Eine Nachbarwand oder doch zwei?

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BGH, Urteil vom 12. November 2021, Az.: V ZR 25/21

Eine Nachbarwand kann von beiden Nachbarn in Richtung auf sein eigenes Grundstück benutzt werden, soweit dies die Nutzung des Anderen nicht beeinträchtigt.

 
Es liegt die typische Situation einer Reihenhaussiedlung vor. Der Kläger ist Eigentümer eines mit einem Reihenhaus bebauten Grundstücks, an das das Reihenhaus des Nachbarn leicht versetzt anliegt. Die Außenwand des klägerischen Hauses ragt gartenseitig über das von dem Beklagten als Mieter genutzten Haus hinaus. Auf der seiner Terrasse zugewandten Seite der Außenwand bohrte der Beklagte ohne Zustimmung des Klägers Löcher in den Putz, um darauf einen Kabelkanal für die Stromleitung zu seiner Markise zu verschrauben. Der Kläger forderte den Beklagten auf, den ursprünglichen Zustand der Wand wiederherzustellen.

 
Der BGH bejaht nun den Entfernungsanspruch, allerdings mit einer völlig anderen Begründung als das noch die Vorinstanz tat. Zunächst stellt der BGH klar: Eine Nachbarwand kann von jedem der beiden Nachbarn in Richtung auf sein eigenes Grundstück benutzt werden (vgl. BGH, Urteil vom 12. März 2021 - V ZR 31/20); deshalb darf sie in Richtung auf das eigene Grundstück beispielsweise gestrichen, bepflanzt oder zur Verlegung von Leitungen genutzt werden, soweit die Mitbenutzung des anderen Nachbarn nicht beeinträchtigt wird (vgl. dazu schon BGH, Urteil vom 2. Februar 1965 - V ZR 247/62). Bohrlöcher alleine seien dann, wenn Feuchtigkeitseindringen ausgeschlossen ist, keine solche Beeinträchtigung.

 
Von der Nachbarwand zu unterscheiden sind aber die Grenzwand als auch der nicht zum Anbau bestimmte Überbau. Als Grenzwand wird in Abgrenzung zur Nachbarwand eine Mauer bezeichnet, die bis an die Grundstücksgrenze gebaut ist, diese aber nicht überschreitet (vgl. BGH, Urteil vom 18. Mai 2001 - V ZR 119/00). Eine Nachbarwand liegt nur dann vor, wenn die von der Grenze geschnittene Wand dazu geeignet und bestimmt ist, beiden Nachbargebäuden als wesentlicher Bestandteil zu dienen. Das liegt in der typischen Reihenhaussituation aber meist baulich nicht vor. Denn: meist sind die Außenmauern der beiden Gebäude durch eine Fuge getrennt und die Mauerschalen damit eindeutig jeweils einem Gebäude zuzuordnen. Die beiden Mauern erfüllen jeweils für sich die Erfordernisse der Statik für das zugehörige Gebäude. Eine bautechnische Inanspruchnahme des einen Nachbarn für den Bau des anderen Reihenhauses, liegt danach nicht vor. Zu einer Einwirkung (Bohrlöcher) auf die danach im Alleineigentum des Klägers stehende überbaute Wand war der Beklagte folglich nicht berechtigt, so dass er zur Beseitigung des Kabelkanals und der Bohrlöcher verpflichtet ist. Letztlich stellt der BGH klar: Daneben kommt eine allgemeine Pflicht zur gegenseitigen Rücksichtnahme aus dem Gesichtspunkt des nachbarlichen Gemeinschaftsverhältnisses nur dann zum Tragen, wenn ein über die gesetzliche Regelung hinausgehender billiger Ausgleich der widerstreitenden Interessen dringend geboten erscheint. Dies ist nicht der Fall.

  

Fazit:

Die genaue technische Kenntnis der Örtlichkeiten ist mitunter entscheidend. Der BGH nimmt dies zum Anlass, seine Sichtweise auf die verschiedenen baulichen Gegebenheiten klarzustellen und die Konsequenzen aufzuzeigen. Sicherlich wäre eine Absprache im Vorfeld sinnvoll gewesen.

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