Zur Wohnraum-Kündigung bei wirtschaftlicher Verwertung

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BGH, Urteil vom 16. Dezember 2020, Az.: VIII ZR 70/19

Der ersatzlose Abriss eines Gebäudes ist keine wirtschaftliche Verwertung im Sinne des Mietrechts. Ist eine Modernisierungsmaßnahme erforderlich, welche voraussichtlich EUR 26.000 kosten wird, stellt dies auch bei sehr geringer Miete kein berechtigtes Interesse für eine ordentliche Kündigung eines Mietverhältnisses dar.

 

Im zugrundeliegenden Fall war ein ehemaliges Landarbeiterhaus seit mehreren Jahrzenten unbefristet vermietet. Das Badezimmer der Mieter befand sich nicht im Hauptgebäude, sondern in einem ansonsten ungenutzten Seitenflügel. Die Nettomiete beläuft sich auf monatlich EUR 60. Der Vermieter erklärte die ordentliche Kündigung des Mietverhältnisses und begründete dies damit, der Seitenflügel müsse aus wirtschaftlichen und statischen Gründen abgerissen werden. Der Bereich, in dem sich das Badezimmer befinde, sei sehr baufällig und nur unter erheblichen Gefahren begehbar. Eine Wiederherstellung sei nicht ansatzweise darstellbar. Der Anbau eines neuen Badezimmers an das Hauptgebäude koste rund EUR 26.000 und würde sich in Anbetracht der geringen Miete wirtschaftlich nicht tragen. Der Vermieter verklagte die Mieter auf Räumung der Mietsache. Die erst- und zweitinstanzliche Entscheidung fiel zu Lasten des Vermieters aus.

 

Auch der BGH schloss sich nun der Entscheidung der beiden Vorinstanzen an und verneinte eine wirksame Kündigung des Vermieters. Die Voraussetzungen einer Verwertungskündigung (§ 573 Abs. 2 Nr. 3 BGB) seien nicht gegeben. Nach dieser Bestimmung liegt ein berechtigtes Interesse des Vermieters an der Beendigung des Mietverhältnisses vor, wenn er durch dessen Fortsetzung an einer angemessenen wirtschaftlichen Verwertung des Grundstücks gehindert wäre und dadurch erhebliche Nachteile erleiden würde. Zwar können durch den ersatzlosen Abriss eines Gebäudes Unkosten vermieden werden. Der Abriss stellt jedoch keine Realisierung des dem Grundstück innewohnenden materiellen Werts und damit keine wirtschaftliche Verwertung im Sinne des Gesetzes dar.

 

Dabei stellte der BGH weiter klar, dass sich mangels berechtigten Interesses des Vermieters an der Beendigung des Mietverhältnisses auch kein Kündigungsrecht nach der Generalnorm des § 573 Abs. 1 S. 1 BGB vorliegt. Denn es handelt sich um eine auf wirtschaftliche Erwägungen gestützte Kündigung. Hierbei sind strenge Anforderungen an das Vorliegen eines ohne Kündigung vorliegenden erheblichen Nachteils für den Kündigenden anzusetzen. Danach ist die Erweiterung des Gebäudes zwecks Neuerrichtung eines Badezimmers, welche nach dem Vortrag des Klägers EUR 26.000 koste, zumutbar. Es spielt auch keine Rolle, dass die Mieter nur eine äußerst geringe Miete zahlen, die auch unter Ausnutzung aller gesetzlichen Möglichkeiten nicht auf ein Niveau erhöht werden kann, welches den vorgenannten Aufwand trägt. Denn eine Kündigung nach § 573 Abs. 1 BGB dürfe nicht vorgenommen werden, um eine Mieterhöhung zu erzielen. Dies gelte auch für außergewöhnlich mieterbegünstigende Konstellationen.

 

Fazit:

Diese aktuelle Entscheidung des BGH stärkt erneut die Position des Mieters in Wohnraummietverhältnissen. Zwar lässt der allgemeine Kündigungstatbestand des § 573 Abs. 1 S. 1 BGB generell Kündigungen aus wirtschaftlichen Motiven zu. Die Rechtsprechung stellt dabei aber sehr hohe Anforderungen an das berechtigte Interesse des kündigenden Vermieters.

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