Die BetrSichV gilt überall im FM, aber für jeden FM-Akteur anders

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veröffentlicht am 03. November 2015

 

​In den DFM-Heften April, Mai und Juni 2015 waren Beiträge zur neuen Betriebssicherheits-verordnung (BetrSichV) erschienen, bei denen überwachungsbedürftige Anlagen (Aufzüge, Druckanlagen und Anlagen in ex-gefährdeten Bereichen) behandelt wurden. Dieser Beitrag knüpft an diese Reihe an und thematisiert einige grundlegende Aspekte der Verordnung und deren Anwendung im FM unter Berücksichtigung der Rollen von  Vermieter, Mieter, Nutzer, FM Auftraggeber und FM Dienstleister.

 

Anwendung der BetrSichV im FM

Der Anwendungsbereich der Betr-SichV1 ist überall im FM eröffnet, sei es in Büros, in der Industrie, im Gewerbe, im Handel, bei Banken, Versicherungen oder bei der öffentlichen Hand, bei FM-Auftraggebern ebenso wie bei FM-Dienstleistern.
  
Allerdings sind nicht alle Unternehmen gleichermaßen betroffen; es bestehen erhebliche Unterschiede, die nachfolgend beleuchtet werden sollen.
 

Adressaten der BetrSichV

Adressaten der BetrSichV sind zunächst Arbeitgeber. Um Arbeitgeber zu sein, braucht es auch Arbeitnehmer (= Beschäftigte)2.
  
Im FM finden sich Arbeitgeber regelmäßig in sämtlichen denkbaren Rollen wieder. Sie beschäftigen Arbeitnehmer teils dauerhaft in Arbeitsstätten, teils temporär an Arbeitsplätzen (z.B. in Technikzentralen). Die Arbeitnehmer verwenden dabei Arbeitsmittel, durch die sie gefährdet werden können.
  
Diese Arbeitgeber werden nachfolgend als Adressaten vom Typ 1 bezeichnet.
  
Daneben gibt es in der BetrSichV Adressaten vom Typ 2. Dies sind Unternehmen, die, ohne Arbeitgeber zu sein, zu gewerblichen oder wirtschaftlichen Zwecken überwachungsbedürftige
Anlagen verwenden.
  
Dies trifft z. B. auf Leasinggeber oder Vermieter von Objekten mit Aufzugsanlagen, aber ohne eigenes Personal im Objekt, zu.
 
Der Adressat Betreiber findet sich in der aktuellen Verordnung hingegen nicht mehr.
 
Eigentümer waren früher und sind aktuell keine Adressaten der BetrSichV, d.h. das alleinige Eigentum an einem Arbeitsmittel begründet noch keinerlei Verpflichtungen. Der Unterschied
zwischen Adressaten vom Typ 1 und 2 hat praktische Auswirkungen (siehe weiter unten).
 

Begriff des Arbeitsmittels

Es gibt eine ganze Reihe von unstrittigen Arbeitsmitteln3, die im FM tagtäglich verwendet werden, wie z. B. Werkzeuge und Messgeräte jeder Art, Leitern, Hubarbeitsbühnen und Hubgeräte, Winden und Kräne, Presscontainer für Altpapier, Reinigungsgeräte und -maschinen jeder Art, Spülmaschinen und Kochgeräte in Betriebskantinen. Definitionsgemäß fallen auch sämtliche überwachungsbedürftige Anlagen unter den Begriff der Arbeitsmittel.
  
Diskussionswürdig und bislang nicht endgültig beantwortet ist aber die Frage, ob und ggf. inwieweit gebäudetechnische Anlagen als Arbeitsmittel anzusehen sind (und damit der BetrSichV
unterliegen) und/oder als Teil der Arbeitsstätte (und damit der ArbStättV unterliegen)4. Auch eine Unterscheidung von Arbeitsmittel (= Gegenstand, mit dem man arbeitet) und Arbeitsgegenstand
(= Gegenstand, an dem man arbeitet)5 ist zu treffen.
  
Von den Autoren wird hierzu nachfolgend der Standpunkt vertreten, dass Anlagen der Technischen Gebäudeausrüstung (TGA), die manuell zu bedienen sind, für das Bedienungspersonal Arbeitsmittel darstellen6. Für das Servicepersonal (Instandhalter) handelt es sich um Arbeitsgegenstände. Für Beschäftigte an Arbeitsplätzen, die mithilfe der TGA beheizt, belüftet, gekühlt, klimatisiert, beleuchtet, mit Trinkwasser versorgt und/ oder von Abwasser entsorgt werden, handelt es sich weder um Arbeitsmittel noch um Arbeitsgegenstände, sondern ausschließlich um Bestandteile der Arbeitsstätte.
  
Tabelle TGA-Anlagen

Auch diese Unterscheidung hat praktische Auswirkungen (siehe weiter unten).
 

Struktureller Aufbau der BetrSichV

Die BetrSichV hat in ihrer aktuellen Fassung einen Textteil mit 24 Paragraphen in fünf Abschnitten sowie drei teils sehr umfangreiche Anhänge. Die im Einzelfall zur Anwendung kommenden Bestimmungen sind teils weit über die 51 Seiten (der pdf-Fassung der Verordnung) verstreut. Es wurde deshalb ein Schaubild (Abb. 1) erstellt, das die Anwendung der BetrSichV für die verschiedenen Arten von Arbeitsmitteln veranschaulichen soll.
 

Bereitstellung von Arbeitsmitteln

Bereits an die Bereitstellung von Arbeitsmitteln (durch Auswahl und Beschaffung) sind Anforderungen gestellt (§ 5 BetrSichV). So müssen die Arbeitsmittel für den vorgesehenen Einsatzzweck geeignet und sicher sein. Auf selbst hergestellte Arbeitsmittel ist das ProdSG anzuwenden. Ungeeignete oder unsichere Arbeitsmittel dürfen vom Arbeitgeber nicht bereitgestellt werden und er hat dafür zu sorgen, dass die Beschäftigten keine unzulässigen Arbeitsmittel verwenden.
 

Gefährdungsbeurteilungen

Die Gefährdungsbeurteilung (kurz: GBU, § 3 BetrSichV) ist gegenüber der früheren Verordnung konkretisiert und jetzt in sechs einzelnen Punkten bußgeldbewehrt. Bei überwachungsbedürftigen Anlagen löst die GBU die frühere sicherheitstechnische Bewertung ab. Bei Aufzugsanlagen gilt die Sonderregelung, dass Adressaten vom Typ 2 keine GBU erstellen müssen7, jedoch die Fristen der wiederkehrenden Prüfungen festzulegen haben8, i.d.R. werden dies die Höchstfristen sein.
 
Dies bedeutet bei vermieteten Objekten mit Aufzugsanlagen, sofern hierzu keine anderweitigen vertraglichen Regelungen getroffen werden:
  

  • Der Vermieter (= Adressat Typ 2) vermietet ein Objekt mit Aufzug. Er stellt dem Mieter Unterlagen über den Aufzug zur Verfügung, erstellt für den Aufzug jedoch keine eigene GBU, da er kein Personal im Objekt hat.
      
  • Der Mieter (= Adressat Typ 1) muss sich bei der Anmietung anhand der Unterlagen zunächst vergewissern, ob der Aufzug für seinen Einsatzzweck geeignet ist. Falls er sich für die
    Anmietung entscheidet, erstellt er eine GBU für die Verwendung des Aufzugs durch seine Beschäftigten.
      
  • Die Aufzugswartungsfirma (= Adressat Typ 1) erstellt eine eigene GBU hinsichtlich der Gefährdungen bei der Wartung des Aufzugs durch ihre Servicetechniker. Diese GBU unterscheidet sich grundlegend von der des Mieters, da die Servicetechniker im Maschinenraum und im Schacht arbeiten. Es spielt dabei keine Rolle, ob die Wartungsfirma vom Vermieter oder Mieter beauftragt wird.
     
  • Die ZÜS (= Adressat Typ 1) erstellt eine weitere GBU für die Durchführung ihrer Sachverständigenprüfungen.

  

Von den vier beteiligten Akteuren dieses Beispiels müssen drei eine GBU für die Aufzugsanlage erstellen, die jedoch jeweils einen anderen Personenkreis und andere Gefährdungen zum Gegenstand haben und deswegen nicht austauschbar sind. Soweit Aufzugsanlagen durch Personen verwendet werden, die keine Beschäftigten sind (= andere Personen9), z. B. Mieter in mehrgeschossigen Wohnhäusern mit Aufzug, Besucher in öffentlichen Gebäuden, Hotelgäste in Hotels, Patienten und Besucher in Krankenhäusern usw., wird für diesen Personenkreis keine GBU erstellt. Es gelten jedoch die allgemeinen Verkehrssicherungspflichten und die Adressaten Typ 2 müssen für diese anderen Personen immerhin für eine ärztliche Versorgung bei einem Unfall sorgen10.
         
Die Einordnung einer TGA-Anlage als Arbeitsmittel (für Bedienungspersonal), als Arbeitsgegenstand (für Instandhalter) und/oder als Teil der Arbeitsstätte (für Gebäudenutzer) hat praktische Auswirkungen hinsichtlich der GBU insoweit, dass die GBU für Arbeitsmittel nach § 3 BetrSichV durchzuführen ist und für Arbeitsstätten nach § 3 ArbStättV. Für die GBU von Arbeitsgegenständen gibt es keine eigenen Vorschriften, somit kommt § 5 ArbSchG zur Anwendung. Die Unterschiede liegen im Detaillierungsgrad der Bestimmungen für die GBU und in der Sanktionierung11.
 
In allen Fällen ist aber auf den jeweils gefährdeten Personenkreis und die hierbei auftretenden Gefährdungen abzustellen. Dabei ist auch zu berücksichtigen, dass ein Gebäudenutzer auch durch eine zentrale RLT-Anlage gefährdet sein kann, die zwar in einem abgeschlossenen Betriebsraum steht und mit der er selbst nicht in Berührung kommt, aber die eingeblasene Raumluft unter Umständen mit Keimen belastet sein kann, die seine Gesundheit gefährden.
   

Weitere Schutzmaßnahmen vor der Verwendung

Die BetrSichV enthält neben der GBU eine ganze Reihe weiterer geforderter Schutzmaßnahmen, die vor der Verwendung des Arbeitsmittels zu ergreifen sind, darunter auch die Unterweisung der Beschäftigten12.
 

Verwendung

Gemäß § 4 Abs. 5 Satz 3 BetrSichV hat der Arbeitgeber über die vorab getroffenen Schutzmaßnahmen hinaus dafür zu sorgen, dass Arbeitsmittel durch die Beschäftigten vor der Verwendung kontrolliert werden.
  
Bestimmungen für die Verwendung der Arbeitsmittel durch die Beschäftigten selbst sind in der Verordnung nicht enthalten, jedoch besagen § 15 Abs. 2 ArbSchG und § 17 DGUV-V 1, dass Arbeitsmittel durch die Beschäftigten bestimmungsgemäß zu verwenden sind.

 
Instandhaltung

Während eine Instandhaltungsverpflichtung nach der früheren Verordnung nur für überwachungsbedürftige Anlagen galt, sind jetzt gemäß § 10 BetrSichV für alle Arbeitsmittel Instandhaltungsmaßnahmen
zu treffen13.
  
Diese Pflicht trifft bei TGA-Anlagen denjenigen Arbeitgeber, dessen Beschäftigte die Anlagen bedienen. Dies kann je nach Vertragsgestaltung der Vermieter, Mieter oder Dienstleister sein.
  
Problematisch ist dabei die Forderung in § 10 Abs. 1 und 2 BetrSichV, die Herstellerangaben bzw. Betriebsanleitungen zu berücksichtigen14, denn TGA-Anlagen bestehen i.d.R. aus zahlreichen Komponenten verschiedenster Hersteller, die durch den Anlagenerrichter zusammengefügt werden. Die Angaben der Hersteller jedes einzelnen Bauteils sind dadurch sehr zahlreich, über viele Einzeldokumentationen verstreut und kaum überschaubar. Die bisher gängige Praxis der Instandhalter, ausschließlich einschlägige Normen und Richtlinien anzuwenden und dabei die Herstellerangaben völlig zu ignorieren, verstößt gegen § 10 BetrSichV.
      

Prüfung

Die Prüfung von Arbeitsmitteln ist jetzt in § 14 BetrSichV geregelt. Es sind (wie bisher) Prüfungen vor der erstmaligen Verwendung, wiederkehrende und außerordentliche Prüfungen zu
unterscheiden.
  

Problemstellen der BetrSichV und Ausblick

Die BetrSichV enthält in der jetzigen – wie schon in der früheren – Fassung diverse Problemstellen für die Umsetzung in der FMWelt mit ihren zahlreichen Rollen. Ein Dialog über das Verständnis der Anwendung der BetrSichV im FM ist angestrebt. Eine Möglichkeit dazu bietet sich in XING in der dortigen Gruppe ‚GEFMA 190 Betreiberverantwortung im FM‘ im Forum ‚Arbeitsmittel nach BetrSichV‘.
  
Auch auf der nächsten Bundesfachtagung Betreiberverantwortung wird die Anwendung der BetrSichV im FM einen Themenschwerpunkt bilden.
Arbeitsmittel nach BetrSichV 2015_____________________________________________________________________        

1„Diese Verordnung gilt für die Verwendung von Arbeitsmitteln.” (§ 1 Abs. 1 Satz 1 BetrSichV)

2§ 2 Abs. 3 BetrSichV i.V.m. § 2 Abs. 3 ArbSchG  

3 „Arbeitsmittel sind Werkzeuge, Geräte, Maschinen oder Anlagen, die für die Arbeit verwendet werden, sowie überwachungsbedürftige Anlagen.“ (§ 2 Abs. 1 BetrSichV)
4 vgl. Frage A 2.1 in LASI LV35
5 vgl. § 3 Abs. 2 Satz 1 Nr. 3 BetrSichV
6 TGA-Anlagen, die keiner Bedienung bedürfen, automatisiert sind oder ausschließlich mittels GLT gesteuert werden, gelten demnach nicht als Arbeitsmittel.

7㤠3 Abs. 1 Satz 3 BetrSichV
8 § 3 Abs. 6 Satz 1+2 BetrSichV
9§ 2 Abs. 15 BetrSichV
10 § 11 Abs. 2 BetrSichV
11 Die GBU nach ArbStättV und BetrSichV sind derzeit mit max. 5.000 Euro bußgeldbewehrt, nach ArbSchG nicht.
12 § 12 BetrSichV
13 Unabhängig von der BetrSichV ergibt sich eine Instandhaltungsverpflichtung für Arbeitsstätten (und deren Bestandteile) § 4 Abs. 1 Satz 1 ArbStättV.
14 Gemeint sind hier ausschließlich Herstellerangaben mit Relevanz für die GBU, nicht z.B. Anleitungen zur Pflege, zum Werterhalt oder dgl.

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