Kündigung des Architektenvertrags aus wichtigem Grund – Voraussetzungen und Folgen einer sofortigen Vertragsbeendigung

PrintMailRate-it
veröffentlicht am 02. November 2017
Die vorzeitige Beendigung eines Architektenvertrages ist keine Seltenheit. Die Rechtsfolgen einer außerordentlichen Kündigung unterscheiden sich elementar von denen aufgrund einer sogenannten freien Kündigung. Während der Auftraggeber im Falle einer Kündigung aus wichtigem Grund nur dasjenige Honorar für die bis zur Kündigung erbrachten Leistungen an den Planer zahlen muss, hat er bei freier Kündigung auch die Vergütung für die nicht erbrachten Leistungen zu entrichten. Der Architekt muss sich zwar insbesondere dasjenige anrechnen lassen, was er an Aufwendungen erspart hat. Das Gesetz stellt hierbei die (widerlegliche) Vermutung auf, dass sich die verbleibende Vergütung auf fünf Prozent des ursprünglich Vereinbarten beläuft. Bei Architektenverträgen reichen diese fünf Prozent jedoch in aller Regel nicht aus, weil sich der Planer schlichtweg nicht derart hohe Aufwendungen erspart. Das Oberlandesgericht Brandenburg hatte sich in seiner Entscheidung vom 5. April 2017 (Az.: 4 U 112/14) mit den Anforderungen an den wichtigen Kündigungsgrund im Einzelnen auseinander zu setzen.
 

Der Sachverhalt

Die Klägerin – von Berufs wegen Architektin – begehrte von den Beklagten Zahlung von Architektenhonorar für die Planung eines Einfamilienhauses einschließlich Außenanlagen. Nach Fertigstellung des Rohbaus und vor Vollendung der Innenausbauarbeiten mahnten die Beklagten die Klägerin – unter Bezugnahme auf ein zuvor eingeholtes Gutachten – wegen Verzugs mit Leistungen an, wiesen auf diverse Baumängel hin, rügten Fehlplanungen und Bauleitungsmängel und forderten die Klägerin unter Fristsetzung auf, ihren vertraglichen Verpflichtungen nachzukommen und die Mängel zu beseitigen. Nachdem hierauf keine Reaktion seitens der Klägerin erfolgte, kündigten die Beklagten den Vertrag aus wichtigem Grund.

 

Sie stützten sich hierbei insbesondere auf die zuvor geltend gemachten Vertragsverletzungen. Die Klägerin rechnete jedoch das vereinbarte Honorar gegenüber den Beklagten ab und brachte ersparte Aufwendungen in Abzug. Ihrer Ansicht nach lag in ihrem Verhalten kein wichtiger Grund, der eine außerordentliche Kündigung hätte rechtfertigen können. In diesem Punkt manifestierte sich also die Auseinandersetzung der ehemaligen Vertragsparteien, mit denen sich die Richter zu befassen hatten.


Die Entscheidung

Das Oberlandesgericht Brandenburg war derselben Rechtsauffassung wie die Beklagten und bestätigte das Vorliegen eines wichtigen Grundes, der die außerordentliche Kündigung gerechtfertigt hatte. Das Gericht führte hierzu aus, dass die Kündigung eines Architektenvertrags aus wichtigem Grund voraussetzt, dass die Vertragsfortführung für den Besteller unzumutbar ist. Ein wichtiger Grund ist unter anderem dann anzunehmen, wenn der Auftragnehmer das für den Bau- oder Architektenvertrag – ein auf Kooperation der Vertragspartner angelegter Langzeitvertrag – erforderliche Vertrauensverhältnis durch sein schuldhaftes Verhalten derart empfindlich stört, dass die Erreichung des Vertragszwecks gefährdet und dem Auftraggeber die Vertragsfortsetzung nicht mehr zumutbar ist.


Ein solcher Fall lag in der der Entscheidung bei der zugrundeliegenden Konstellation vor. Die von der Klägerin erbrachte Ausführungsplanung war in mehrfacher Hinsicht mit erheblichen Mängeln behaftet. Denn sie stand in eklatantem Widerspruch zur Baugenehmigung. Diese fehlerhafte Ausführungsplanung der Klägerin war zum Zeitpunkt der Kündigung überdies bereits weitgehend umgesetzt worden. Infolgedessen hatten sich die Planungsfehler im Bauwerk manifestiert.
Da der Klägerin auch die Bauüberwachung übertragen worden war, fielen ihr gleichermaßen Überwachungsfehler zur Last. Diese Fehler bezogen sich auf mehrere Gewerke wie Lichtschachtbreite, Garagenhöhe und Dämmung des Daches.


Die in mehrfacher Hinsicht baugenehmigungswidrige Ausführungsplanung der Klägerin und die ihr diesbezüglich anzulastenden Verletzungen der Bauüberwachungspflicht stellten gemeinsam mit den Pflichtverletzungen in Bezug auf die Wärmedämmung im Dachgeschoss gewichtige Pflichtverletzungen dar. Unter Berücksichtigung der beiderseitigen Interessen war eine Fortsetzung des Architektenvertrags nicht mehr zumutbar. Denn infolge der massiven Verstöße gegen die aus dem Architektenvertrag resultierenden Pflichten wurde das Vertrauen der Beklagten, mithilfe der Sachkunde der Klägerin ein nicht nur ihren Wünschen, sondern auch den baurechtlichen Bestimmungen entsprechendes Haus zu errichten, in nicht wiedergutzumachender Weise empfindlich gestört.

 

So stellt insbesondere die Wärmedämmung eines Hauses in der heutigen Zeit nicht nur einen für den Bauherrn sehr wichtigen Faktor dar. Es handelt sich zudem um ein Bauteil, das in Planung und Ausführung der besonderen Aufmerksamkeit und Sorgfalt des Architekten bedarf. Tritt – wie es hier der Fall war – infolge fehlerhafter Konstruktion und Ausführung der Wärmedämmung noch während der Bauphase Schimmelpilzbefall auf, besteht allein deshalb Anlass für die Bauherren, an der in diesem sensiblen Bereich geforderten Sorgfalt des beauftragten Architekten zu zweifeln.


Die Kündigung aus wichtigem Grund führte daher im Ergebnis dazu, dass die Klägerin nur das Honorar für erbrachte Leistungen verlangen konnte. Weitergehende Honoraransprüche standen ihr nicht zu.


Der Praxistipp

Die Entscheidung des Oberlandesgerichts Brandenburg zeigt einmal mehr, dass die Frage nach dem Vorliegen eines wichtigen Grundes für eine außerordentliche Kündigung stets eine Einzelfallbetrachtung erfordert. Dabei kann auch die Summe mehrerer, für sich einzeln genommen nicht wesentlicher Fehler, eine außerordentliche Kündigung rechtfertigen.


Die Entscheidung macht aber auch deutlich, dass sich die Rechtsprechung an die bautechnische Entwicklung anpasst und sich mit ihr gemeinsam fortentwickelt. So erwähnen die Richter ausdrücklich, dass der Wärmedämmung eines Hauses in heutiger Zeit elementare Bedeutung im Rahmen eines Neubauprojektes zukommt und daher besonderer Aufmerksamkeit des Architekten bedarf. Es kommt also nicht nur darauf an, ob dem Planer ein Planungs- und/oder Überwachungsfehler vorgeworfen werden kann, sondern gleichermaßen auch, auf welches Gewerk sich die fehlerhaften Leistungen beziehen. Dabei kann dem betroffenen Gewerk mehr oder weniger Bedeutung für das Gesamtprojekt zukommen. Bezogen auf die Wärmedämmung ist jedenfalls ersteres der Fall.

 

Aus dem Newsletter

Kontakt

Contact Person Picture

Dr. Julia Müller

Rechtsanwältin, Fachanwältin für Vergaberecht

Partner

+49 911 9193 3566

Anfrage senden

Profil

Arbeitshilfen für das Facility Management

Schaubilder Arbeitshilfen FM

 

Arbeitshilfen

Erhalten Sie ausgewählte Schaubilder kostenlos als Download.​ Mehr »

Befehle des Menübands überspringen
Zum Hauptinhalt wechseln
Deutschland Weltweit Search Menu