Neue Regelungen zur Umsatzrealisierung nach IFRS – Auswirkung auf mein Unternehmen?

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Von Thomas Rattler und Theresa Menzer, Rödl & Partner Nürnberg
 
Aus dem im Mai veröffentlichten neuen Standard zur Umsatzrealisierung ergeben sich neue Regelungen zu Zeitpunkt und Höhe der Erfassung von Umsatzerlösen. Dabei ersetzt IFRS 15 vollständig die bisherigen Vorschriften zur Umsatzrealisierung, bestehend aus den Standards IAS 18 und IAS 11 sowie diversen Standardinterpretationen, und regelt mehrere Aspekte neu. Der Standard ist voraussichtlich für Geschäftsjahre beginnend ab dem 01.01.2017 anzuwenden.
 
Zukünftig sind Fragen zur Umsatzrealisierung unter Berücksichtigung eines prinzipienbasierten Ansatzes in einem einheitlichen Modell zu beurteilen. Die größten Herausforderungen ergeben sich dabei für Unternehmen, die bis dato Produkte und Dienstleistungen in ihren Absatzgeschäften kombinieren (Mehrkomponentenverträge) und bilanziell in einem Geschäftsvorfall (Produktbündel) erfassen. Typische Anwendungsfälle hierfür lassen sich inzwischen in fast allen Branchen finden, insbesondere dort, wo Unternehmen heutzutage dauerhafte Kundenbeziehungen, bspw. mit Hilfe von Serviceverträgen nach dem Kauf eines Produktes, anstreben. Dies gilt nicht nur in der Telekommunikationsbranche (z.B. 24-Monatsvertrag mit subventioniertem Handy), sondern auch in der Automobilindustrie (Autoverkauf inkl. Wartungsvertrag) oder der Verlagsbranche (Printmedium inkl. Onlinezugriff auf Datenbank).
 

Wesentliche Neuerungen

Der Vielfältigkeit der vertraglichen Gestaltungen in der Praxis begegnet der neue Standard mit einer prinzipienorientierten Definition des Anwendungsbereichs für Verträge,

  • denen die Vertragspartner zugestimmt haben,
  • bei denen Rechte des Kunden auf Güter und Dienstleistungen und Zahlungsbedingungen vom Unternehmen identifiziert werden können,
  • deren Vereinbarung eine wirtschaftliche Substanz hat und
  • deren Gegenleistung wahrscheinlich vereinnahmt wird.

Insbesondere der letzte Punkt erfordert bspw. bereits im Zeitpunkt des Vertragsabschlusses eine Beurteilung hinsichtlich der Wahrscheinlichkeit der Erfüllung der Zahlungsverpflichtung seitens des Vertragspartners.

Alle Anwendungsfälle sind anschließend anhand des neu implementierten Fünf-Schritte-Modells des IFRS 15 bzgl. Realisationszeitpunkt und Höhe der Umsätze zu überprüfen:
  1. Identifizierung des Vertrags mit dem Kunden
  2. Identifizierung der separaten Leistungsverpflichtungen
  3. Bestimmung des Transaktionspreises
  4. Verteilung des Transaktionspreises auf separate Leistungsverpflichtungen
  5. Umsatzrealisierung zum Zeitpunkt der Erfüllung einer Leistungsverpflichtung
Schritte Nr. 1 und 2 des IFRS 15-Modells sehen vor, dass zunächst alle in einem Vertrag vereinbarten Leistungsverpflichtungen identifiziert und die eigenständigen Leistungskomponenten separat abgebildet werden. Dies betrifft alle Leistungskomponenten, auch wenn sie in einem Vertrag nicht explizit genannt oder ein separater Kaufpreis vereinbart ist. So können bspw. bereits kostenlose Updates zu einer veräußerten Software separat zu bilanzieren sein. Denn nach IFRS 15 sind Umsatzerlöse für einzelne Leistungskomponenten zu erfassen, wenn die zugesagte Leistung erbracht wurde oder als erbracht gilt. Für ein Software-Update kann sich somit ein späterer Realisationszeitpunkt ergeben.
 
Bei der Bestimmung des Transaktionspreises (Schritt Nr. 3) ist grundsätzlich vom vertraglich vereinbarten Entgelt auszugehen. Kann die Höhe der Gegenleistung jedoch nicht konkret ermittelt werden, ist eine möglichst verlässliche Schätzung anhand von Erwartungswerten vorzunehmen, die einige Fragen für die Praxis mit sich bringt. Denn diese Gegenleistung kann fixe und variable Komponenten beinhalten (Boni, Rabatte, Vertragsstrafen, etc.), die zum Zeitpunkt des Vertragsabschlusses beurteilt werden müssen.
 
Sind die einzelnen Leistungskomponenten identifiziert und die gesamte Gegenleistung bestimmt, hat im Anschluss eine Verteilung auf diese Leistungsverpflichtungen zu erfolgen (Schritt Nr. 4). In diesem Kontext stellt sich nunmehr die Frage, welchen Veräußerungspreis die jeweilige Leistungskomponente alleinstehend haben würde.
 
Ein weiterer wesentlicher Unterschied zu den bisherigen Regeln der Umsatzrealisierung betrifft den Realisationszeitpunkt (Schritt Nr. 5). Bisher erfolgte die Erlösrealisierung im Falle des Verkaufs von Gütern bei Übertragung der wesentlichen Chancen und Risiken bzw. im Anwendungsfall von IAS 11 Fertigungsaufträge nach Maßgabe des Fertigstellungsgrades (percentage-of-completion-Methode). Zukünftig ist dagegen das entscheidende Kriterium der Übergang der Kontrolle über das Gut oder die Dienstleistung einschließlich der Beurteilung, ob der Kontrollübergang zu einem Zeitpunkt oder über einen Zeitraum hinweg erfolgt. Entgegen früherer Erwartungen bleibt auch mit dem veränderten Konzept des IFRS 15 zukünftig eine zeitraumbezogene Umsatzrealisierung möglich allerdings unter neu definierten Voraussetzungen. Somit müssen die aktuellen Anwendungsfälle nach IAS 11 nicht unbedingt von den Regelungen des IFRS 15 „gedeckt” sein. Da sich bei abweichenden Umsatzrealisationszeitpunkten erhebliche Auswirkungen für die Berichterstattung des betroffenen Unternehmens ergeben können, sind insbesondere hierzu frühzeitige individuelle Analysen zu empfehlen. 
 

Herausforderungen für die Praxis

Erschwert wird die praktische Umsetzung des neuen prinzipienorientierteren Standards durch die Vielfalt der zum Teil erstmalig geregelten Sonderthemen wie bspw.
 
  • Vertragsanpassungen,
  • variable Kaufpreisbestandteile,
  • (umfangreichen) Rückgaberechte, Gewährleistungen und Garantien,
  • Kundengewinnungskosten,
  • Vertragserfüllungskosten,
  • Kundenbindungsprogramme,
  • Bill- and-Hold Transaktionen,
  • Put-/Call-Optionen oder
  • „Upfront fees”.
 
Abgerundet wurde der neue Standard mit umfangreichen Anhangangaben. Hierzu gehören bspw. die gefoerderten Informationen zu
 
  • Kundenverträgen (Kategorisierung der Umsätze nach ihrem wirtschaftlichen Gehalt),
  • auftretenden Leistungsverpflichtungen und
  • wesentlichen Schätzungs- und Ermessensannahmen.
 

Fazit

Grundsätzlich sollen Rechnungslegungsvorgaben lediglich zur einheitlichen bilanziellen Abbildung von Prozessen und Geschäftsvorfällen dienen und in der Regel keinen Einfluss auf Geschäftsmodelle nehmen. Allerdings sind die neuen Regelungen des IFRS 15 so weitreichend, dass es bei einigen Unternehmen zu Ausnahmen von dieser Regel kommen kann. Da der Standard voraussichtlich erst für Geschäftsjahre anzuwenden sein wird, die nach dem 01.01.2017 beginnen, ist aktuell noch Zeit für mögliche Analysen und Gegensteuerungsmaßnahmen. In nur sehr wenigen der tatsächlich betroffenen Branchen wurde allerdings die Brisanz des Themas bis dato erkannt und mit der Erarbeitung möglicher Lösungsansätze begonnen. 

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