Bye Bye Mindest- und Höchstsätze!

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veröffentlicht am 02. November 2020

 

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Gesetzesentwurf zur Anpassung der HOAI an das Urteil des Europäischen Gerichtshofs.


Was bisher geschah…

Zur Erinnerung: Mit Urteil vom 4.7.2019 hat der Europäische Gerichtshof die Unionsrechtswidrigkeit der Mindest- und Höchstsätze der HOAI festgestellt. Die deutschen Regelungen verstoßen gegen die europäische Dienstleistungsrichtlinie. Aufgrund dieses Urteils ist die Bundesrepublik nun in der Pflicht, zu reagieren. Die Fachwelt hat seither heiß diskutiert, wie das EuGH-Urteil möglicherweise umgesetzt werden könnte.


Was nun passiert…

Nun ist es endlich soweit: Es liegt ein erster Gesetzesentwurf vor. Aber der Reihe nach: Die HOAI ist kein Gesetz, sondern eine Verordnung. Sie beruht auf einer Ermächtigungsgrundlage. Diese Ermächtigungsgrundlage wiederum gestattet der Bundesregierung überhaupt erst, eine Verordnung wie die HOAI zu erlassen. Die Ermächtigungsgrundlage nennt sich „Gesetz zur Regelung von Ingenieur- und Architektenleistungen (ArchLG)”. Soll also die HOAI hinsichtlich der Mindestsätze verändert werden, muss zunächst einmal das ArchLG geändert werden. Bisher schrieb das ArchLG nämlich vor, dass Mindest-
und Höchstsätze für Honorare festzusetzen sind, die für die von der Honorarordnung erfassten Leistungen gelten sollen. Auf dieser Grundlage hatte die Bundesregierung die HOAI erlassen und verbindliche Mindest- und Höchstsätze festgelegt. Da diese nunmehr für europarechtswidrig erklärt wurden, muss eine entsprechende Änderung des ArchLG und (erst) anschließend der HOAI erfolgen. Damit hat die Bundesregierung nun begonnen und am 15.7.2020 einen „Entwurf eines Gesetzes zur Änderung des Gesetzes zur Regelung von Ingenieur- und Architektenleistungen und anderer Gesetze” beschlossen, der dem Bundestag am 31.8.2020 zur Beschlussfassung übersandt wurde (BT-Drucksache 19/21982).

 

Was steht Interessantes drin?

Die sicherlich spannendste Passage aus § 1 des Gesetzesentwurfs lautet:

 

 

1.

„Die Bundesregierung wird ermächtigt, durch Rechtsverordnung mit Zustimmung des Bundesrates eine Honorarordnung für Ingenieur- und Architektenleistungen zu erlassen und Folgendes zu regeln: […]

 

 

2.

Honorartafeln zur Honorarorientierung für Grundleistungen, auch in Abgrenzung zu besonderen Leistungen,”

 

 

 

Die zitierte Nr. 2 ist das Kernstück der Änderungen. Hier wird nun klar festgelegt, dass Honorartafeln zwar vorgegeben werden, diese aber lediglich der Honorarorientierung dienen. Der Bezug auf Grundleistungen dient nur der Klarstellung und ist keine Änderung im tatsächlichen Sinne. Denn die Grundleistungen sind seit jeher Hauptgegenstand der HOAI. Damit will die Bundesregierung also der Entscheidung des EuGHs entsprechen und die betroffenen Regelungen des ArchLGs – und in Folge dann auch der HOAI – anpassen.

 

Die als europarechtwidrig erkannte Festlegung verbindlicher Mindest- und Höchstsätze soll in eine Orientierung, d. h. eine Art „Empfehlung” der Honorare abgeschwächt werden. Die Regelungen, die die HOAI für die Kalkulation der Honorare enthält, sollen laut Gesetzesbegründung bestehen bleiben. Das entsprechend dieser Kalkulationsregeln ermittelte Honorar kann jedoch abgeändert werden, etwa durch Zu- oder Abschläge. Zugleich wird die künftige HOAI unverbindliche Honorarempfehlungen enthalten, die eine wichtige Orientierung für die Honorarhöhe im Einzelfall bieten.


Demnach können sowohl Auftraggeber als auch Auftragnehmer weiterhin auf die bereits bekannten Kalkulationsmethoden zurückgreifen, allerdings ohne dass diese noch verbindlich, mithin zwingend einzuhalten wären.


Was steht sonst noch so drin?

Das AchrLG soll künftig kürzer sein als bisher. Bislang enthielt das ArchLG in den §§ 1 und 2 zwei getrennte Paragraphen. Sie ermächtigten einerseits zum Erlass einer Honorarordnung für Ingenieure und andererseits zum Erlass einer Honorarordnung für Architekten. Inhaltlich waren die Regelungen aber nahezu identisch. Die Bundesregierung sah keinen Bedarf mehr an einer Beibehaltung dieser Aufteilung.


Zudem soll das ArchLG insoweit mit der HOAI vereinheitlicht werden, als nicht mehr auf die Berufsbezeichnung, sondern lediglich auf die betroffene Leistung abgestellt wird. Laut Gesetzesbegründung bildeten die bisher im ArchLG genannten Berufsgruppen nicht das gesamte Spektrum derjenigen ab, deren Leistungen nach der HOAI honoriert wurden. Nach höchstrichterlicher Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs beschränkte sich der Anwendungsbereich der HOAI nämlich gerade nicht ausschließlich auf Leistungen von Personen, die die im Gesetz bzw. in der Verordnung genannten Berufsbezeichnungen führen durften. Sie war vielmehr von allen anzuwenden, die Leistungen erbrachten, die inhaltlich von der HOAI erfasst waren. Die Bestimmung des Anwendungsbereichs erfolgte leistungsbezogen über die Tätigkeiten, nicht über die im Gesetz oder der HOAI benannten Berufsgruppen.  Daran soll die jetzige Anpassung des ArchLG nichts ändern. Es sollen nach dem Willen des Gesetzgebers auch künftig die Leistungen aller Berufsgruppen den HOAI-Honorarregelungen unterfallen, für die die HOAI bisher schon galt. Der Gesetzesentwurf enthält deshalb auch keine lange Auflistung verschiedener Berufsgruppen, sondern benennt allgemein die für das ArchLG namensgebenden Tätigkeiten als von diesem erfasst, die Ingenieur- und die Architektenleistungen. Unter diesen Oberbegriff fallen sowohl die Grundleistungen als auch die besonderen Leistungen. Der grundsätzlich denkbare Weg, die HOAI nur noch dann anzuwenden, wenn die Leistungen von einer bestimmten Berufsgruppe erbracht werden, wurde also gerade nicht beschritten.  


Wie bisher soll die HOAI auch künftig detailliertere Regelungen für die Grundleistungen enthalten als für die besonderen Leistungen. Daher erfolgt eine genauere Bestimmung der Grundleistungen im neu gefassten § 1 Abs. 2. Im Übrigen enthält der Gesetzesentwurf folgende Neuerungen: Nach § 1 Abs. 1 Nr. 1 können in der HOAI weiterhin Grundlagen und Maßstäbe für die Berechnung von Honoraren vorgegeben werden. Das erfasst insbesondere alle Regelungen, die festlegen, welche Parameter zur Honorarberechnung heranzuziehen sind, wenn das Honorar nach der HOAI kalkuliert werden soll.


§ 1 Abs. 1 Nr. 3 ist ein letztes „Überbleibsel” der Verbindlichkeit der Honorarsätze. Hiernach kann in der künftigen HOAI vorgegeben werden, welche Preise für Grundleistungen als vereinbart gelten, wenn keine wirksame Honorarvereinbarung geschlossen wurde. Die Preise selbst werden sich dann wohl nach den Honorartafeln richten. Dies wird vermutlich die einzige Konstellation werden, in der die HOAI künftig eine Verbindlichkeit ihrer Honorare beanspruchen kann. Die Regelung soll helfen, langwierige Streitigkeiten über das Honorar zu vermeiden, wenn keine wirksame Honorarvereinbarung getroffen wurde.

 

Schließlich erhält der Gesetzesentwurf in § 1 Abs. 1 Nr. 4 noch eine Regelung zu Wirksamkeitsvoraussetzungen für die Honorarvereinbarungen. Dies kann sich z. B. in bestimmten Formvorgaben (textlich, schriftlich etc.) oder aber auch in bestimmten Hinweispflichten (z. B. in Bezug auf die freie Vereinbarkeit der Honorarhöhe) äußern.

 

In den Gesetzesentwurf wurde zudem eine Regelung aufgenommen, die besagt, dass die berechtigten Interessen der Architekten und Ingenieure bei der Ermittlung der Honorartafeln berücksichtigt werden müssen. Nach der Gesetzesbegründung sollen damit angemessene Honorare sichergestellt werden. Ob dies genügt, um tatsächlich eine angemessene Vergütung der Architekten und Ingenieure sicherzustellen, wird sich zeigen. Insbesondere der Wirtschaftsausschuss des Bundesrats (BR-Drs. 445/1/20) empfiehlt hier eine genauere Prüfung.

 

Zusammenfassend bleibt es spannend abzuwarten, wie die Ansätze, die das ArchLG nun vorsieht, in der künftigen HOAI konkret umgesetzt werden.

 

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Dr. Julia Müller

Rechtsanwältin, Fachanwältin für Vergaberecht

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