Hohes Alter und langjährige Mietdauer schützen nicht zwingend vor Kündigung

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BGH, Urteil vom 3. Februar 2021, Az.: VIII ZR 68/19

Das hohe Alter des Mieters oder eine lange Mietdauer stellen alleine keinen ausreichenden Grund dar, um die Kündigung des Vermieters abzuwenden.

 
Der Entscheidung des BGH lag folgender Sachverhalt zugrunde: Das 1932 und 1934 geborene Ehepaar mietete im Jahr 1997 von der Rechtsvorgängerin der Vermieterin eine Zweizimmerwohnung in Berlin. Die Vermieterin ist seit 2015 Eigentümerin dieser Mietwohnung und kündigte das Mietverhältnis im Jahr 2016 wegen Eigenbedarfs. Die Mieterin als Beklagte und ihr zwischenzeitlich verstorbener Ehemann widersprachen dieser Kündigung unter Verweis auf ihr hohes Alter, ihren beeinträchtigten Gesundheitszustand, ihre langjährige Verwurzelung am Ort der Mietsache und ihre für die Beschaffung von Ersatzwohnraum zu beschränkten finanziellen Mittel. Die von der Vermieterin erhobene Räumungsklage hatte in beiden Vorinstanzen keinen Erfolg, so dass die Fortsetzung des Mietverhältnisses auf unbestimmte Zeit angeordnet wurde.

 
Der BGH entschied in seinem Urteil nun zugunsten der Vermieterin: Nach Ansicht des BGH kommen nur Härtegründe in Betracht, die sich von den mit einem Wohnungswechsel typischerweise verbundenen Unannehmlichkeiten deutlich abheben. Das hohe Lebensalter eines Mieters könne in Verbindung mit weiteren Umständen – im Einzelfall auch der auf einer langen Mietdauer beruhenden tiefen Verwurzelung des Mieters in seiner Umgebung – eine solche Härte begründen. Aber allein wegen des fortgeschrittenen Alters sei der Fortsetzungsanspruch der Mieterin nicht begründet. Das hohe Alter eines Menschen wirke sich je nach Persönlichkeit und körperlicher sowie psychischer Verfassung unterschiedlich aus. Erforderlich seien ganz konkrete Feststellungen zu den altersbedingten Erschwernissen. Das gilt nach Ansicht des BGH auch hinsichtlich der sozialen Verwurzelung des Mieters am Ort der Mietsache. Denn eine langjährige Mietdauer lasse für sich genommen noch nicht auf eine tiefe soziale Verwurzelung des Mieters am Ort der Mietsache schließen. Vielmehr hänge deren Entstehung maßgeblich von der individuellen Lebensführung des jeweiligen Mieters ab, namentlich davon, ob er beispielsweise soziale Kontakte in der Nachbarschaft pflege, Einkäufe für den täglichen Lebensbedarf in der näheren Umgebung erledige, an kulturellen, sportlichen oder religiösen Veranstaltungen in der Nähe seiner Wohnung teilnehme und/oder medizinische oder andere Dienstleistungen in seiner Wohnumgebung in Anspruch nehme. Und schließlich vermisste der BGH Feststellungen zu den konkreten Folgen, die sich aus dem hohen Lebensalter der Mieterin und ihrer etwaigen sozialen Verwurzelung am bisherigen Wohnort im Falle eines erzwungenen Wohnungswechsels für sie ergeben. Dazu zählt z. B. eine Verschlechterung des gesundheitlichen Zustands infolge des Umzugs.

 

Fazit:

Begründet der Mieter sein Fortsetzungsverlangen mit dem Alter und/oder der sozialen Verwurzelung am Ort der Mietwohnung, so ist in diesen Fällen ein Gutachten zur Art, dem Umfang und den konkreten Auswirkungen auf die Lebensführung des betroffenen Mieters im Allgemeinen und im Falle des Verlusts der vertrauten Umgebung erforderlich.

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