Technische Regeln für Betriebssicherheit: Neufassung TRBS 1111 – Endlich mehr Klarheit bei der Durchführung der Gefährdungsbeurteilung

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​veröffentlicht am 02. November 2018

 

Nachdem die BetrSichV im Jahr 2015 neu gefasst wurde, ist eine Anpassung zahlreicher Technischer Regeln für Betriebssicherheit (TRBS) nach nunmehr drei Jahren längst überfällig. Die TRBS, die die BetrSichV konkretisieren sollen, sind vielfach noch auf dem Stand der alten Verordnung und teilweise widersprüchlich. Einzelne TRBS wurden bereits an die „neue” BetrSichV angepasst. So auch die Neufassung zur TRBS 1111, die konkrete Anforderungen bei der Vorgehensweise zur Durchführung der Gefährdungsbeurteilung nach § 3 BetrSichV beinhaltet.

 

Die vielfach noch veralteten TRBS und die sich daraus ergebenden Widersprüche im Zusammenspiel mit der BetrSichV 2015 sorgen auf Arbeitgeberseite immer wieder für Unklarheit und Unsicherheit bei der Umsetzung der Anforderungen aus der BetrSichV. Der Grundsatz lautet: Werden die Technischen Regeln eingehalten, so kann davon ausgegangen werden, dass der geforderte Stand der Technik umgesetzt wird und damit die Anforderungen der BetrSichV erfüllt werden. Solange die Inhalte der BetrSichV und der diese als Stand der Technik konkretisierenden TRBS sich widersprechen, fehlt der Einklang der Vorschriften und somit die Regel-Konformität. Nach drei Jahren wurde im Mai 20181 mit der TRBS 1111 nunmehr die zweite inhaltliche Neufassung einer TRBS vorgenommen und damit zumindest für die Anforderungen zur Durchführung von Gefährdungsbeurteilungen nach BetrSichV die Einheitlichkeit zwischen der BetrSichV und der TRBS erzeugt.

 

Weitergehende Anforderungen

Die TRBS 1111 konkretisiert die Anforderungen des § 3 BetrSichV zur Durchführung der Gefährdungsbeurteilung. Im Rahmen der Neufassung ist der Umfang der TRBS deutlich gestiegen, was sowohl auf die gestiegenen Anforderungen zur Durchführung der Gefährdungsbeurteilung in der Verordnung selbst als auch auf die deutlich umfassenderen Ausführungen zu den jeweiligen Absätzen des § 3 BetrSichV zurückzuführen ist. Neu sind u.a. Begriffsbestimmungen rund um das Thema Gefährdung, wie die Gefährdungsbeurteilung selbst, die Gefährdung oder die Verwendung von Arbeitsmitteln (bestimmungsgemäße Verwendung und vom Arbeitgeber vorgesehene Verwendung).

 

Insgesamt wird verstärkt Bezug auf die BetrSichV genommen. Dabei wird bei der Verantwortung zur Durchführung der Gefährdungsbeurteilung nochmals klargestellt und ausgeführt, dass der Arbeitgeber die Belange des Arbeitsschutzes berücksichtigen muss (§ 4 Abs. 6 BetrSichV), die Gefährdungsbeurteilung von einer fachkundigen Person oder mittels kundiger Beratung durchzuführen ist (§§ 2 Abs. 5 u. 3 Abs. 3 S. 3 BetrSichV) und Vorkehrungen zur Erkennung von auftretenden Gefährdungen zu treffen sind.

 

Die Erläuterungen zur Vorgehensweise bei der Durchführung der Gefährdungsbeurteilung sind in allen Punkten deutlich detaillierter und weitgehender gefasst. Nach § 3 Abs. 2 BetrSichV sind in die Beurteilung alle Gefährdungen einzubeziehen, die in einzelnen Phasen der Verwendung von Arbeitsmitteln auftreten können. Die Gefährdung kann vom Arbeitsmittel selbst (z.B. scharfkantige Werkzeuge, Lärm oder Brand- und Explosionsgefährdung), der Arbeitsumgebung (z.B. Nähe zu unter Spannung stehenden Teilen, Wechselwirkung mit anderen Arbeitsmitteln) oder dem Arbeitsgegenstand, an dem Tätigkeiten mit Arbeitsmitteln durchgeführt werden, ausgehen. Bei der Beurteilung ist zu beachten, dass sich ggf. aus anderen Rechtsvorschriften weitere Belange ergeben können, die mitberücksichtigt werden müssen. Ebenso sind die Punkte Gebrauchstauglichkeit, alters- und alternsgerechte Gestaltung, ergonomische Zusammenhänge, die physische und psychische Belastung sowie vorhersehbare Betriebsstörungen in die Beurteilung aufzunehmen. Als Hilfestellung zur Bewertung der Punkte und zum besseren Verständnis der Begriffe wird ausführlich erläutert, was bspw. unter den Begriffen „alternsgerechte” und „altersgerechte” Gestaltung zu verstehen ist und welche Aspekte bei den einzelnen Punkten berücksichtigt werden müssen.

 

T-O-P Schutzmaßnahmen festlegen

Auch wird in der neugefassten TRBS 1111 sehr ausführlich das T-O-P-Prinzip erläutert. Die BetrSichV gibt vor, dass der Arbeitgeber nach Durchführung der Gefährdungsbeurteilung bewerten muss, ob eine sichere Verwendung des Arbeitsmittels möglich ist oder geeignete Schutzmaßnahmen zur Vermeidung und Reduzierung der Gefährdung festzulegen sind. Die Maßnahmen sind gemäß folgender Reihenfolge festzulegen (§ 4 Abs. 2 BetrSichV):

  1. Technische Schutzmaßnahmen
  2. Organisatorische Schutzmaßnahmen
  3. Personenbezogene Schutzmaßnahmen

Da eine einzelne Schutzmaßnahme oft nicht ausreichend ist, müssen mehrere nach dem T-O-P-Prinzip festgelegt werden. Bei den technischen Maßnahmen muss immer zuerst geprüft werden, ob in den Herstellerangaben bereits Schutzmaßnahmen für die vorgesehene Verwendung des Arbeitsmittels umgesetzt wurden und im nächsten Schritt können die in der TRBS genannten Maßnahmen realisiert werden.

 

Bei der Festlegung der organisatorischen Maßnahmen muss die Wirksamkeit der technischen Maßnahmen erhalten bleiben, ggf. sind die entstehenden Gefährdungen zu dokumentieren und durch die Ergänzung von personenbezogenen Maßnahmen zu kompensieren. Die personenbezogenen Schutzmaßnahmen dienen leidglich der Ergänzung und sind nur in Ausnahmefällen als alleinige Maßnahme anzuwenden. Hierunter fällt vor allem die persönliche Schutzausrüstung.

 

Zusammenfassend lässt sich feststellen, dass die Neufassung der TRBS 1111 vor allem der Klarstellung der inhaltlichen Begriffe sowie des allgemeinen Verständnisses dient. Weiterhin wird die Vorgehensweise zur Durchführung der Gefährdungsbeurteilung detailliert beschrieben. Die Anforderungen der BetrSichV sind damit für den Arbeitgeber transparenter und können so besser umgesetzt werden.

 

Neben den bislang erfolgten Anpassungen – wie vorliegend für die TRBS 1111 beschrieben – sind auch die Überarbeitungen der vielfach noch auf alter Verordnungslage bestehenden TRBS dringend angezeigt, um auch bezüglich der weiteren Anforderungen der BetrSichV für mehr Klarheit in der Praxis zu sorgen und bestehende Widersprüche zu beseitigen. Die ersten Anpassungen an die „neue” BetrSichV waren dafür zwar ein positiver, allerdings auch längst überfälliger Schritt in die richtige Richtung.

 

 

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