustellen, dass die Vertragsparteien eines Mietvertrages mit diesem Thema zu blauäugig umgehen.  Erst im Falle einer Übertragung des Mietverhältnisses – sei es auf Vermieter- oder Mieterseite – daran zu denken, ist zu spät, wie der Fall des LG Berlin deutlich zeigt.

 

​Anlass für die neuerliche richterliche Begutachtung war, dass auf Bitten des Mieters wegen dessen wirtschaftlicher Schwierigkeiten eine in dem Mietvertrag zunächst formwirksam getroffene  Staffelmietvereinbarung zeitweilig ausgesetzt wurde. Im Nachhinein wollte sich der Mieter gegenüber dem Vermieter darauf berufen, dass durch diese formlos mündlich getroffene Aussetzung der Staffelmietvereinbarung das Schriftformerfordernis verletzt wurde.

 

Grundsätze zu § 550 BGB – Schriftform im Mietvertrag

§ 550 BGB gilt zunächst für Wohnraummietverträge. Über § 578 und § 581 Abs. 2 BGB ist die Vorschrift jedoch auch auf sonstige Grundstücksmiet- und Pachtverträge, ausgenommen Landpachtverträge, anwendbar. § 550 BGB verfolgt den Zweck, insbesondere die Interessen eines etwaigen Grundstückserwerbers zu schützen. Da der Erwerber nach § 566 BGB mit allen Rechten und Pflichten in bestehende Mietverhältnisse eintritt, hat er ein Interesse daran, sich vollständig über die bestehenden Mietverträge zu unterrichten. § 550 BGB gilt dabei ebenfalls für Mietoptionsverträge, Untermietverträge, Verträge über den Eintritt eines weiteren Mieters oder den Mieterwechsel, Verträge über den Vermieterwechsel, Verlängerungsverträge und Verträge, die die Änderung des Inhalts eines bereits geschlossenen Miet- oder Pachtvertrages zum Gegenstand haben  oder den Vertrag über die Fortsetzung eines bereits beendeten Mietverhältnisses.

 

Für die Einhaltung der Schriftform ist es im Hinblick auf § 566 BGB erforderlich, dass alle Vertragsparteien, die in der Urkunde aufgeführt werden, diese handschriftlich unterzeichnen. Hieran fehlte es im Fall des LG Berlin, nachdem sich Mieter und Vermieter mündlich auf eine Reduzierung der Miete verständigt hatten. Schriftlich abzuschließen ist der Vertrag nicht nur mit den wesentlichen Elementen (Vertragsparteien, Mietobjekt, Miete und Laufzeit des Vertrags), sondern mit allen Nebenabreden und Anlagen zum Mietvertrag, die für einen Erwerber des Mietgrundstücks von Bedeutung sind und ihn gegenüber dem Mieter binden können. Hierbei ist allerdings nicht erforderlich, dass sich alle Einzelheiten des Vertragsverhältnisses unmittelbar aus dem Mietvertrag und möglichen Ergänzungsvereinbarungen ergeben. Dem Schutzzweck genügt es, wenn der potenzielle Erwerber aus den Mietvertragsunterlagen ersehen kann, in welche langfristigen Vereinbarungen er gegebenenfalls eintritt.

 

Rechtsfolge von § 550 BGB

§ 550 BGB bestimmt, dass unbeschadet des entgegenstehenden Willens der Parteien eine gesetzlich verordnete Änderung des Vertragsinhalts eintritt: Der Vertrag läuft nicht für die vereinbarte Zeit, sondern auf unbestimmte Dauer. Beide Parteien können den Vertrag erstmals zum Ablauf des ersten Jahres nach Überlassung der Mietsache kündigen. Vertraglich vereinbarte Kündigungsfristen sind jedenfalls dann nicht maßgebend, wenn sie länger als die gesetzlichen sind, da anderenfalls der Schutzzweck des § 550 BGB unterlaufen werden könnte. Die Rechtsfolgen sind dabei zwingend, d.h. man kann sie nicht vertraglich ausschließen.

 

Entsteht der Formmangel erst nach Überlassung des Mietobjekts, z.B. infolge einer mangelhaften Zusatzabrede wie hier, beginnt die Jahresfrist im Interesse des Mieters, dessen Schutz sie dient, erst mit Abschluss der Zusatzvereinbarung.

 

Die unterlassene Einhaltung der Schriftform kann jederzeit nachgeholt werden. Wird sie nachgeholt, wird der Formmangel mit Rückwirkung geheilt. Allerdings hat keine Partei einen Anspruch auf Nachholung der Schriftform, denn anderenfalls würde die Warnfunktion des § 550 BGB leerlaufen. Etwas anderes soll gelten, wenn die Parteien die spätere schriftliche Fixierung des Vertrages rechtsgeschäftlich vereinbart hatten.

 

Treuwidrigkeit der Berufung auf den Formmangel

Es mutet zunächst seltsam an, dass sich eine Vertragspartei auch in dem laufenden Mietverhältnis auf den von ihr selbst (mit-)verursachten Formmangel berufen können soll. Grundsätzlich gilt aber: Das Berufen einer Vertragspartei auf den Formmangel und die Geltendmachung der sich daraus ergebenden, für sie in aller Regel günstigen Rechtsfolgen, ist zunächst nicht treuwidrig und damit zulässig.

 

Nach Ansicht der Rechtsprechung liegt allerdings Rechtsmissbrauch dann vor, wenn die Parteien im Mietvertrag vereinbart haben, den Vertrag in schriftlicher Form abzuschließen und sich nicht auf fehlende Schriftform berufen zu wollen oder die fehlende Schriftform nachzuholen. Nach der Rechtsprechung des LG Berlin gilt das nun auch,  wenn sich eine Vertragspartei nach einer zu ihren Gunsten vorgenommenen, nicht formgerechten Vertragsänderung auf den Formmangel beruft. Anwendungsfälle sind zum Beispiel: ein Vermieter beruft sich nach einer formlosen Mieterhöhung auf den Formmangel oder ein Mieter (wie hier) nach mündlich gewährter Mietermäßigung oder mündlich gewährter Duldung der Untervermietung.

 

Verhaltensmaßnahmen

Es ist deshalb dringend dazu zu raten, bei jeder nachträglichen Änderung eines Miet- oder Pachtvertrages im Hinblick auf die vertragswesentlichen Elemente (Vertragsparteien, Mietobjekt, Miete und Laufzeit des Vertrags) sorgsam darauf zu achten, dass die Vereinbarung verschriftlicht wird. Das gilt besonders bei gewerblichen Miet- und Pachtverträgen, die den wirtschaftlichen Wert einer Immobilie abbilden. Gerade bei Änderungen der zu leistenden Miete/Pacht gehen die Vertragsparteien mit diesem Thema zu nachlässig um, wobei Änderungen der Mietzahlungsverpflichtung wirtschaftlich betrachtet häufig vorkommen. Sich darauf zu verlassen, dass ein Gericht Rechtsmissbrauch feststellt, ist jedenfalls fahrlässig.

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Andreas Griebel

Rechtsanwalt, Fachanwalt für Miet- und Wohnungseigentumsrecht

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