Ordentliche Kündigung trotz Zahlungsverzug unwirksam

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veröffentlicht am  23.05.2023 | Lesedauer ca. 2 Minuten

LG Berlin (Zivilkammer 64), Urteil vom 15. März 2023, Az.: 64 S 180/21

Eine im Sozialleistungsbezug stehende Mieterin trifft geringeres Verschulden im Falles eines Zahlungsverzugs.


Die Beklagte ist Mieterin einer von der Klägerin vermieteten Dreizimmerwohnung. Da die Beklagte seit Jahren Sozialhilfe bezieht, zahlt das zuständige Jobcenter ihre Miete. Nachdem die Mieterin bei dem zuständigen Jobcenter angab, sich selbstständig machen zu wollen, stellte das Jobcenter die Mietzahlungen über mehrere Monate hinweg ein, um die begonnene selbstständige Tätigkeit zum Zwecke der Entscheidung über die Gewährung der Beantragten Leistungen zu prüfen und auszuwerten. Aufgrund des daraus folgenden Mietzahlungsrückstands samt offener Nebenkostennachzahlung, kündigte die Vermieterin den Mietvertrag fristlos, hilfsweise ordentlich. Während die offenen Mietforderungen nur wenige Tage nach dieser Kündigung vom Jobcenter getilgt wurde, blieben die nachgeforderten Nebenkosten dagegen offen. Es folgte sodann eine hierauf gestützte zweite fristlose, hilfsweise ordentliche Kündigung. Der von der Klägerin anschließend erhobenen Räumungsklage gab das Amtsgericht auf Grundlage der ersten Kündigung zunächst statt.


Auf die Berufung der Beklagten hin, hat das Landgericht Berlin die Räumungsklage nun abgewiesen, da keine der beiden Kündigungen das Mietverhältnis beenden konnte. Die erste fristlose Kündigung wurde demnach durch die Tilgung der offenen Mietzahlungen nach Zugang der Kündigung rückwirkend unwirksam (sogenannte Schonfristzahlung). Diese fristlose Kündigung konnte auch nicht auf die offene Nebenkostennachzahlung gestützt werden, da diese keine laufende Miete darstellt. Die hilfsweise erklärte, erste ordentliche Kündigung war ebenfalls wirkungslos, da die Mieterin an der Entstehung des Mietrückstands nur ein geringes Verschulden traf. Das lässt sich zum einen damit begründen, dass der Zahlungsrückstand nach Zugang der Kündigungserklärung kurzfristig und somit innerhalb der Schonfrist beglichen wurde. Zum anderen gab es in der Vergangenheit bis zu diesem Vorfall keine weiteren erheblichen Störungen des Mietverhältnisses, sodass die baldige Nachzahlung der offenen Miete dem zu-nächst berechtigten Misstrauen der Vermieterin in die weitere Vertragstreue der Mieterin die Grundlage entzieht. Ferner traf die Mieterin auch keine Schuld an der verzögerten Leistungsbewilligung durch das Jobcenter. Denn das Jobcenter hatte die Mietzahlungen zur Prüfung der Leistungsänderung eingestellt, ohne eine vorläufige oder darlehensweise Deckung der Mietforderungen anzubieten. Selbst, wenn die Mieterin die beim Jobcenter erforderlichen Anträge früher gestellt und die angeforderten Unterlagen schneller nachgereicht hätte, wäre gleichwohl ein Mietrückstand entstanden, den die Mieterin selbst durch überobligatorische Sachwaltung und Zuarbeit nicht hätte abwenden können. Die Durchsetzung des durch die ordentliche Kündigung begründeten Räumungsanspruchs ist demnach rechtsmissbräuchlich.


Auch die zweite fristlose, hilfsweise ordentliche Kündigung war nicht geeignet, das Mietverhältnis zu beenden, da sie allein auf die offene Nebenkostennachzahlung gestützt wurde. Da Nebenkostennachforderungen keine laufende Miete darstellen, können sie keine fristlose Kündigung rechtfertigen. Zudem war der Betrag der Nachforderung nicht sonderlich hoch und die Mieterin traf auch an dem diesbezüglichen Zahlungsrückstand aus den oben genannten Gründen nur ein geringes Verschulden.

 

Fazit:

Das Urteil zeigt, dass jede Kündigung von den Umständen des Einzelfalls abhängig ist und im Falle von Zahlungsrückständen nicht pauschal gekündigt werden kann. Dies gilt umso mehr, wenn Mieter Sozialleistungen beziehen und die pünktliche sowie vollständige Mietzahlung daher von dritten Stellen abhängig ist. 

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