Wahrung der Schriftform bei Mietverträgen erst durch Anlage

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BGH, Urteil vom 29. Januar 2021, Az.: V ZR 139/19

Für die Einhaltung der Schriftform ist es nicht erforderlich, dass die erste Vertragsurkunde selbst alle Schriftformvoraussetzungen erfüllt.


Die Parteien schlossen einen Vertrag über eine Fläche zum Zwecke des Betriebs eines Geldautomaten gegen eine monatliche Miete. Das Vertragsformular enthält auf der Vorderseite Angaben zum Standort, zu den Vertragsparteien und zur Höhe der Miete und ist abschließend von beiden Parteien unterschrieben. Auf der von den Parteien nicht unterzeichneten Rückseite des Vertragsformulars befinden sich die Allgemeinen Vertragsbedingungen (AVB) der Beklagten. Nach diesen beginnt das Mietverhältnis mit der Inbetriebnahme des Geldautomaten und endet grundsätzlich mit Ablauf des Monats, in dem das Mietverhältnis fünf Jahre bestand. Es verlängert sich nach Ablauf der Festlaufzeit oder der Verlängerungsperiode jedes Mal um zwölf Monate, wenn es nicht spätestens sechs Monate zuvor gekündigt wird. Einige Wochen später unterzeichneten die Parteien eine Anlage, die mit „Anlage 1 zum Mietvertrag. Das eingezeichnete Objekt kennzeichnet die Mietfläche nach § 1.1 des Vertrags” überschrieben ist und eine Fotomontage zeigt, bei der der geplante Geldautomat in einer Ansicht der Hausfassade eingefügt ist. Der Geldautomat wurde im September 2015 in Betrieb genommen. Mit einem der Beklagten am 29. August 2017 zugegangenen Schreiben erklärte der Vermieter unter Berufung auf einen Schriftformmangel die ordentliche Kündigung des Mietverhältnisses.


Nach Ansicht des BGH wahrt der Mietvertrag unter Berücksichtigung der von den Parteien unterzeichneten Anlage 1 die für die Wirksamkeit der vereinbarten Laufzeit von mehr als einem Jahr erforderliche schriftliche Form. Das Mietverhältnis ist daher mit einer Laufzeit von zunächst fünf Jahren ab Inbetriebnahme des Geldautomaten schriftformkonform abgeschlossen, so dass die vom Vermieter im August 2017 erklärte ordentliche Kündigung nicht zu einer vorzeitigen Beendigung des Mietvertrags geführt hat.


Nach ständiger Rechtsprechung des BGH ist die Schriftform des § 550 BGB nur gewahrt, wenn sich die für den Abschluss des Vertrags notwendige Einigung über alle wesentlichen Vertragsbedingungen – insbesondere den Mietgegenstand, die Miete sowie die Dauer und die Parteien des Mietverhältnisses – aus einer von beiden Parteien unterzeichneten Urkunde ergibt. Werden wesentliche vertragliche Vereinbarungen nicht im Mietvertrag selbst schriftlich niedergelegt, sondern in Anlagen ausgelagert, müssen die Parteien zur Wahrung der Urkundeneinheit die Zusammengehörigkeit dieser Schriftstücke in geeigneter Weise zweifelsfrei kenntlich machen. Dazu bedarf es keiner körperlichen Verbindung dieser Schriftstücke. Vielmehr genügt für die Einheit der Urkunde die bloße gedankliche Verbindung, die allerdings in einer zweifelsfreien Bezugnahme zum Ausdruck kommen muss. Zur Schriftform gehört auch, dass die Urkunde von den Vertragsparteien eigenhändig unterzeichnet wird und die beiderseitigen Unterschriften den gesamten Vertragsinhalt decken und den Vertragstext räumlich abschließen. Allerdings ist es für die Einhaltung der Schriftform nicht erforderlich, dass schon die erste Vertragsurkunde selbst alle Schriftformvoraussetzungen erfüllt. Vielmehr genügt es, wenn diese Voraussetzungen durch eine nachfolgende Änderungsvereinbarung gemeinsam mit der in Bezug genommenen ersten Vertragsurkunde erfüllt werden. Zwar genügte hier die eigentliche Vertragsurkunde dem Schriftformerfordernis nicht, da diese lediglich auf der Vorderseite unterzeichnet worden ist. Die Unterschriften schließen damit nicht den vollständigen Vertragsinhalt ab. Die Vorderseite enthält auch keinen ausreichenden Verweis auf die Rückseite. Allerdings wird die für die Wirksamkeit der vereinbarten Laufzeit erforderliche Schriftform des Mietvertrags durch die später von beiden Parteien unterzeichnete Anlage 1 gewahrt. Diese Anlage nimmt ausdrücklich Bezug auf den schriftlichen Vertrag, indem in der Überschrift der Anlage 1 der streitgegenständliche Vertrag, die Parteien und der Mietgegenstand benannt werden. Zudem ist der Nachtrag als Anlage 1 zum Mietvertrag bezeichnet.

 

Fazit:

Werden Anlagen zu Mietverträgen ausgelagert, muss die Zusammengehörigkeit dieser Schriftstücke durch Bezugnahme kenntlich gemacht werden. Ist diese Urkundeneinheit hergestellt, so genügt es für die Einhaltung der Schriftform, wenn die beiderseitige Unterzeichnung erst in einer Anlage zum Mietvertrag erfolgt. 

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